--><center>5. Moderne Kunst als Avantgarde</center>
<p align=justify>[/b]Erst allmählich und nur zögernd übernahmen die Künstler gegen Ende des 19. Jahrhunderts die gesellschaftliche Rollenzuweisung vom autonomen Schöpfertum, das nicht auf einen Gebrauchsnutzen ihrer Produkte schaut, sondern ins Werk setzt, was im Künstler als Subjekt schlummert.
<p align=justify>Die Werke der Impressionisten waren im Jahr 1886 durch eine Ausstellung mit 289 Gemälden dem amerikanischen Publikum vorgestellt worden.
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<p align=justify>Amerikanische Maler hatten die moderne europäische Malerei zunächst mit gemischten Gefühlen betrachtet. Der Maler George Elmer Browne erinnerte sich, dass ihn der Salon d' Independence von 1900 in Paris zutiefst verunsicherte, weil keine Jury kontrollierte, welche Werke ausgestellt wurden: "Es kam mir lächerlich vor, aber aus irgendeinem Grund ging eine permanente Anziehung vom Salon aus... Ich hielt sie für verrückt..."
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<p align=justify>Als Beleg für den Umgang der Millionäre mit dem Maler und seinem Werk im folgenden ein paar Auszüge aus der Autobiografie der Millionenerbin und Kunstsammlerin Peggy Guggenheim:
<p align=justify>"Da mein Museum kein kommerzielles Institut war, avancierte es bald zum Zentrum avantgardistischer Aktivitäten.... Es bereitete uns große Freude, diese neuen Künstler zu entdecken. Nicht nur Pollock, Motherwell und Baziotes widmeten wir Ausstellungen, sondern auch Hans Hofmann, Clyfford Still, Mark Rothko und David Hare.... Mein Freund, der Maler Matta, und Putzel drängten mich, Pollock zu fördern.... Weil er in Ruhe arbeiten wollte, verlangte er ein Monatsgehalt, und ich schloss also einen Einjahresvertrag mit ihm ab. Pro Monat sollte er hundertfünfzig Dollar erhalten, zusätzlich eine Gewinnbeteiligung, wenn ich bis zum Ende des Jahres mehr als zweitausendsiebenhundert Dollar für seine Werke erhielte." (Peggy Guggenheim)
<p align=justify>Bitte einmal nachrechnen: Der Maler Pollock bekam 12 x 150 = 1.800 Dollar und alle Bilder, die er in diesem Jahr malt, gehörten seiner"Mäzenin". Die hoffte davon auf einen Verkaufserlös von 2.700 Dollar, Gewinn = 900 Dollar. Erst bei einem höheren Gewinn fiel eine"Gewinnbeteiligung" für Pollock ab.
<p align=justify>"Falls ich weniger einnahm, würde ich zum Ausgleich Bilder von ihm bekommen." (Peggy Guggenheim.)
<p align=justify>Nochmals rechnen: Der Maler erhält 1.800 Dollar und schuldet am Ende des Jahres 2.700 Dollar. Es handelt sich bei den 1.800 Dollar nicht um ein Geschenk, sondern um einen Kredit mit der sagenhaften Verzinsung von 50%.
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<p align=justify>Als ein Freund den Maler Edward Hopper (1882-1967), einer der Väter der modern-gegenständlichen amerikanischen Malerei, zu einem seiner Bilder fragte: "Worauf willst du da hinaus?", antwortete Hopper: "Auf mich."
Bei Hegel liest sich das so:"Es ist"die blanke Subjektivität des Künstlers selber..., die sich zu zeigen gedenkt... eine Produktion, in welcher das hervorbringende Subjekt nur sich selber zu sehen gibt." (Hegel, Ästhetik).
<p align=justify>Eine Kunst, die nichts zeigen will, als die Persönlichkeit des Künstlers, provoziert die einfache Frage: Was geht mich diese subjektive Kunst an? Warum soll ich eine Sache wertschätzen und wichtig nehmen, die auf nichts hinaus will außer auf das Individuum, das die Sache produziert hat? Es ist eine Kunst, die ihrem Schöpfer Vergnügen bereitet, nicht dem Publikum. Kapitalistisch gesprochen ist solche Kunst Ware ohne Gebrauchswert, ohne Nutzen für die Abnehmer. Hier hilft dann die"Aufklärung" durch Kunstkritiker weiter, die als Werbetexter für Dinge auftreten, für die zunächst niemand Verwendung hat.
<p align=justify>Die Subjektivität des Künstlers kann sich aber an jedem Material, an jedem Objekt beweisen.
<p align=justify>"Wenn die subjektive Innigkeit (des Künstlers) das wesentliche Moment für die Darstellung wird, ist es von gleicher Zufälligkeit, in welchen bestimmten Inhalt der äußeren Wirklichkeit und der geistigen Welt sich das Gemüt (des Künstlers) hineinlebt" (Hegel, Ästhetik)
<p align=justify>"Das Gebundensein an einen besonderen Gehalt und eine nur für diesen Stoff passende Art der Darstellung ist für den heutigen Künstler etwas Vergangenes und die Kunst dadurch ein freies Instrument geworden, das er nach Maßgabe seiner subjektiven Geschicklichkeit in bezug auf jeden Inhalt, welcher Art er auch sei, gleichmäßig handhaben kann." (Hegel, Ästhetik)
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<p align=justify>Der Künstler kann aus Fett und Filz Kunstwerke machen und der ganze Unterschied zu einfachem Fett und Filz, das irgendwo auf einem Stuhl herumliegt, besteht darin, dass der Künstler es als"sein Werk" gekennzeichnet hat, und damit dem Material einen schöpferischen"Gehalt", einen"Sinn" gegeben hat. Das Kunstwerk zeigt zwar immer noch seine schäbige äußere Hülle, ist äußerlich immer noch Stuhl und Fett, ist aber innerlich und im Wesen in Kunst verwandelt wie in der katholischen Messe die Hostie in den Leib Christi verwandelt wird.
<p align=justify>Solche Verwandlungen sind keineswegs erstaunlich, sondern alltäglich in der kapitalistischen Ã-konomie. Dasselbe Wunder, das eine Teigscheibe in das Fleisch Christi oder das Fett auf einem Stuhl in eine Kunstwerk verwandelt, bringt jeder Kapitalist hervor, der das unscheinbarste Material - Steine oder Vogelkacke - in Ware verwandelt und dadurch zu Geld macht. Künstler, Priester und Kapitalist brauchen für ihre Verwandlungen allerdings ein gläubiges und zahlendes Publikum.
<p align=justify>Die Theorie Hegels vom"Verfall der Kunst" lässt sich einfach belegen, indem man auf moderne Gemälde verweist, die nichts mehr zeigen als eine ganz weiße oder ganz schwarze Leinwand (beides ausgestellt im Museum of Modern Art New York). Die Theorie Hegels lässt sich jedoch ebenso oft widerlegen, wie man auf tausend andere Kunstwerke verweist, die nicht in leerer Subjektivität enden.
<p align=justify>Ich möchte daher zum Schluss die These Hegels von der Nutzlosigkeit der subjektiven Kunst abändern in eine These von der Überflüssigkeit des Künstlersubjekts: Ich möchte mit Marx behaupten, dass die Kunst nicht verschwinden wird Kunst wird nicht verschwinden, weil (hoffentlich) der"Luxus" nicht verschwinden wird, sondern zum Allgemeingut wird, statt ein Privileg von Wenigen zu bleiben.
<p align=justify>"In der Tat aber, wenn die enge bürgerliche Form abgestreift wird, was ist der Reichtum anders, als die im universellen Austausch erzeugte Universalität der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse, Produktivkräfte etc. der Individuen? Die volle Entwicklung der menschlichen Herrschaft über die Naturkräfte, die der so genannten Natur sowohl, wie seiner eigenen Natur? Das absolute Herausarbeiten seiner schöpferischen Anlagen, ohne andere Voraussetzung als die vorhergegangene historische Entwicklung, die diese Totalität der Einwicklung, d. h. die Entwicklung aller menschlichen Kräfte als solcher... zum Selbstzweck macht?" K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ã-konomie, 387.
<p align=justify>Die Kunst kann ihren Raum ausdehnen, aber die Künstlerei als lebenslange, spezialisierte Tätigkeit und der Künstler als selbständiger Beruf kann verschwinden.
<p align=justify>"Bei einer kommunistischen Organisation der Gesellschaft fällt jedenfalls fort die Gebundenheit des Künstlers an die lokale und nationale Borniertheit, die rein aus der Teilung der Arbeit hervorgeht, und die Gebundenheit des Individuums an diese bestimmte Kunst, so dass er ausschließlich Maler, Bildhauer usw. ist und schon der Name die... Abhängigkeit von der Teilung der Arbeit hinlänglich ausdrückt.
<p align=justify>In einer kommunistischen Gesellschaft gibt es keine Maler, sondern höchstens Menschen, die unter anderem auch malen." K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 379.
<center>Literatur: </center>
Ursula Frohne, Maler und Millionäre. Erfolg als Inszenierung. Der amerikanische Künstler seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Dresden 2000.
Peggy Guggenheim, Ich habe alles gelebt. Autobiografie. 1. Aufl. 1946
Gert Raeithel, Geschichte der Nordamerikanischen Kultur. 3 Bände, Frankfurt, 4. erw. Auflage 2002.
Wolfgang Ruppert, Der Moderne Künstler. Zur Sozial- und Kulturgeschichte der kreativen Individualität. 2. Aufl. Suhrkamp 2000.
Gruß Wal Buchenberg[b][/b]
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