-->Hi Zandow!
du schreibst:
den Heinsohnschen Thesen zum"youth bulge" kann ich im wesentlichen folgen. Doch bleibt Heinsohn beim entscheidenden Punkt stehen: die mangelnden Perspektiven für die jüngeren Söhne. Er untersucht nicht, warum es zu diesem Mangel kommt.
Ja.
Wir sehen durchaus wachsende Gesellschaften, die zwar viele Nachkommen hervorbringen, diese jedoch keineswegs zu zornigen jungen Männern werden.
Hm, interessant. Kannst Du ein paar Beispiele nennen (mit durchschn. Kinderzahl pro Frauenleben)? Und wie genau schaffen es diese Gesellschaften, die überzähligen 3., 4. und 5. Söhne gewaltfrei zu integrieren? Da würden ja Lösungsansätze aufscheinen, die möglicherweise (ganz oder teilweise) auf andere YB-Nationen übertragbar wären.
Die wichtigste Perspektive, die ein junger Mann im Leben braucht, ist die Möglichkeit, sich seinen eigenen Lebensunterhalt (auch zur Versorgung der eigenen jungen Familie) zu verdienen.
Okay, stimme zu. Und wer einen Job und eine Familie hat, hat keine Zeit, die Straßen unsicher zu machen - dürfte also, solange es ihm einigermaßen gut geht, friedlich bleiben.
Eine, die Heinsohnschen Thesen weiterführende, Untersuchung müßte nun zeigen, worin diese Möglichkeiten bestehen bzw. warum diese Möglichkeiten nicht bestehen.
Hm, okay. Man kann natürlich, wenn man wie Heinsohn nur daran interessiert ist, seine"Youth Bulge führt zu Gewalt" - These zu untermauern, nach Gründen dafür suchen, warum diese Möglichkeiten in den Youth Bulge Nationen mit Gewaltausbrüchen nicht bestehen.
Viel interessanter wäre aber doch die Frage nach den GEGENBEISPIELEN zur"Youth-bulge-führt-immer zu Gewalt" - These, die Du oben ansprichst und wo ich weiterfragend eingehakt habe: wie genau haben Nationen, die ihren Youth Bulge erfolgreich relativ gewaltfrei integrieren konnten, das geschafft? Man käme so auf Modell-Lösungen, die sich ggf. auf andere Youth-Bulge-Nationen übertragen ließen. Heinsohn fragt so nicht, weil er nur daran interessiert ist, seine YB-Theorie zu stützen und untermauern (Gegenbeispiele blendet er dafür aus oder erklärt sie mit Sonderbedingungen, jedenfalls sucht er nicht aktiv danach, und schon gar nicht von dem lösungsorientierten Standpunkt aus, den ich hier beschrieben habe; Heinsohn ist meiner Meinung nach - wie leider viele Sozialwissenschaftler - praktisch unfähig zu ziel- und lösungsorientiertem Denken).
Daher nochmal die Frage an Dich: welche Nationen meinst Du mit den Gegenbeispielen, die Du oben ansprichst?
Es ist also die Frage nach den von den jungen Männern zu erlangenden Verdienstmöglichkeiten; oder einfacher: der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu einem ausreichenden Einkommen.
Ja, ich würde allgemeiner sagen: ein Ziel und eine Aufgabe, um Ergebnisse erzielen und Bedeutung für andere erreichen zu können (das kann eben auch sein,"ehrenvoll in den Krieg zu ziehen").
Aus Sicht der Debitismustheorie muß die Frage nun lauten, ob es in einer Gesellschaft genügend Möglichkeiten zur Neuverschuldung gibt, welche den oekonomischen >Prozeß am Laufen halten und somit den nachkommenden Generationen ausreichende >Perspektiven an einer Teilhabe am oekonomischen Prozeß ermöglichen.
Sinn dieser Frage kann ich nur für eigentumsbasierte Geldwirtschaften erkennen. Die meisten youth-bulge-nationen sind keine Geldwirtschaften, die meisten Geldwirtschaften keine youth-bulge-nationen. Zustimmen kann ich Dir darin, daß ein Versuch nachholender Modernisierung (beginnend mit der Schaffung einer rechtlichen Basis) Beschäftigungsmöglichkeiten erzeugen könnte.
Da das Wirtschaftsystem einer Gesellschaft auf festen Regeln, dem gesetzten Recht, beruht, muß daher das Rechtssystem untersucht werden.
Insoweit Zustimmung, als auch ich in einem funktionierenden zivilen Rechtsstaat mit flächendeckend durchsetzbarem Privatrecht (incl. Schuldrecht) und dazugehöriger institutioneller Struktur (Gerichte etc.) eine notwendige Voraussetzung für jede Geldwirtschaft / Modernisierung sehe (-->Heinsohn/Steiger, DeSoto, Ordoliberalismus etc.).
Als Beispiel sei hier China genannt. Mit seiner hohen Bevölkerungszahl (obwohl geringen Geburtenraten) ist es durch Erweiterung des Rechts gelungen, den oekonomischen Prozeß neu zu beleben und richtig in Schwung zu bringen. Diese Erweiterung bestand im wesentlichen in der Einführung des Privateigentums. Ein so neu geschaffenes Recht schafft neue Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Betätigung >und somit viele neue Perspektiven zur Teilnahme am oekonomischen Prozeß.
Schon. Aber China als Musterlösung ist kein gutes Beispiel, es hat ja keinen youth bulge Problem mehr zu integrieren (Einkindpolitik).
Aus dem islamischen Recht und den gelebten Stammestraditionen können z.Z. keine neuen (!) Möglichkeiten zur Neuverschuldung geschaffen werden.
Warum nicht? Malaysia, Indonesien machen es vor (in Malaysia Islam=Staatsreligion, Modernisierung läuft). Alle Geldwirtschaften sind auf der Basis von Stammes- oder Feudaltraditionen bzw. gegen diese entstanden, also machen solche Traditionen die"Schaffung neuer Möglichkeiten zur Neuverschuldung" (ziviles Rechtssystem inclusive Vollstreckungsrechten, damit Möglichkeit zirkulierender Finanztitel, in der Folge geldwirtschaftliche Entwi-Dynamik) nicht generell unmöglich.
Die Frage ist doch vielmehr, welche speziellen historischen Bedingungen haben in den"erfolgreichen" Fällen einer solchen Transformation diese ermöglicht, bzw. wie haben die Akteure dieses Ziel erreicht (Europa, Nachzügler - Japan, Südkorea, Malaysia, Indonesien, Taiwan etc.).
Das islamische oekonomische System ist an seiner Grenze angekommen. Perspektiven zur Teilnahme am oekonomischen Prozeß und somit der Chance auf ein ausreichendes Einkommen bestehen nur für einen kleinen Teil der Nachkommen. Erst, wenn neue rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden, ergeben sich daraus auch mehr Perspektiven zur Teilnahme am oekonomischen Prozeß.
Einwände siehe oben.
Was wäre Dein Fazit - welche Schlußfolgerungen ergeben sich für Dich aus der YB-Analyse für Handlungsstrategien"des Westens"?
Mein Fazit:
Wir sollten uns darum kümmern, den YB-Nationen dabei zu helfen, ihre jungen Männer mit sinnvollen friedlichen Aufgaben zu versorgen (denn die Geburtenraten gehen jetzt schon wieder zurück - das in den nächsten 2-3 Jahrzehnten drohende Gewaltpotential geht von Söhnen aus, die bereits geboren (aber jetzt noch Kinder) sind.
Das kann u.a. heißen: Entwicklungspolitik neu am Eigentums-/Schuldenparadigma ausrichten (daß wir uns damit neue Konkurrenten auf dem Weltmarkt schaffen, gegen die wir auf Dauer nicht ankommen werden, steht auf einem anderen Blatt).
Wir müssen uns fragen, wie wichtig uns die zentralen Werte des Westens - Vertrags-, Rede-, Bewegungs- und Handlungsfreiheit - eigentlich sind und die, die uns wichtig sind, hier und anderswo sichern und fördern. Ansonsten schon mal den Koran ins Bücherregal stellen. Denn die Islamisierung Europas mit möglichem Endpunkt Kalifat (=postkapitalistisches Feudalsystem analog zum poströmischen christlichen Feudalismus des Mittelalters) gehört rein demographisch betrachtet in den Bereich des Möglichen, sogar Wahrscheinlichen (siehe auch hier)
Gruß
moneymind
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