-->Das ist dann in umgehehrte!!! Richtung die nächste Stufe:
Mehr Petrodollars denn je überschwemmen die Weltwirtschaft
Höhere Importnachfrage - Riesiger Anlagebedarf - Opec-Staaten setzen auch auf die eigene Region - Geringere Rolle der Banken
Von Andreas Neinhaus
Anderthalb Jahre nachdem die Preishausse an den Energiemärkten begonnen hat, werden die Zweitrundeneffekte immer deutlicher sichtbar. Gemeint sind nicht Lohn- und Preisanpassungen nach oben, mit denen in den Ã-lverbraucherstaaten auf den Kostendruck reagiert wird. Inflation ist immer noch kaum spürbar. Vielmehr ist nun zu beobachten, wie die Förderstaaten mit dem Geldsegen aus dem Ã-lboom umgehen.
Zum Beispiel importieren sie weit mehr Waren aus Europa als früher, was Ã-konomen schon seit längerem vermuten lässt, dass die Alte Welt für einmal mehr vom Rückfluss der Ã-leinnahmen profitiert als die USA. Die Schweiz hat in den ersten zehn Monaten des Jahres 8,5% mehr Produkte an die Opec-Staaten und 25% mehr nach Russland verkauft als in der entsprechenden Vorjahresperiode. Vor allem Maschinen werden rege exportiert.
Saudi-Arabien tritt WTO bei
Absolut betrachtet handelt es sich zwar nur um ein begrenztes Volumen, das in etwa den Schweizer Exporten nach Spanien entspricht, weswegen das Volkswirtschaftdepartement vergangene Woche das «Petrodollar-Recycling» als vernachlässigbare Grösse für die Steigerung des Aussenhandels klassifizierte. Dabei wird aber verkannt, dass derzeit in vielen Unternehmen lukrative Bestellungen eintreffen, die im Zusammenhang mit der hohen Kaufkraft in den Ã-lförderländern stehen. Auch im Tourismus könnte sich das auszahlen.
Die Weltwirtschaft steht zunehmend unter dem Eindruck der Petrodollars. Wie während der Ã-lschocks der Siebziger- und Achtzigerjahre kaufen sich die Petromilliardäre in westliche Firmen ein. Die 2%-Beteiligung Dubais an Daimler-Chrysler Anfang 2005 oder zuletzt der Kauf der britischen Traditionsreederei P&O durch den Golfstaat sind zwei Beispiele von vielen.
Nicht nur im Ausland wird investiert. Mehr als früher legen arabische Opec-Länder ihre Einkünfte im Inland an. In Katar, Dubai und selbst in Saudi-Arabien werden, abgesehen von ehrgeizigen Infrastrukturprojekten, auch vermehrt politische Weichen gestellt, die ein langfristiges Wirtschaftswachstumspotenzial ermöglichen sollen. Vom anstehenden Beitritt zur Welthandelsorganisation bis zum Ausbau des Bildungswesens reichen die Instrumente.
Aktienmarktanalysten sind davon überzeugt, dass die weltweiten Kurssteigerungen in diesem Jahr zu einem guten Teil dem Anlagebedarf manches arabischen Scheichtums zu verdanken sind. Niemand kann das jedoch beweisen. Schon über die Höhe des anzulegenden Kapitals herrscht Unklarheit. Fest steht nur: Es geht um viel Geld. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass die Ã-leinnahmen den arabischen Förderern dieses Jahr einen Gewinn von 300 Mrd.$ eingetragen haben. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) geht von einem Erlös aller Förderstaaten (einschliesslich Mexiko, Angola, Ägypten etc.) von mindestens 650 Mrd.$ für 2005 aus. Seit Beginn des aktuellen Ã-lpreiszyklus Ende 1998 haben gemäss BIZ die Opec-Staaten 1300 Mrd., Russland 403 Mrd. und Norwegen 223 Mrd.$ eingenommen.
Ã-konomen verweisen häufig immer noch auf den Umstand, dass die gegenwärtigen Notierungen des Ã-ls real betrachtet nicht aussergewöhnlich hoch sind. Die Golfregion verdient derzeit allerdings weit mehr an der Preishausse als in den Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre - ebenfalls real betrachtet (vgl. Grafik). Wie viel von diesem Geld seinen Weg an die internationalen Aktienmärkte findet, lässt sich leider nicht nachweisen. Kaum ein Staat erfasst den grenzüberschreitenden Kauf von Aktien statistisch so, dass sich das Ursprungsland des Käufers erkennen lässt.
Aktien werden nicht bevorzugt
Die Schweizer Behörden verfügen nicht über diese Daten. In den USA, dem traditionell wichtigsten Adressaten von Petrodollarinvestitionen, ist die Datenlage kaum ergiebiger. So enthält die ausführliche Monatsstatistik des US-Schatzamts über den grenzüberschreitenden Kauf von US-Wertschriften zwar mehr als achtzig Staaten und Wirtschaftsregionen. Sie führt selbst akribisch auf, wie viele Aktien in den USA Anleger im afrikanischen Liberia erworben haben. Zahlen zum Investitionsverhalten Saudi-Arabiens, Katars oder Dubais sucht man jedoch vergeblich. Die US-Behörden bewahren Stillschweigen über die Kapitalbeziehungen mit einigen ihrer wichtigsten Investoren.
Anekdotische Hinweise legen nahe, dass die Petrodollars nicht in grossem Stile in US-Aktien investiert werden. Das Gros der für die USA bestimmten liquiden Mittel scheine in Zinspapiere zu fliessen, berichten Investoren. Aber auch hier sind Fakten rar, und die wenigen vorhandenen scheinen das Gegenteil zu belegen: So hat sich der Anteil der von der Opec gehaltenen US-Staatsanleihen von Januar bis September 2005 um 12 Mrd. auf 55 Mrd.$ zurückgebildet. Anderseits trugen Wertschriftenkäufe aus Grossbritannien und Frankfurt dazu bei, dass gleichzeitig das Volumen der Treasury-Papiere im Besitz von Ausländern zunahm. Legten die Ã-lscheichs ihre Gelder über Banken und Hedge funds mit Sitz in London, Frankfurt oder Zürich in Amerika an?
Die BIZ versucht etwas Licht in das statistische Dunkel zu bringen. In ihrem am Montag publizierten Quartalsbericht kommt sie zum Schluss, dass die Mittel breiter in unterschiedliche Anlagevehikel und Länder investiert werden als in früheren Ã-lpreiszyklen. Die internationale Bankbranche spiele diesmal als Hort für die Gelder eine geringere Rolle. Bankeinlagen machten von 1978 bis 1982 28% der zu investierenden Ã-lgelder aus, seit 1999 aber nur 20%. Dagegen waren die Devisenreserven der Zentralbanken in den Ã-lförderländern viel wichtiger als seinerzeit. Sie sind von weniger als 5 auf 19% des Kapitals angeschwollen. Die Gesamtverbindlichkeiten der Banken weltweit gegenüber den Opec-Staaten sind vergangenes Jahr dennoch gestiegen. Seit dem ersten Quartal 2004 nahmen sie ein Fünftel auf 611 Mrd.$ zu. Kunden aus der Region halten allerdings nur 3% aller Einlageverbindlichkeiten der Geschäftsbanken. Im vorangegangenen Ã-lpreiszyklus belief sich dieser Anteil auf 13%.
Zins- und währungssensibel
Die BIZ weist auch nach, wie flexibel die milliardenschweren Bankeinlagen auf Zinsen und Wechselkurse reagieren. So wurden die weltweiten Opec-Bankkonten zwischen Anfang 1999 und Anfang 2004 sukzessive in Euro umgeschichtet, als die Euro-Dollar-Zinsdifferenz grösser wurde und sich später auch noch der Dollar zur Gemeinschaftswährung abwertete. Am Ende lag der Euroanteil 13 Prozentpunkte (Pp) höher als zu Beginn. Das änderte sich, sobald der Euro nicht weiter an Wert gewann und in den USA die Zinsen anzogen. Daraufhin wurden die Dollareinlagen aufgestockt - zu Lasten des Euroanteils, der 8 Pp schrumpfte.
In einer ökonometrischen Analyse kommt die BIZ zu dem Schluss, dass eine Ausweitung des Euro-Dollar-Zinsunterschieds um 1 Pp eine Erhöhung der auf Euro lautenden Bankeinlagen um rund 2Pp nach sich zieht. Diese enge Korrelation sei ein neues Phänomen. In der Vergangenheit habe sie nicht existiert. Die BIZ-Kalkulation liefert wohl den ersten harten Nachweis dafür, dass die Dominanz des Dollars in der Weltwirtschaft zwar fortbesteht, jedoch nicht mehr so eindeutig ist wie bisher. Durch die Einführung des Euros ist erstmals eine Konkurrenz für den Greenback im globalen Anlagegeschäft entstanden. Ausgerechnet die Petrodollarmilliarden bringen das zum Vorschein.
Quelle: Finanz und Wirtschaft http://www.finanzinfo.ch
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