-->Von Andreas Neinhaus
Am Donnerstag hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) gleich zwei Zeichen gesetzt. Sie erhöhte den von ihr gesteuerten Leitzins, das einen Prozentpunkt breite Zielband des Dreimonatssatzes, von 0,5 bis 1,5 auf 0,75 bis 1,75%. Der vierte Zinsschritt seit Juni 2004 war an den Finanzmärkten eskomptiert worden und verursachte daher keine Wellen. Man könnte sagen: Die SNB löste ein bereits gegebenes Versprechen ein. Zusätzlich kündigte das Direktorium neue Zinserhöhungen an: «Verläuft die wirtschaftliche Entwicklung weiter wie erwartet, wird die Nationalbank die Anpassung ihres geldpolitischen Kurses graduell weiterführen», ist im Pressecommuniqué zu lesen (vgl. Seite 5).
Die Schweiz gehört zusammen mit Japan zu den Währungsräumen, in denen die kurz- und langfristigen Zinsen am niedrigsten notieren. Japans Zentralbank hatte eine Woche zuvor mitgeteilt, die massive Liquiditätszufuhr an die Geschäftbanken zu beenden, die zusammen mit der Null-Prozent-Leitzinspolitik der Überwindung der langjährigen Deflation diente. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Bank of Japan die Zinsen erhöhen wird. Franken und Yen sind seit Jahren als so genannte «Funding currencies» begehrt. In ihnen werden Mittel aufgenommen, die dann in höher verzinsten Währungsräumen angelegt werden (vgl. Textkasten).
An Glanz verloren?
Lohnen sich solche Carry trades in einem Umfeld steigender Zinsen künftig überhaupt noch? Diese Frage treibt viele Investoren um, wie Kursverluste in den Hochzinswährungen Real, Forint und Zloty sowie in hoch rentierenden Anleihen von Schwellenländern belegen. In der Tat nehmen die Renditechancen ab, wenn Zentralbanken in für ihre tiefen Zinsen bekannten Ländern die Geldpolitik weiter straffen. Mittel aufzunehmen, wird künftig teurer werden. Gleichzeitig dürften die Sätze in den meisten Anlagewährungen, speziell im Dollar-Raum, nicht mehr viel höher steigen. Die Konjunkturzyklen laufen inzwischen synchroner als in den vergangenen Jahren - auch das lässt weltweit einheitlichere Zinsen erwarten.
Dennoch deutet momentan nichts auf radikale Zinserhöhungen hin: weder in der Schweiz, wo die Inflationserwartungen ausserordentlich verhalten sind und die SNB selbst nur graduelle Zinsanpassungen verspricht, noch in Japan, wo die Zentralbank ein breites Inflationszielband von 0 bis 2% als Richtgrösse für ihre Politik gewählt hat. Selbst in dem derzeit kräftigen Wirtschaftsaufschwung Nippons werden erste Zinserhöhungen wohl noch lange auf sich warten lassen. Aus den Forward-Kursen lässt sich ableiten, dass an den Märkten mit einer vorsichtigen Steigerung der Dreimonatssätze von derzeit knapp 0 auf 1,25% bis März 2008 gerechnet wird (vgl. Grafik in der ersten Spalte).
Investoren sollten sich somit auf schmalere Zinsabstände einstellen, nicht auf eine Umkehrung der Verhältnisse. Gefahr droht Carry trades eher von der Währungs- als von der Zinsentwicklung. Fremdfinanzierte Zinsengagements in den australischen oder den US-Dollar erwiesen sich 2005 auch deshalb als lukrativ, weil sich diese Währungen überwiegend aufwerteten. Der Zinsgewinn wurde durch einen Wechselkursgewinn ergänzt.
Ausserdem favorisierten weltweit rekordtiefe Volatilitäten die riskanten Währungsengagements. Wechselkursschwankungen hielten sich in Grenzen, was bei Zinsabständen von durchschnittlich 3 bis 5 Prozentpunkten (Pp) wesentlich ist, damit Carry trades keine Verluste einfahren (vgl. Grafiken). In den kommenden Monaten ist mit steigenden Volatilitäten zu rechnen. Kleine Verschiebungen im Zinsgefüge dürften höhere Wechselkursausschläge provozieren als in der Vergangenheit.
Die Analysten der Bank Goldman Sachs verweisen auf das Paar Yen und neuseeländischer Dollar. Sprünge im Wechselkurs hätten den Zinsgewinn in diesem bei japanischen Anlegern beliebten Carry trade zuletzt mehr als aufgefressen. In Zukunft wird es daher wichtiger werden, nicht mehr nur auf die Zinsdifferenz zu blicken. Auch die Fundamentaldaten der Anlagewährung müssen überzeugen. Nur so lässt sich das Volatilitätsrisiko verringern.
Folgen für den Devisenmarkt
Carry trades sind keine Randerscheinung mehr und bleiben nicht nur risikobereiten Hedge funds überlassen. Die Deutsche Bundesbank hat berechnet, dass eine konsequente Carry-trade-Strategie zwischen Euro und Dollar seit Beginn der Währungsunion eine durchschnittliche annualisierte Rendite von 15% eingebracht hätte. Kleine und grosse Anleger, Unternehmen und Banken, sogar Staaten nutzen die hohen weltweiten Zinsdifferenzen seit Jahren aus und verdienen damit viel Geld. Die USA sind der wichtigste Adressat dieser Anlagestrategie. 2005 nahm der Anteil von US-Staatsanleihen im Besitz ausländischer Investoren 298 Mrd. auf 2198 Mrd. $ zu. Das entspricht sämtlichen 2005 neuemittierten Treasuries. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bezeichnet Carry trades als wesentliche Ursache des enormen Umsatzgewinns am Weltdevisenmarkt von 57% zwischen 2001 und 2004.
Von einer allfälligen Umkehr der Zinsspekulation wäre primär der Devisenmarkt betroffen. Der Umtausch von einer niedrig verzinsten Währung in eine höher verzinste lässt letztere tendenziell im Wert steigen. Umgekehrt bewirkt die Auflösung von Carry trades erfahrungsgemäss eine Abwertung der höher verzinsten Devise. Die Kreditwährung legt zu. Diese Kräfte dürften tendenziell den Aufwertungsdruck auf den Yen und den Franken bzw. den Abwertungsverdacht des australischen und neuseeländischen Dollars verstärken. Die Zentralbanken äussern sich auch deshalb behutsam: Sie verhindern damit übertriebene Reaktionen am Devisenmarkt.
PS: warum in Aktien spekulieren - wenn Devisen besser rentieren! E.
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