-->" Scheitert Amerika?" - Fukuyamas Abrechnung mit Bush
Von Laszlo Trankovits
Denker müsste man sein, wird US-Präsident George W. Bush neidisch resümieren. Denn während er und die Supermacht USA tief im gewalttätigen Schlamassel des Irak verstrickt sind, zieht sich ein Apologet neokonservativen Denkens - und damit auch ein Wegbereiter der Bush-Doktrin und des Irakkriegs - elegant aus der Affäre. Der Historiker Francis Fukuyama, der 1992 kühn und spektakulär nach dem Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums das «Ende der Geschichte» und den bevorstehenden Triumph liberaler Werte und demokratischer Gesellschaften verkündete, erklärt schlicht, endgültig kein Neokonservativer mehr zu sein.
Fukuyamas neues Buch, «Scheitert Amerika? - Supermacht am Scheideweg», das heute in den USA und Deutschland gleichzeitig erscheint, ist eine bittere Abrechnung mit der Bush- Politik.
Vom Saulus zum Paulus: Historiker Francis Fukuyama (dpa) -" Scheitert Amerika?" - Fukuyamas Abrechnung mit Bush
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Vom Saulus zum Paulus: Historiker Francis Fukuyama (dpa)
Weltweit blühender Anti-Amerikanismus
Vor allem der Irakkrieg sei für den Verlust der Glaubwürdigkeit und moralischen Autorität der USA sowie den weltweit blühenden Anti- Amerikanismus verantwortlich, betont Fukuyama - auch wenn er auf die leidenschaftliche Ablehnung der USA verweist, die seit Jahrzehnten insbesondere in der arabischen Welt blühe. Bush, in dessen Regierung Träumer und Seilschaften dominiert hätten, habe den Hass auf die USA erst richtig angefacht.
Die «Rhetorik über den Vierten Weltkrieg und den globalen Krieg gegen den Terrorismus» sowie die «apokalyptische Sicht der Bedrohung durch die islamische Welt» seien maßlos übertrieben oder «aufgeblähte Bedrohungsszenarien». Vor dem Irakkrieg habe es einen «Krieg gegen ein paar tausend Menschen auf der ganzen Erde gegeben. Nun habe das Ausmaß des Problems zugenommen, da wir in ein Wespennest gestochen haben» - und die USA keinen vernünftigen Stabilisierungsplan für den Irak hatten.
Bush hat aus Sicht des Autors mit dem unilateralem Vorgehen und der Doktrin des Präventivkrieges einen «wichtigen Eckpfeiler der US- Außenpolitik», den des Regimewechsels, in Misskredit gebracht. Denn Fukuyama sieht zwar die «neokonservative Agenda diskreditiert»; er analysiert kühl, dass die Welt die US-Selbsteinschätzung über den «wohlmeinenden und gütigen Hegemon» USA nicht teile. An der Notwendigkeit einer demokratisierten Welt und der Sonderrolle der USA zweifelt der Professor an der Johns Hopkins Universität (Baltimore) nicht.
Zur offensiven Politik verführt
Er möchte zurückehren zum «idealistischen Kern» neokonservativen Denkens. Fukuyama modifiziert die Idee des «amerikanischen Exzeptionalismus, von der außergewöhnlichen und moralisch positiven Rolle der USA in der Geschichte lediglich. Er kritisiert, dass die Erfolge im Kampf gegen Faschismus und Kommunismus im 20. Jahrhundert die USA unter Bush und dem Einfluss der «Neocons» zu einer offensiven Politik verführt hätten, die die Widerstände weltweit gegen den Führungsanspruch der USA oder gegen eine Demokratisierung von außen sträflich unterschätzt habe.
Auch künftig müssten Präventivkriege und Regimewechsel durch Militärinterventionen zum Arsenal der US-Außenpolitik gehören. Notwendig sei aber eine neue, behutsame US-Außenpolitik, die die Ängste vor der Supermacht reduziert - und vor allem eine neue Strategie in der US-Entwicklungspolitik. Zudem sei ein neues Geflecht multinationaler Organisationen notwendig.
Fukuyama entwirft ein kühnes Szenario für eine neue Welt, die sicher weit weg ist - und kaum eine Antwort auf die aktuellen Krisen gibt. Bush könnte, falls er das Buch lesen sollte, nur zu einer, vermutlich nicht ganz neuen Erkenntnis kommen: Eine Welt auf dem Papier zu entwerfen ist entschieden einfacher, als eine Theorie erfolgreich in Politik umzusetzen.
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