-->Stagflation light
<font size="5">Panik an den Märkten ist übertrieben
</font>
Die letzten Konjunkturnachrichten aus den USA weisen klar in eine Richtung: Die US-Wirtschaft schaltet mindestens einen Gang zurück. Für das laufende Quartal muß mit einer signifikanten Verlangsamung der Wachstumsdynamik gerechnet werden. Nervös wurden die Märkte aber erst, als der US-Notenbankpräsident Ben Bernanke deutlich machte, daß die Fed nicht nur das Wachstum im Blick hat, sondern auch mögliche Inflationsgefahren abwehren werde. Dies schickte die Aktienmärkte weltweit auf Talfahrt. Angst vor Stagflation löste die Korrekturphase aus.
Schon das Wort Stagflation lasse Erinnerungen an die 70er Jahre aufkommen: stagnierendes Wirtschaftswachstum bei zunehmender Inflation. In Anbetracht einer lediglich nachlassenden Wachstumsdynamik in den USA bei leichtem Inflationsdruck sei die Panik an den Märkten jedoch unangemessen, schreibt die Autorin. Bestenfalls könne man von einer"Stagflation light" sprechen.
Im 1. Quartal expandierte die US-Wirtschaft mit einer Jahresrate von 5,3 Prozent angeführt vom scheinbar nicht zu bändigenden US-Konsumenten: Mit einer Steigerungsrate von 5,2 Prozent war die private Nachfrage in den ersten drei Monaten des Jahres 2006 so hoch wie zuletzt vor zwei Jahren. Und ein Einbruch der für die US-Volkswirtschaft so wichtigen Konsumnachfrage steht nicht zu befürchten.
In den letzten Wochen hätten fast alle Mitglieder der US-Notenbank ihre Sorgen über die zunehmende Inflationsdynamik zum Ausdruck gebracht. Ein weiterer Zinsschritt auf der nächsten Sitzung Ende Juni sei somit höchst wahrscheinlich, aber auch bereits in den Kursen eingepreist und sollte die Märkte deshalb nicht belasten. Viel entscheidender sei der weitere Weg der US-Notenbank. Welchen Schwerpunkt zwischen den potentiellen Wachstums- und Inflationsrisiken werde sie setzen?
Die Inflationsrisiken seien nicht von der Hand zu weisen. Ursächlich dafür sind die Mietpreisentwicklung sowie ein Anstieg der Preise für Dienstleistungen. Die Notenbank muß deshalb ihre Neigung zu weiteren Anhebungen aufrecht erhalten. Dennoch wird sie ab Juni in Wartestellung gehen, da sich die Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung verdichten werden. Zumal sie vom Gesetzgeber auch einen"Konjunkturauftrag" hat. Gegenwärtig sprechen die von Bernanke angeführte robuste Produktivität und rückläufige Lohnstückkosten für eine Zinspause.
Während in den USA bei latenten Inflationsgefahren die Konjunktur also etwas an Dynamik verliere und im zweiten Quartal voraussichtlich"nur" ein Wachstum von annualisiert 2,5 Prozent zu erwarten sei, seien die Aussichten für Europa deutlich günstiger. Die Wachstumsdynamik nimmt weiter zu und aktuell halten sich die Inflationsrisiken noch in Grenzen. Allerdings wird sich die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland im nächsten Jahr auch in der europäischen Rate niederschlagen. Einige Einzelhändler hätten zudem signalisiert, daß sie die Mehrwertsteuererhöhung teilweise vorwegnehmen werden.
Die Inflationsraten werden also bereits gegen Ende dieses Jahres ansteigen. Der Effekt der Mehrwertsteuererhöhung dürfte sich gemäß unseren Berechnungen auf 90 Basispunkte belaufen. Für das Jahr 2007 rechnen die Helaba mit einer Inflationsbeschleunigung auf 2,5 Prozent in Deutschland.
Die Mehrwertsteuererhöhung werde der derzeit sehr robusten Konjunktur einen Dämpfer versetzen. Deshalb werde die EZB den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik trotz des administrierten Preisanstiegs nur sehr vorsichtig zurückfahren. Ende 2006 rechne die Helaba dann mit einem Leitzins von drei Prozent. 2007 werde ein weiterer Anstieg bis auf 3,75 Prozent zu erwarten sein. Die Geldpolitik wäre damit neutral gestellt.
Die Autorin Gertrud Traud ist Chefvolkswirt Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)
|