-->Hallo Gemeinde,
Hallo JN, SF und TD,
besten Dank für die Übersetzungen. Den Heine-Spruch habe ich in ein Buch ("Darwins Mistake" von Zillmer), das ich verschenken möcht, geschrieben. Die Übersetzung lege ich mit dazu.
Heute noch ein kleines Lesestück zur allgemeinen Erbauung:
Es geht um die oekonomischen Wertlehre, deren unterschiedliche Ergebnisse in den verschiedenen oekonomischen Schulen die Grundlagen derselben bildet.
Schauen wir uns kurz die Entwicklung der Wertlehre an.
Dein Vorschlag zielt auf die Frage, was die Güter vergleichbar und somit erst tauschbar macht. Bereits Aristoteles behauptete (Nikom. Ethik), daß die Vergleichbarkeit der Werte verschiedener wirtschaftlicher Güter irgendein gemeinsames Etwas bei den zu vergleichenden Größen zur Voraussetzung habe. Dabei lehnte er es ausdrücklich ab, dieses gemeinsame Etwas in den Gütern selbst zu suchen. Da die Güter so verschieden sind, könne es nur ein gemeinschaftliches Maß geben, das sie vergleichbar macht. Als dieses Maß wird im allgemeinen das Geld angenommen.
Als Ausgangspunkt zur Erklärung des Wertes sah Aristoteles noch das Bedürfnis, konnte aber das Maß zu dessen Vergleichbarkeit nicht sehen. Erst Albertus Magnus und sein Schüler Thomas von Aquin erklärten die Arbeit und die Kosten, die in einem Produkt stecken, als Maßstab für deren Vergleichbarkeit. Hier liegt bereits der erste Übergang von einer subjektiven Wertlehre (das Bedürfnis bei Aristoteles) hin zu einer objektiven Wertlehre (der Wert des Produkts liegt wegen der zu seiner Herstellung aufgewendeten Arbeit und Kosten im Produkt selbst bei Magnus und Aquin) vor. Die Scholastik sah also in der Gleichheit des Aufwandes von Arbeit und Kosten das Kennzeichen der wahren Wertgleichheit. Dabei galt den Scholastikern die christliche Arbeit an sich bereits als entlohnenswert, während Aristoteles dies nur bei der Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung sehen wollte.
Aus der Auffassung, der Wert der Güter ergäbe sich aus der daruf verwendeten Arbeit, wurde diese Arbeit zum vergleichbaren Produktionsfaktor. Dabei, so Aquin, sollte die Höhe des Lohnes dem Aufwand an Arbeit proportional sein. Da nun allerdings der Handel keinen Arbeitsaufwand für das Produkt darstellt, wurde diesem von den Kirchenvätern der Charakter eines gottgefälligen Erwerbszweiges abgesprochen. Doch bereits Aquin mußte anerkennen, daß auch im Transport der Güter gewisse Gefahren liegen, die einen Spielraum bei der Wertberechnung erfordern.
Duns Scotus (1639) und Heinrich Goethals von Gent (um 1280) erkannten dann, daß nicht nur aus der bloßen Aufbewahrung und Lagerung der Güter ein Verdienst zu erzielen sei, sondern auch aus dem Recht, billig zu kaufen und teurer zu verkaufen.
Zur subjektiven Wertlehre fand dann erst Buridan (um 1350) zurück, der sagte:"Nichts ist ein Gut, es wäre es denn im Hinblick auf seinen Endzweck (causa finalis)." Dieser Entzweck ist die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Der Maßstab des Wertes eines Gutes sei also in der Bedürfnisbefriedigung zu suchen. Daraus folgt, daß das Gut einen umso höheren Wert hat, je größer das Bedürfnis ist. Die hierin liegende Schwierigkeit ist der unterschiedliche Grad der Bedürfnisse: Ist ein Bedürfnis sehr hoch, müßte ein sehr hoher Preis für das Gut gerechtfertigt sein, ist es dagegen sehr niedrig, müßte nur ein geringer Preis für das Gut gezahlt werden. (Oder anders: Ein sehr hungriger armer Mann müßte für ein Brot wesentlich mehr bezahlen, als ein gut geährter reicher Mann, da das Bedürfnis nach dem Brot bei dem armen Mann wesentlich größer ist.) Da dem aber nicht so ist, wurden die Bedürfnisse von Heinrich von Langenstein (um 1380) nach dem gesellschaftlichen Status unterschieden und ein 'normales' Bedürfnis zur Vergleichbarkeit zu Grunde gelegt.
Der Franziskaner und Langenstein-Schüler Bernhardin von Sienna (um 1440) hat dieses normale Bedürfnis im Gebrauchswert erkannt. Daß jedoch der Gebrauchswert nicht der alleinige Wertmaßstab sein kann, sah Bernhardin in den unterschiedlichen Gestehungs- bzw. Beschaffungskosten, was in zum 'inneren' Wert des Gutes und somit zur objektiven Wertlehre zurückführte.
Die Schwierigkeit beim Auffinden des gemeinsamen Etwas, das die Güter vergleichbar macht, hat Bernardo Davanzati-Bostichi (um 1590) in den sich ständig sich ändernden Bedürfnissen erkannt. Es sei wegen dieser ständigen Schwankungen unmöglich, fortwährend über die Wertverhältnisse informiert zu sein. Berühmt wurde Davanzati mit seinem Gedanken, ein lebendes Kalb sei doch viel mehr wert, als eines aus Gold.
Eine weitere Entwicklung erfuhr die Wertlehre im stoischen Naturrecht durch den Philosophen Justus Lipsius und seines Schülers Hugo Grotius (um 1630). Mit Rückgriff auf Aristoteles sah Grotius bei der Beurteilung der Wertverhältnisse ein 'natürliches' Bedürfnis (naturalis indigentia). Doch auch Grotius mußte erkennen, daß das natürliche Bedürfnis nicht der einzige Wertmaßstab sein kann. Besonders der Einfluß der auftretenden Mengenverhältnisse auf die Preise führte Grotius erstmals zu einer Theorie von Angebot und Nachfrage.
Erst Henricus de Cocceji erkannte, daß nicht irgendein idealisiertes natürliches Bedürfnis maßgebend sein kann, sondern nur das tatsächliche jeweils bestehende! Mit der Erkenntnis, daß sich das tatsächlich bestehende Bedürfnis mit der Häufigkeit seiner Befriedigung und der Schwierigkeit der Erlangung eines Gutes ändere, gilt Cocceji als Begründer der Grenznutzentheorie.
Da in den bisherigen Untersuchungen ein meßbares (!) geimeinsames Etwas zur Vergleichung und als Wertmaß der Güter wegen der sich ständig ändernden Bedürfnisse, Preise und Mengen nicht gefunden werden konnte, mußte ein unveränderliches (!!) Maß zur Wertbeurteilung der Güter her. Dieses unveränderliche Maß glaubte erstmals Sir William Petty (um 1680) in der Arbeitszeit entdeckt zu haben. Als Wertmaß will Petty den Ertrag der Arbeit während einer bestimmten Zeiteinheit sehen. Das Wertmaß bei Petty ist also nicht die Arbeit an sich, sondern die ArbeitsZEIT. Dabei war sich Petty im Klaren, daß dieses Wertmaß nur bei 'normaler' Produktivität gelten kann, sonst wäre ja der Faule besser dran als der Fleißige. Eine Weiterentwicklung dieses Arbeitszeitgedankens scheiterte zunächst an der Wirklichkeit, denn das in einer Zeiteinheit hervorgebrachte Korn war real wesentlich billiger als das in derselben Zeiteinheit hervorgebrachte Silber, wie Petty selbst leider übersehen hat.
So verwundert es nicht, daß Naturrechtler wie Locke zu inneren Gebrauchswert der Güter zurückkehrten, wobei er den Tauschwert gleich Arbeitswert sehen wollte, was sogleich das Quantitätsproblem von Angebot und Nachfrage aufwirft:"All Things that are Bought and Sold, raise and fall their price in proportion, as there are more Buyers or Sellers." (1691)
Als festen Maßstab zur Vergleichbarkeit von unterschiedlichen Gütern sah Locke das Geld, wobei er auch hier die Werthaltigkeit nicht erklären konnte, da auch dessen Wert mit der Veränderung der Menge des umlaufenden Geldes schwankt. Unter der Voraussetzung einer gleichbleibenden Geldmenge wollte Locke nun das Gold als einzigen Wertmaßstab zur Vergleichung unterschiedlicher Güter sehen. (volle objektive Wertlehre)
In der Realität jedoch erwies sich der Weizenpreis wesentlich stabiler als der Preis des Goldes, sodaß auch dieser Weg nicht zum Ziel führte.
Nicholas Barbon versuchte sich dann wieder mit den Bedürfnissen, die er in allgemeine Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung und Wohnung und Bedürfnisse des Geistes (mithin Luxusprodukte) unterschied, was nichts anderes als die Rückkehr zum Gebrauchswert darstellt. Damit stritt er zwangsläufig einen inneren Wert von Gold uns Silber ab. Der Geldwert, so Barbon, beruhe auf der öffentlichen Meinung. Dieser richte sich, im Gegensatz zu Locke, nach der öffentlichen Autorität der Prägung! Insbesondere bestritt Barbon die Theorie, der Wert des Geldes oder Geld überhaupt, hätte sich aus einer freien Vereinbarung der Marktteilnehmer ergeben.
Sehr wichtig Barbons Erkenntnis, daß erst ein am Markt realisierter (!!!) Preis anzeigen kann, wieviel das Gut wert ist:"Things are just worth so much, as they can be sold for,..."
Mit der öffentlichen Autorität der Geldprägung beschäftigte sich dann Jocelyn (1718), der erst der Prägung die Fähigkeit zugestand, dem Metall (Gold und Silber) einen Wert zu verleihen. Demgegenüber sah Isaac Gervaise (1720) den Geldwert in der Fähigkeit des Geldes zum jederzeitlichen Kauf, womit der Besitz von Geld dessen Besitzer von der Notwendigkeit zur Arbeit entbinde.
Benjamin Franklin (um 1740) wiederum sah den Ursprung des Wertes in der aufgewendeten Arbeit bei 'normaler' Produktivität. Nicht umhin kam Franklin allerdings anzuerkennen, daß trotzdem der Wert der Güter neben der aufgewendeten Arbeit auch von der umlaufenden Geldmenge abhängig ist.
Der Naturrechtler Samuel von Pufendorf (um 1680) sah den Wert ebenfalls in der Arbeit und keinesfalls in den Bedürfnissen. Pufendorfs Betrachtungen führten Luther dann zum Arbeitszeitwert als festen Vergleichsmaßstab für den Wert der Güter:"Wie hoch dein Lohn zu schätzen sei, den du an solchem Handel und Arbeit gewinnen sollst, kannst du nicht besser rechnen und abnehmen, denn dass du die Zeit und Grösse der Arbeit überschlägst und nehmest ein Gleichnis von eim gemeinen Taglöhner, der sonst etwa arbeitet, und siehest, was derselbe einen Tag verdienet, darnach rechne, wie viel Tage du an der Waar zu holen und zu erwerben dich gemühet, und wie grosse Arbeit und Fahr darinnen gestanden habst: Denn grosse Arbeit und viel Zeit soll auch deste grössre und mehr Lohn haben." Dieser Gedanke wurde später verwertet und die allgemeine Tagelöhnerarbeit als objektiver Wertmaßstab angesehen.
Ende des 17. Jhh. waren die Gegensätzlichkeiten in der objektiven und subjektiven Wertlehre voll ausformuliert. Der Streit darum dauert bis heute an. Als Vertreter der subjektiven Wertlehre trat dann 1712 Johann Heinrich Boecler auf, der das Steigen und Fallen der Preise den sich ändernden Bedürfnissen zuschrieb, während der Theologe Johann Georg Walch den Wert eines Gutes in seinem objektiven Gebrauchswert liegen sah.
Und so gingen die Untersuchungen durch die Jahrhunderte von Montanari, Scaccia, Bandini, Pagnini, den berühmten Galiani über Neri, Genovesi, Beccaria, Verri und Ortes bis hin zu Burlamaqui und Montesquieu.
Richtig interessant wird's dann wieder mit Francois Quesnay, der als Begründer der Schule der Physiokraten gesehen wird.
Darüber und über den weiteren Verlauf der Entwicklung der Wertlehre bis hin zu Marx, Knapp und Mises wird demnächst hier noch kurz berichtet.
Jetzt geh' ich erstmal Fußballgucken.
Gruß, Zandow
<ul> ~ Noch a kleines Schmankerl für Elli:-(</ul>
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