-->Hi,
ab und an findet man in den Kommentar-Spalten der internationalen Presse noch absolute Highlights, wie zB diesen hervorragenden Kommentar von David Gardner in der englischen Financial Times zu den"vernachlässigten Ursachen" des Palästina-Konflikts. Ich wollte den Artikel von der www-site der FT hierher verlinken, aber leider, leider ist der nur für subscribers zugänglich.
Daher fasse ich mal die wesentlichen Aussagen hier kurz zusammen:
- Gardner stellt sehr schön die kürzlichen Aussagen von Bush & Rice an den Beginn seines Textes, wonach man einen Waffenstillstand im Libanon erst dann akzeptieren wolle, wenn die"eigentlichen Ursachen" des Problems beseitigt sind... um dann in der Folge des Textes sehr schön zu beleuchten, dass justament die"eigentlichen Ursachen" seit Jahren und Jahrzehnten vernachlässigt bzw. von allen beteiligten Parteien damit ganz gewaltig Schindluder betrieben wurde
- die Tätigkeit von Hizbollah, als auch Hamas, bringen die eigentliche Ursache des ganzen Konflikts jedoch zum Vorschein, nämlich die prinzipielle Frage, wie bzw. ob überhaupt das"heilige Land" zwischen Juden und Palästinensern geteilt werden soll. Der politische und diplomatische Fehler nun, diese Frage einer endgültigen, friedlichen Lösung zuzuführen, beschreibt Gardner als ein"erstaunliches Stehlen aus der Verantwortung", speziell gegenüber späteren Generationen, die diesen ungelösten Konflikt daher nur noch brutaler auszutragen hätten.
- wie die Lösung des Konflikts hingegen aussehen könnte, sei überhaupt kein"Mysterium", sondern sehr offensichtlich: Rückzug Israels in die Grenzen vor 1967, und im Gegenzug volle Anerkennung des israelischen Staates durch die übrigen arabischen Staaten. das bedeute zudem einen souveränen Palästinenser-Staat auf dem Gebiet von Gaza und der ganzen West Bank, mit dem arabischen Ostteil Jerusalems als Hauptstadt. Die Lösung der Vertriebenenfrage sollte, ganz im Einklang mit den Forderungen der arabischen Liga, finanzielle Kompensation in den Vordergrund stellen, statt ein pauschales Rückkehrrecht einzuräumen.
- Warum wurde das bislang zwar rauf- und runterdiskutiert (teilweise auch vereinbart, zB. im Oslo accord von 1993-95), aber in der Praxis nie wirklich umgesetzt? - Weil:
1) die israelische Siedlungspolitik auf arabischem Land dem entgegenstand, und zwar nicht nur im Gaza und der Westbank sondern auch in Ost-Jerusalem, was Gardner darauf zurückführt, dass die Israelis schlicht"nicht mehr verhandelbare Fakten" schaffen wollten
2) auf Seiten der Palästinenser ein absolut unfähiger Führer in der Person von Yassir Arafat am Steuer saß, der sich derart hastig, unvporbereitet und chaotisch in die Staatsgründungsidee stürzte, und dabei zunehmend die Kontrolle über sich selbst und vor allem seine Anhänger verlor. Und der daher, um seine wachsende Unsicherheit zu kompensieren, der Option des bewaffneten Aufstands auch nie ganz abschwören wollte
3) die übrigen arabischen Staatsführer, unabhängig davon, ob sie jetzt bereits ihren Frieden mit Israel gemacht hatten oder nicht, diese Situation des"no war, no peace" ganz komfortabel fanden, weil es ihnen ermöglichte, ihre Länder intern in einem qausi"Alarmzustand" zu halten, der ihren despotischen Regimes stützte
4) die USA, als einzig verbliebene Macht mit wirklichem Einfluss, sich einerseits mehr und mehr davon verabschiedete, diesen auch zu nutzen, andererseits aber auf eine derart einseitige pro-Israel-Haltung verfiel, dass sie sich als Vermittler aus Sicht der Araber zunehmend selbst disqualifizierte. Gardner bringt in diesem Zusammenhang ein sehr passendes Zitat von James Baker, dem ehemaligen US-Außenminister, aus der Clinton-Zeit:"Unter der Carter-Regierung nannten wir die israelischen Siedlungen noch"illegal", unter Reagan und Bush nannten wir sie nur noch"ein Hindernis im Friedensprozess" und jetzt [unter Clinton] sagen wir gar nur noch"die verkomplizieren die Dinge". Und schließlich ginge der jetzige Präsident Bush noch einen Schritt weiter, und unterstützte Ariel Sharons Landnahme aus 2002, die Errichtung der Mauer tief innerhalb der West Bank sowie die faktische Annexierung von Ost-Jerusalem. Olmert hätte dies nun die (theoretische) Möglichkeit eröffnet, die Grenzen Israels dort zu ziehen, wo Sharon sie gerne gehabt hätte, nur logischerweise wäre das für die Araber absolut unannehmbar gewesen. Somit hätte dieses Vorhaben nie funktioniert und damit einen Frieden für allezeiten unmöglich gemacht, nur wird es jetzt vermutlich auch gar nicht mehr von den Israelis versucht werden können.
- Conclusio: eine endgülite Lösung des Nahost-Konflikts kann nur aus einem ehrlichen und vollständigen"Land-für-Frieden"-Abkommen bestehen, daß den Palästinensern das ihnen vor 1967 zustehende Land ohne Einschränkung zubilligt, im Gegenzug aber auch den Israelis die Existenz ihres Staates ohne Wenn und Aber sichert.
Soweit zum Text in der FT. Gefiel mir gut, weil sich daraus alles mögliche ableiten läßt und eine ganze Reihe (sehr emotionaler und kontroverser Fragen) recht klar beantworten lassen:
- klar sind im Moment die Israelis am Drücker und damit die"Bösen"
- klar sind die USA aufgrund ihrer einseitigen pro-Israel-Haltung derzeit alles andere als eine Hilfe, sondern haben, wenn überhaupt, die Sache nur verschlimmert
- und klar versuchen Israels Politiker, sich für einen endgültigen Frieden eine möglichst vorteilhafte Ausgangsposition zu verschaffen, und sind dabei keineswegs zimperlich (der Begriff"rücksichtslos" würde auch passen)
Aber:
- klar auch, den übrigen Araber-Staaten passt der Nahost-Konflikt super in den Kram
- der Konflikt wird nie enden, solange das Existenzrecht der Israelis nicht von allen (insbesondere auch Herrn Ahmadinedschad) explizit anerkannt wird
- klar auch, dass in der Meinungsbildung der israelischen Bevölkerung die Aktionen der Hamas und Hisbollah nicht wirklich als vertrauenerweckend begriffen werden, sondern vielmehr die Frage aufwerfen, warum sie ausgerechnet aus den Gebieten beschossen werden, aus denen sie sich gerade zurückgezogen hatten
Ergo: die"Lösung" läge also tatsächlich ganz klar auf dem Tisch. Nur tut sie das bereits seit allerspätestens Oslo 1995, und wir wissen, was seitdem passiert ist. Eine ganze Reihe Herrschaften müßten weit über ihren Schatten springen, um es diesmal zu packen. Aber - leider - kann ich mir das persönlich beim besten Willen nicht vorstellen. Schade.
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