-->Ich kann diesen Unsinn so nicht stehen lassen und damit meine ich jetzt nicht Dein Posting, sondern die Ăberdramatisierung der Auswirkungen von Methamphetaminen. Immer wieder werden speziell im Hinblick auf die Rednecks im mittleren Westen der USA vollkommen ĂŒberzeichnete und hysterische Artikel ĂŒber Meth publiziert. In Deutschland kenne ich Meth seit mindestens 1996, hierzulande wird es meist unter dem Namen"Crystal" gehandelt, der StraĂenpreis lag Mitte-Ende der neunziger Jahre bei etwa 80DM pro Gramm und wurde ĂŒberwiegend aus Tschechien eingefĂŒhrt. Crystal heiĂt es deswegen, weil im Unterschied zu Speed (normalem Amphetamin) eine deutlich sichtbare kristaline Struktur aufweist. Konsumiert wird es ĂŒber die Nasenschleimhaut.
Richtig ist, Methamphetamin ist eine extrem starke Droge. Einfach ausgedrĂŒckt ist es ein Konzentrat normalen Amphetamins. Eine Dosis von ~0,2g bewirkt einen Wachzustand der ungefĂ€hr 36h +/-12h anhĂ€lt. Mischkonsum mit anderen Drogen ist ziemlich sinnlos, da diese Droge alles ĂŒberlagert. Sich gleichzeitig zu betrinken ist z.B. kaum möglich, sofern man nicht quasi letale Dosen zu sich nimmt. Auch wenn es gern anders kolportiert wird, eine psychische Wirkung hat die Droge kaum, sie ist keine"Ego"-Droge wie etwa Kokain. Es ist eine"reine" Wachheit, vergleichbar mit einem Adrenalinschock, aber ohne dessen BeeintrĂ€chtigungen. Chemisch sind die Wirkstoffe auch verwandt. Also Autofahren oder Flugzeuge fliegen ist ohne Probleme möglich. Die gröĂten Probleme beim Konsum sind die Dehydrierung (speziell in Kombination mit Alkohol) und das"Runterkommen" durch die extrem lange Wirkungsdauer. Als"Partydroge" ist Meth deshalb nur bedingt geeignet, die Wirkungsdauer ist schlicht zu lang.
Was in den hysterischen Artikeln in der Regel unter den Tisch fĂ€llt, ist der eigentliche (und hĂ€ufigste) Einsatzzweck dieser Droge. Dabei hilft ein Blick in die GeschichtsbĂŒcher, Methamphetamine kamen unter dem Markennamen Pervitin 1938 auf den Markt. Die Wehrmacht, speziell die Luftwaffe waren die ersten GroĂabnehmer dieser Droge. Royal Air Force und US Air Force standen dem allerdings nicht nach. Bis heute ist Meth in der US-Army, speziell bei der Air Force alltĂ€glich. Bomberpiloten sind immer noch ĂŒberwiegend auf Meth. Nur um die Dimensionen deutlich zu machen, im Irakkrieg haben 98% aller US-Soldaten im Kampfeinsatz auf die Pillen im MarschgepĂ€ck(!) zurĂŒckgegriffen. Insgesamt liegt der Anteil der Konsumenten in der US-Armee im Irak bei ~60%.
Die Meth-Problematik in den USA geht ohne Zweifel auch auf die MilitĂ€rzeit der User zurĂŒck, auch ohne fundierte Daten muĂ man kein Hellseher sein um diesen Zusammenhang zu erkennen. Ăhnlich wie man die Heroin-Problematik als Folge des Vietnam-Einsatzes sehen kann. Sicher nicht ausschlieĂlich, aber ursĂ€chlich verbunden. In die Ă-ffentlichkeit kam dieser Zusammenhang bspw. mit den MordfĂ€llen in Fort Bragg, wo hochrangige Offiziere"unerklĂ€rliche" Morde innerhalb der Familie begangen. Es erschienen damals sehr gute Artikel in Zeit und TAZ ĂŒber diese ZusammenhĂ€nge.
Als ehemaliger Konsument möchte ich noch einige persönliche Erfahrungen einstreuen. Ich habe Meth benutzt um nach einem ausgedehnten Partywochenende, auch noch in den folgenden Tagen arbeitsfĂ€hig zu sein. Wobei ich mit ArbeitsfĂ€higkeit nicht physische Anwesenheit, sondern"echtes schaffen" meine. Man bringt trotz eines durchsumpften Wochenendes vernĂŒnftige Arbeit auf die Reihe und ist nicht nur"irgendwie da". Ein AbhĂ€ngigkeitspotenzial sehe ich durchaus, es wird aber durch die lange Wirkungsdauer letztlich wieder relativiert. Nach Konsum am Wochenende und folgender Arbeit dauert es einige Tage um wieder in eine normale Rhythmik zu kommen. Die Zeit, die man stiehlt, zahlt man letztlich doppelt zurĂŒck.
Zu den Horrorbildern aus den USA noch ein Wort, die schlimmste Droge die ich kenne ist neben Alkohol, Kokain. Bei keiner mir bekannten Droge (und ich kenne viele) ist das Verlangen nach dem"Nachlegen" so hoch wie bei Koks. Dennoch ist Kokain ein sehr mĂ€chtige Droge, speziell fĂŒr Menschen die etwas prĂ€sentieren, nach auĂen darstellen mĂŒssen. Mich hat die Untersuchung der Bundestagstoiletten keineswegs gewundert. Im Design, Medien und"PrĂ€sentations"-Bereich ist Kokain eine"Wunderdroge". Die extreme StĂ€rke liegt in der kurzen Wirkungsdauer, nach 2h ist der Zauber vorbei. Also passend fĂŒr ein Pressekonfernz, eine PrĂ€sentation, ein Konzert. In dieser Zeit ist man hellwach, eloquent, witzig, es ist ein kurzes Doping was hilfreich sein kann, mehr darzustellen als man eigentlich ist. Doch nach dem Ende der Wirkung kann man getrost in das"heile" Familienleben zurĂŒckkehren und ist wieder ein"normaler" Mensch. Nebenwirkungen gibt es bis auf die Suchtproblematik keine.
Bei Meth ist das Ă€hnlich gelagert, nur das es eben keine Droge der"oberen 10.000" ist, sondern eine Droge fĂŒr hart arbeitende Menschen. Speziell wer lange Zeit viel Leisten muĂ, wer vielleicht drei Jobs hat oder sich an einer Front mit echten Kugeln findet, der wird Meth schĂ€tzen. Es ist vergleichbar mit einem Dispo-Kredit, man hat fĂŒr kurze Zeit sehr viel mehr, als man sich erlauben kann, aber es macht unmögliche Dinge möglich. Wer sich jedoch nicht sehr gut kennt und seinen Körper nur als BehĂ€ltnis betrachtet, dass zu funktionieren hat, der kann sich ein Problem einhandeln, was das nicht mehr zu kontrollieren ist.
Aber letztlich ist es wie bei jeder anderen Droge auch, niemand wird Junkie weil er nach einer Zahn-OP ein Opiad verschrieben bekommt. Keiner wird Kokser, wenn er mal eine"line" probiert. Niemand wird Alkoholiker, weil er gelegentlich einen guten Wein trinkt. Erst in dem Augenblick, wo man etwas anderes kompensieren möchte, sei es SchwĂ€che, UnzulĂ€nglichkeit, traumatische Erfahrungen, erst in diesem Augenblick wird eine Droge wirklich gefĂ€hrlich. Doch dann ist es egal welche Droge man konsumiert, es ist die Kompensationshandlung die Drogen gefĂ€hrlich machen. Wie schnell der Abstieg sich dann vollzieht, hĂ€ngt von der"Macht", der StĂ€rke einer Droge ab. Da gehört Meth ohne Zweifel zu den stĂ€rksten Drogen die der Mensch ĂŒberhaupt kennt, doch wer drei Wochen lang jeden Tag eine Flasche Schnaps trinkt, der wird sich nicht von dem Unterschieden, der in der selben Zeit 60g Koks konsumiert, oder eben 20g Meth zu sich nimmt.
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