-->>"Am 6. September debattierte der Bundestag über den Haushalt 2007. Dabei richtete der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck an seinen früheren Parteichef Oskar Lafontaine zwei Sätze, die von den Medien unterschlagen wurden:
>
>"Das Entscheidende, Herr Lafontaine, ist doch nicht die Frage, ob die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland nutzt. Das Entscheidende ist die Frage, ob die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung der Welt nutzt."
Hi Tempranillo,
das ist die englische Variante des Spieles"How to destroy your own country", oder"Wie man den eigenen Laden totsicher an einer Felswand zerschellen laesst".
Russell Grenfell beschreibt in seinem Buch"Bedingungsloser Hass" (Deutsche Ersterscheinung 1954) im Kapitel 11"Irrtuemer der Kriegspolitiker" exakt diese Variante, die u.a. in Grey und Churchill ihre grossen Anhaenger fand, die Englaender mussten letztendlich dafuer mit dem Verlust ihres Empires bezahlen.
Kleine Kostprobe gefaellig?
Hier:
Ein englischer Politiker, der einem anderen Lande britische Waffenhilfe verspricht, bietet diesem Lande das Leben einer unbekannten Zahl seiner Landsleute dar. Ein Recht zu solchen Anerbieten hat er nur, wenn es zugunsten des ganz klaren und eindeutigen Wohles der Gemeinschaft geschieht, zu der diese Bürger gehören. Er hat kein Recht, dieses Versprechen abzugeben, nur weil er Nazismus, Kommunismus oder sonst einen"ismus" in irgendeinem Teile der Welt mißbilligt oder weil er die Deutschen oder die Japaner haßt, die
(Achtung, Fussnoten vor dem Seitenwechsel!)
1 Dabei hatte Churchill im Februar 1941, also Monate früher, in einem Brief an General Wavell auf die »zunehmend bedrohliche Haltung Japans und die klare Möglichkeit eines Angriffs auf uns in naher Zukunft« hingewiesen.
[169]
Franzosen und die Chinesen liebt oder weil er irgendeine andere Mischung von Vorurteil und Vorliebe hegt, selbst dann nicht, wenn ein einflußreicher Teil seiner Anhänger seine Antipathien und Sympathien teilt. Der einzig korrekte Prüfstein für ein Angebot, das unter bestimmten Bedingungen das Opfer englischer Menschenleben einschließt, ist, ob damit rein englische Interessen gefördert oder wahrscheinlich gefördert werden. Königin Victoria war sich dieses Grundsatzes fest bewußt. »Wenn sie es verhindern kann«, schrieb sie, »so wird sie niemals zulassen, daß England in einen Krieg verwickelt wird, in dem keine englischen Interessen auf dem Spiele stehen«; und sie vereitelte 1864 einen Versuch Lord Palmerstons, während der schleswig-holsteinischen Krise anders zu handeln.
Britischen Politikern und privaten Bürgern steht es selbstverständlich völlig frei, gegenüber Dingen des Auslandes jedwede Vorliebe und Leidenschaft zu hegen. Aber wenn sie gegen den Faschismus in Italien, das Sowjetregime in Rußland oder gegen wen und was sonst einen Streich führen wollen, so gibt es, sofern nicht die Lebensinteressen ihres eigenen Landes durch die Lage in einem anderen Lande nicht unzweideutig in Mitleidenschaft gezogen werden, für sie nur ein einziges ehrenhaftes Verhalten, und das ist, selbst dorthin zu gehen und selbst zuzuschlagen. Die Pflicht eines Landes ist in der Tat primär eine Pflicht sich selbst gegenüber. Und die Pflicht eines Politikers ist eine Pflicht gegenüber seinem eigenen Lande, dem Lande, das ihm sein Gehalt zahlt. An diese Grundregel zu denken, scheint für Politiker oft recht schwer zu sein. Wir haben im ersten Kapitel gesehen, daß Sir Edward Grey, als er England zum Kriege verpflichtete, beträchtlich von seiner Angst beeinflußt war, was die Ausländer von ihm denken würden, wenn er diese Verpflichtung nicht einginge. Wahrlich, englische Politiker dieses Jahrhunderts scheinen in seltsamer Weise einem um-
[170]
gekehrten Loyalitätsgefühl zu huldigen, das sie begierig macht, Ausländern mehr als ihrem eigenen Volk zu Gefallen zu sein. Im ersten Weltkrieg intrigierte Lloyd George beständig und schließlich mit Erfolg, um die englischen Armeen in Frankreich französischem Kommando unterstellen zu lassen. Im zweiten Weltkrieg wurden sie erst französischem und später amerikanischem Kommando unterstellt. Chamberlain gab der polnischen Regierung einen Blankoscheck auf die englische Kriegserklärung an Deutschland in die Hand, Churchill ähnlich der amerikanischen Regierung - mit seiner Bemerkung »innerhalb der gleichen Stunde« - die Kriegserklärung gegen Japan. Aneurin Bevan, Führer des linken Flügels der Labourparty, verstieg sich sogar zu dem Vorschlag, daß englische Generäle als Befehlshaber englischer Armeen durch Polen, Tschechen oder andere Emigranten-Offiziere ersetzt werden sollten. Und nach dem Kriege stimmte Clement Attlee, Führer der Labourparty und Premierminister, zu, daß die Hauptmasse der englischen Flotte amerikanischem Kommando unterstellt wurde gegen den öffentlichen Protest des hervorragendsten englischen Admirals.
Churchill bekundete während des Krieges eine sehr kosmopolitische Auffassung seiner Verantwortung. Sein Aufstieg zum Amt des Premierministers 1940 wurde im Lande allgemein gebilligt, weil man glaubte, er verstehe etwas vom Kriege und sei der beste Politiker, die Engländer aus ihrer damaligen traurigen Lage herauszureißen. Hauptsächlich erwartete man aber von ihm, darüber besteht kein Zweifel, daß er die englische Unabhängigkeit vor einer Zerstörung durch den Feind bewahre. Ich sage »durch den Feind«, denn unmöglich konnte es den Leuten in den Sinn kommen, daß ihre Unabhängigkeit von einer anderen Seite her gefährdet sein könnte, etwa gar durch Churchill selbst. Sie können von seinen Bemühungen nichts geahnt haben, die neunhundert Jahre alte eigenständige Souveränität der britischen Inselbewohner durch das Angebot
[171]
einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit an die Franzosen zu zerschlagen. Es besteht auch nicht der Schatten eines Zweifels, daß Churchill mit diesem Angebot seine Pflicht und seinen Auftrag überschritt. Was er selber zu dieser Episode in seinem Buch1 bemerkt, ist sehr aufschlußreich. Der Plan scheint seinen Ursprung weder im Kabinett, noch im Parlament oder in den Spitzen der Wehrmacht gehabt zu haben; er kam von einer bunt zusammengewürfelten Gruppe Einzelner, darunter Sir Robert Vansittart, Major (jetzt Sir) Desmond Morton, der damals persönlicher Gehilfe des Premierministers war, zwei Mitgliedern einer nach London entsandten französischen Wirtschaftsmission und General de Gaulle; nicht einer von ihnen war politisch irgendwie autorisiert. Als die Angelegenheit zur Beratung vor das Kabinett kam, war Churchill nach seinen eigenen Worten »überrascht zu sehen, daß die nüchternen, soliden, erfahrenen Politiker aller Parteien sich so leidenschaftlich für einen Plan solch ungeheuren Ausmaßes einsetzten, dessen tieferer Sinn und dessen Folgen noch keineswegs zu Ende gedacht waren. Ich leistete keinen Widerstand, sondern gab leicht diesem stürmischen Großmut nach, der unsere Entschlüsse auf ein sehr hohes Niveau uneigennütziger und unerschrockener Aktion führte.« Dieser reizende Satz darf aber die Tatsache nicht verdecken, daß stürmischer Großmut und ein hohes Niveau der Uneigennützigkeit bei dieser lebenswichtigen Angelegenheit völlig fehl am Platze waren. Einzig und allein die Interessen ihres eigenen Landes hätten den Beschlüssen jener nüchternen, soliden und erfahrenen Politiker als Kriterium dienen dürfen. Und wenn die Wogen der Großmut, aufgestiegen aus ihren für das blutende Frankreich schlagenden Herzen, wirklich ihre Haltung gegenüber der vorgeschlagenen anglo-französischen Union diktierten, so vergaßen sie dabei vollkommen ihre vornehmste Pflicht: an England zu denken.
1 Second Worid War, Band 2, S. 180.
[172]
Sie scheinen an der gleichen funktionellen »Verdunklung« gelitten zu haben, als es sich um Churchills damalige Botschaft an Präsident Roosevelt wegen der englischen Flotte handelte. »Die jetzige Regierung und ich«, so drahtete er am 15. Juni 1940, »würden die Flotte unter allen Umständen über den Atlantik schicken, wenn der Widerstand hier zum Erliegen käme...« Diese vom Premierminister Englands gegenüber dem Oberhaupt eines neutralen Staates abgegebene Versicherung enthüllt nur allzu deutlich, daß das Kabinett seine Stellung und Verantwortung nicht begriff. Es war Treuhänder der Nation für den besten Einsatz der Wehrmacht zur Besiegung des Feindes. Konnte es den Feind nicht besiegen, so hatte es in seiner treuhänderischen Aufgabe versagt und seinen Mißerfolg einzugestehen und der Nation die Frage nach dem weiteren Vorgehen vorzulegen, wie es sich für einen Treuhänder gebührt. Die Flotte war nicht Privateigentum des Kabinetts, mit dem es im Falle einer Niederlage machen konnte, was es wollte. Die Flotte gehörte der Nation, die das Geld dafür aufgebracht hatte, und wenn die Nation von einem etwaigen deutschen Eroberer bessere Bedingungen für sich selbst durch Übergabe der Flotte erlangen konnte, so war sie zweifellos zur Übergabe berechtigt, mochte das Kabinett in dieser Frage auch anderer Auffassung sein.
Es handelt sich hier nicht um ein Problem von lediglich akademischem Interesse. Es rührt vielmehr an Grundsatzfragen der allergrößten Bedeutung. Wäre die britische Flotte nach Kanada oder den Vereinigten Staaten ausgelaufen, so würde das in England verbliebene Volk jegliche Kontrolle über ihren künftigen Einsatz verloren haben. Sie hätte auf alle mögliche Weise verwendet werden können, die keine Billigung der Engländer gefunden hätte. Sie hätte zu einer Hungerblockade gegen ein von den Deutschen besetztes England eingesetzt werden können. Sie hätte bei der Beschießung der englischen Küste mithelfen können, um eine amerikanische
[173]
Landung zu unterstützen, genau wie sie zur Beschießung der Küste des vorher befreundeten Frankreich bei den Landungen in der Normandie und an der Riviera 1944 eingesetzt wurde. Die Engländer sollten sich überlegen, solange es noch Zeit ist, ob sie ihre eigenen Waffen in einer hier ins Auge gefaßten Weise gegen sich kehren lassen möchten. Der Autor fand es höchst bedenklich, daß ihm ein leitender Mann der BBC, des englischen Rundfunks, vor kurzem sagte, unter gewissen Umständen könne es Englands Pflicht sein, »zum größeren Wohle der Menschheit« beschossen, bombardiert, ausgehungert und verwüstet zu werden. Nach Meinung des Autors kann der Menschheit auch auf andere Weise zu ihrem höheren Wohle verholfen werden. Er würde keinen Trost in dem Gedanken finden, daß Tibetaner, Mexikaner, Perser oder Peruaner in größerer Sicherheit leben, weil London durch Atombomben, abgeworfen von Flugzeugen englischer Herstellung, wenn nicht gar mit englischer Besatzung, in Staub verwandelt wurde. Die Worte Pflicht, Loyalität und Verantwortung scheinen, wo sie in einem politischen Zusammenhang gebraucht werden, fast ganz im Treibsand der Zweideutigkeit zu versacken - vielleicht absichtlich. Wenn ein Mann wie Tschiang-Kaischeck, der für sich den Namen eines Patrioten in Anspruch nimmt, verlangt, daß sein Land durch die Vereinten Nationen bombardiert wird, um Aufstände gegen seine politischen Widersacher zu entfachen1, so kann der Durchschnittsmensch in der ganzen Welt über die Beschaffenheit des Patriotismus eines modernen Politikers nur schwere Sorgen empfinden.
Wenn wir also die Lebensinteressen anderer Nationen als Begründung dafür ausschalten können, daß unsere Mitbürger ihr Blut auf dem Schlachtfeld vergießen, und wenn wir darin übereinstimmen, daß ein solches Opfer rechtmäßig nur für
1 Daily Telegraph, i. VII. 1952.
[174]
die Lebensinteressen des eigenen Landes gefordert werden kann, so bleibt noch immer die Frage offen, welches denn diese Lebensinteressen sind. Darauf gibt es keine präzise Antwort, da eine genaue Definition zu einem gewissen Grade von den Umständen des besonderen Falles abhängt. Eine Antwort darauf hat aber Sir Edward Grigg, jetzt Lord Altrincham, in einem Buch gegeben, das er kurz vor dem Kriege veröffentlichte, als die Menschen sich Gedanken darüber machten, warum wir, falls es dazu käme, zum Kriege mit den Deutschen schreiten sollten. Zu den materiellen englischen Hauptinteressen, sagte er, »gehören natürlich die Verteidigung des englischen Gebietes, die Ausdehnung des englischen Handels und die Sicherheit englischer Kapitalanlagen«1.
Die Verteidigung englischen Gebietes scheint in der Tat ein klarer und selbstverständlicher Grund für einen Krieg zu sein. Nationen mit Selbstachtung lassen sich ihr Eigentum nicht stehlen, ohne sich in einen Kampf einzulassen - falls sie sich dazu in der Lage fühlen. Die Holländer hielten einen Kampf um ihre indonesischen Besitzungen angesichts der kaum verhohlenen Ermutigung der Rebellen durch die Vereinigten Staaten offenbar für hoffnungslos. Die englische Regierung fühlte sich, zum Erstaunen vieler Engländer, sichtlich unfähig, um das ungeheuer wertvolle Eigentum der Anglo-Iranian Oil Company in Abadan zu kämpfen. Der Ã-ffentlichkeit ist bisher nicht bekannt, ob diese Entscheidung der Regierung für einen hastigen und kampflosen Rückzug zurückzuführen ist auf Furcht vor Rußland oder auf das peinliche Dilemma einer in England selbst verstaatlichenden Labour-Regierung, die Widerstand leisten soll gegen die Verstaatlichung der im englischen Besitz befindlichen persischen Ã-lindustrie durch die Perser, oder ob irgendwelche anderen Ursachen vorlagen. Immerhin, diese Vorgänge der letzten Zeit sind jedenfalls Ausnahmen von der historischen Regel, daß souveräne
1 Britain Looks at Germany, S. 35.
[175]
Nationen sich nicht berauben lassen, ohne eine - und sei es auch hoffnungslose - Anstrengung, sich dem Raub zu widersetzen. Es ist recht seltsam, daß die englische Regierung, die nicht bereit war, für die englische Ã-lindustrie in Persien zu kämpfen, bereitwillig englische Soldaten in den Tod schickte, um Südkoreaner gegen ihre Brüder aus Nordkorea zu verteidigen.
Soweit das Versucherle.
Der Preis einer solchen Politik, gemessen an den englischen Resultaten, wird Deutschland Kopf und Kragen kosten.
Kennst Du das Buch, wolltest Du es als eBook gerne von mir haben?
>Wo also wäre das Niveau, das die NPD unterbieten könnte? Im Bundestag ist die Bodenbildung doch längst vollzogen,...
Richtig, in Jules Verne'scher Meerestiefe, 20000 Meilen.
>Tempranillo
Gruss
TD
|