-->Hi nereus,
vielen Dank vorweg!
>Demnach gehörten religiöse Einrichtungen AUCH zu den Empfängern, so wie heute die Kirche als Institution vom Staat Steuermittel/Zuwendungen erhält.
Ja, das ist auch im Duo Palast / Tempel in Mesopotamien so. Ich hatte schon mal - im Zusammenhang mit der Caral-Debatte und einem Hinweis im"Spiegel" - die These gewagt, ob die seltsame"Drittelung", die sich auch in dem Mesopot-Satz von 33,3 % findet, nicht ein Hinweis darauf sein könnte: ein Drittel dem Herrscher, ein Drittel dem Tempel (für Witwen und Waisen), ein Drittel der Bevölkerung in toto. Die Tempel konnten sich mit ihrem Drittel (falls Thesaurierung und Ausleihe, vgl."Tempelbanksystem") große Latifundien beschaffen. Sie stiegen damit zu einer eigenen ökonomischen Macht auf. Ähnelt dem System der"toten Hand" im europäischen Feudalismus, wo die Kirche kein Lehen erhielt, sondern definitive Eigentumsübertragungen, später in den gefälschten Urkunden als"donatio" oder"largitio" (ex Karolinger-Kaiser - denn"gutes Recht muss alt sein") bezeichnet, um den Vorgang rechtsfest zu dokumentieren. Schließlich konnten sie selber Lehen vergeben - bis hinauf zum Papst, der ganze Königreiche"verlieh".
>Ich kann hier noch keinen Zusammenhang zur der Erfindung der Religionen zum Zwecke des Tributs erkennen.
Mit den Religionen ist es in der Tat ein Kreuz, selbst wenn wir die Glaubens- und Offenbarungstheorien beiseite lassen. Mir fällt auf:
- Es gibt Religionen mit Elementen, die Familiengeschichten darstellen. Also Gott A nimmt sich Göttin B, daraus Kinder X,Y,Z, usw.
- Dann welche, in denen gekämpft wird (guter Gott vs. bösen, als Unterform sogar noch die gefallenen Erzengel).
- Dann solche, wo die Götter in großer Zahl - ziemlich beziehungslos - nebeneinander existieren und für alle möglichen guten oder schlimmen Sachen stehen.
Diese Gottheiten werden verehrt (Talisman, Amulett-Charakter, Hausaltäre), sie haben Kultstätten. Diese aber sind eher bescheiden (Haine, Seen, usw.) und schaffen es nicht, zu mit großkalibrigen Bauten"Mega-Gottheiten" zu werden.
In diesen 3 Fällen, die sich überdies auch vermischen, kann nichts Gescheites zum Thema"Tribut" abgeleitet werden. Das ändert sich aber, sobald wir Unikate (Monotheismus) erkennen, also Stammesgottheiten (AT) oder Stadtgottheiten. Mit diesen wird paktiert, sie werden zum"Patron", sie erhalten Monopolstatus (man denke an Echnaton), sie werden in immer kolossaleren"Sitzen" (Tempeln)"verehrt".
Das dabei verknallte BIP wird nicht von der Priesterschaft gestemmt, sondern es muss entweder per Direkt-Abgaben herbeigezwungen werden oder auf dem Weg über die besagten Latifundien, auf denen Grundabhängige werkeln. Haben wir dann die bekannten"Großanlagen" (Karnak, Jerusalem, die Mesopot-Städte [Stadtgottheit"Assur"!], das, was wir im präkolumbianischen Amerika sehen, aber auch schon viel früher in den Megalith-Beritten) müssen die"Interns" (Priesterschaft) Zugang zu gewaltigen Ressourcen gehabt haben, die weit über das hinausreichen, was gern als"Opfer" oder"Freizeitbeschäftigung" (weil gerade keine Ernte anstand) bezeichnet wird.
Den Zugang zu diesen Ressourcen verschafft die"spirituelle" Macht in allen möglichen Varianten. Selbst die waffenmächtigen Herrscher mussten sich dem beugen (vgl. noch Canossa) oder sie"stifteten" aus ihren, diesmal aber eindeutig ex Abgaben resultierend *), Mitteln entsprechende Teile davon. Kroisus hatte einen Haufen Gold in den Tempeln von Ephesos, Dydima und Delphi deponiert; die Münzfunde sind bekannt.
*) Vgl. dazu das Gemälde (1629), das"die Tributzahlung eines lydischen Bauern an Kroisos" zeigt:
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> Wie hätten die Tributforderungen auch tatsächlich sichergestellt werden können? Durch Bettelbriefe gewiss nicht. Da lag es nahe, Geiseln zu schlachten oder Hochrangige aus dem säumigen Tributgebiet.
>Moment!
>Was heißt hier säumig?
>Waren die unterjochten Stämme denn unwillig Tributzahlungen zu leisten?
Das Geiseln gestellt werden mussten, weist darauf hin, jedenfalls in"unserer" Antike (Polybios für Griechenland, britannische Prinzen für England, usw. - warum hielten sich Herodes und Kleopatra in Rom auf?). Der Titel des gezeigten Codex bildet Tributgebiete ab und darunter nicht etwa Gemetzel, sondern Gefangennahmen.
>Wenn ich es recht verstanden hatte, wurden z.B. die „Blumenkriege“ nur deshalb geführt, um überhaupt Opfer zu finden/erlangen.
So wird es interpretiert. Ich kann aber wirklich keinen (ökonomischen) Sinn darin entdecken, Gefangene zu machen, nur um sie dann im Machtzentrum abzuschlachten. Kriege sind immer riskant und wie stark der Gegner wirklich ist, erfährt man zu eigenen Leidwesen oft zu spät. Atahualpa war zunächst Geisel, und wurde erst, nachdem die Spanier doch nicht so viel Gold erhielten, wie sie erwartet hatten, erwürgt. Es ist wie mit der Gans: Warum sie sofort schlachten, wo sie doch noch lange schöne Eier legen kann?
Wenn es schon ums Killen geht, im"Götter" mittels eines"Opfers" zu"besänftigen" oder gnädig zu stimmen, tut's eigentlich jedes Opfer, wobei man risikoloser solche aus Tributgebieten nehmen könnte.
> Dann haben wir die Zurschaustellung von Schädeln (wieder anderer Codex):
>Was hatte es denn mit dieser „Schädel-Ausstellung“ konkret auf sich.
>Kann man das dem Codex entnehmen?
Ja, leider kann ich das Bild nicht reinstellen. Linkes neben den Schädeln sind zwei grimmig dreinschauende Herren (Priester? Herrscher? - Moctezuma war auch zuerst Oberpriester, dann Herrscher, Julius Caesar war Pontifex Maximus, bevor er dann Diktator wurde) auf der Spitze zweier Pyramiden zu sehen. Vielleicht kann jemand mit besseren technischen Möglichkeiten das ganze Blatt des Codex zeigen. Den Text dazu kenne ich leider nicht.
> Waren es Opfer an die Götter? Der Sinn des Opfers liegt in der Opferung selbst und nicht im Zurschaustellen irgendwelcher Überreste. Diese sind zur Schau gestellt, nicht um die Götter"gnädig" zu stimmen, sondern zur Abschreckung für unbotmäßige Zeitgenossen.
>Oder auch als Trophäen, so wie sich heute die versammelte Jägerschar vor dem Ertrag ihrer Treibjagd ablichten läßt.
Einwand: Kein Jäger ließe sich vor einem Hirsch ablichten, den er in seinem Gehege aufgezogen und dann auf 5 m Entfernung abgeballert hat.
>Die Abschreckung könnte auch im Sinne von „kommt uns bloß nicht zu nahe“ zu verstehen sein.
Der Abzuschreckende ist sehr weit weg. Einen Blick auf die Abschreck-Schädel im als Inselstadt bestens gesicherten Tenotchtitlan, das selbst den Spaniern fast zum Verhängnis geworden wäre ("noche triste"), zu werfen, um dann Hunderte von Kilometern weiter"daheim" Bericht zu erstatten. Zudem was sollten die Weit-Weg-Chiefs daraus lernen? Dass ein Angriff auf Tenotchtitlan mit Todesgefahr verbunden ist?
>Die Tributthese wäre allerdings auch eine Möglichkeit.
Halte ich für die plausibelste. Immer ist von Tributen die Rede, aber um konkrete Details (was, wenn nicht geleistet wird?) mogeln sich die Interpreten grundsätzlich vorbei. Die Wörter"Zoll-" und"Steuerfahndung" erscheinen in keiner Monographie der deutschen Geschichte der letzten 100 Jahre. Dass sie sehr real existieren und ein immenses Droh-Potential enthalten, wissen vermutlich mehr Menschen als sie wissen, wer Kurt-Georg Kiesinger war.
> Remakes von katastrophistischen Erinnerungen machen in diesem Kontext auch keinen Sinn.
>Da würde ich zunächst die Mythen zu Rate ziehen.
>Mögen Sie auch durch zeitlich lang dauernde Einflüsse „verfälscht“ worden sein, einen rationalen Kern haben sie allemal.
Zustimmung. Aber eine, viele Generationen umfassende kollektive Traumatisierung halte ich auch für einen Mythos. Warum ist in den Märchen der Brüder Grimm nirgends von Flutkatatrophen, Kometeneinschlägen, Mega-Erdbeben, Vulkanausbrüchen usw. zu lesen? Auch Dramatiker und Dichter haben da nichts thematisiert, jedenfalls kommt mir da nichts in Erinnerung.
>Das Zurschaustellen von Köpfen (Person schlechthin) finden wir auch bei den Bauernkriegen, wo Bauern, die dem Abgabendruck entkommen wollten und von ihren Herren erschlagen wurden, als Schädel zur Schau gestellt wurden.
>Hierbei handelte es sich aber um kein kultisches Relikt, sondern einfach um eiskalte Rache und Abschreckung vor Nachahmung.
Sehe ich genauso, zumal ich diese Schädelstätten kenne. Weshalb sollten die Schädelstätten, gibt's in Chichen Itza auch in Stein (wie schon mal gezeigt), überhaupt etwas mit"Kult" zu tun haben?
> Der geopferte Christus erscheint nicht solo am Kreuz, sondern mit Krone / Dornenkrone oder INRI.
>Das stimmt. Nur was lesen wir dazu bei Markus 15.17?
> Die Soldaten aber führten ihn in den Hof hinein, das ist das Prätorium; und sie rufen die ganze Schar zusammen.
>Und sie legen ihm ein Purpurgewand an und flechten eine Dornenkrone und setzten sie ihm auf; und sie fingen an, ihn zu grüßen: Sei gegrüßt, König der Juden!
>Das klingt wie Abu Ghraib vor knapp 2.000 Jahren.
>Aufgescheuchte Soldaten die ihr böses Spiel trieben und dies auch heute noch tun.
Ja, hört (und sieht) man sogar von den tapferen deutschen Truppen in Afghanistan. Was hatten die sich vorn auf ihren Jeep geschnallt und was mit bloßem Gemächt dazu gemacht? (Ich kenne die Antwort, darf sie aber für mich behalten).
> Die präkolumbianischen Opferungen waren Schau-Spiel, die Plätze vor den Tempeln sind sämtlich ziemlich groß.
>Sicherlich, nur sagt die Gewaltigkeit einer Zeremonie noch nicht viel über ihren tatsächlichen Inhalt aus, außer das sie eben viel beachtet war.
> Nachweise etwaigen Wassermangels (no rain usw., ergo Flehen um...) konnten bisher nicht erbracht werden. Das Tal von Oaxaca war - ähnlich Tenotchtitlan, der Azteken-Stadt, heute Mexico City - zudem von einem See bedeckt.
>Wasser an sich bedeutet zunächst noch gar nichts.
>Vielleicht regnete es auch unaufhörlich und dann konnte die Ernte auch nicht eingefahren werden.
>Wie gesagt, die Erfindung der Religionen als maskierte Tribut-Strafe konnte meiner Ansicht nach noch nicht stichhaltig belegt werden.
Es ging, siehe oben, um den Monotheismus ex Stammesmonopolgottheit, Stadtgott usw.
>Wie erklärt sich denn außerdem die Götteranbetung bei Stämmen die gar keine Tributpflicht kannten?
Die beten nicht an (Mega-Kultstätten fehlen, siehe oben), sie sind eher animistisch drauf und freuen sich, wenn ihre Medizinmänner (Schamanen) mal wieder jemand heilen.
>Dann hätten ja alle Völker des Planeten Erde auf die gleiche Idee kommen müssen ihr Steuerproblem zu lösen.
Falls sie eins hatten. Der Stamm hat es intern bestimmt nicht. Der sich aus dem Stamm entwickelnde Staat (Oberstamm / Unterling, letzterer extern) dagegen sehr wohl.
Gruß!
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