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>3. Das Timing dieser Ereignisse ist bekanntlich das schwierigste, und da lag Dottore sicherlich daneben, wenn er dass schon fuer die 90er oder gar 80er Jahre prognostizierte. In allen Postings hier laesst Dottore das aber auch offen, von daher gibt's da nix zu kritisieren.
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Eben. Er betreibt keine Anlageempfehlungen, von daher kann man da auch nichts vorwerfen. Er beschreibt m.E. dekriptiv die ZusammenhÀnge. Ich stelle mal ein Posting von ihm ein, das die Entwicklung seiner Arbeit/Theorie beschreibt:
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Geschrieben von dottore am 09. Juni 2004 17:08:04:
Hi,
zunĂ€chst besten Dank fĂŒr die interessanten DiskssionsbeitrĂ€ge.
Ich darf mir erlauben, auf die Entwicklung der sog."Zusammenbruchsthese" einzugehen.
1. ZunĂ€chst hatten wir 1980/1982 eine Reihe von Zahlungseinstellungen diverser Staaten. Dies brachte mich ĂŒberhaupt erst aufs Thema"Staatsbankrott", das seit jeher kontrovers diskutiert wird. Auf der einen Seite die Fakten (mindestens ca. 300 solcher VorgĂ€nge direkt oder indirekt historisch), auf der anderen die"moderne" Theorie, so etwas sei niemals mehr mehr möglich.
2. Mit einem der Kritiker, Walter LĂŒftl, habe ich mich dann zusammengesetzt und ein Follow-Up verfasst ("Formeln fĂŒr den Staatsbankrott"), das in der bekannten und hier dargestellten und ausfĂŒhrlich diskutierten"Bankrottformel" mĂŒndete ("Steigen Schulden schneller als, das woraus sie bedient werden können..." usw.)
3. Darauf kam als gewichtiger Einwand die berĂŒhmte Domar-Formel, basierend u.a. auf seinem Aufsatz"The Burden of the Debt and the National Income", in der American Economic Review von 1944. Dieser keynesianische Ansatz (wie auch der in folgenden Publikationen anderer Wissenschaftler <http://cepa.newschool.edu/het/essays/keynes/deficit.htm>hat die bekannten SchwĂ€chen:
3.1. Es wird irgendein"naturgegebener Wachstumspfad" vorausgesetzt, ohne zu erklÀren, woraus der resultiert.
3.2. Die Folgen des"deficit spending", das quasi endlose Wohlstandsteigerungen verheiĂt, bleiben unberĂŒcksichtigt, da die Gegenbuchung zum Defizit (Schulden sind nur definierbar, wenn es Guthaben als Gegenbuchungen gibt und vice versa) aufgrund der öffentlich-rechtlichen Kameralistik (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) unterbleibt.
3.3."LiquiditĂ€t" wird als eine NettogröĂe betrachtet, die als"solche" mit Hilfe von"Geld" nachgefragt werden kann, das seinerseits ebenfalls eine NettogröĂe sein soll. [Dass hier Warengeld-Vorstellungen eine Rolle gespielt haben, sei am Rande erwĂ€hnt].
Diese LM-Theorie (L = LiquiditĂ€tsprĂ€ferenz, M = Geld), bei der ein Zins als"Preis" entsteht, entpuppt sich bei nĂ€herem Hinsehen als der GĂŒterwelt entlehnt und heute als ChimĂ€re, da Geld nicht mehr"als solches" existiert und entlang einer Kurve nachgefragt wird, sondern nur durch den Diskont von spĂ€teren FĂ€lligkeiten (die ebenfalls auf Geld lauten) in die Welt kommen kann (sieht man von der berĂŒhmten"Erstausstattung", z.B. in der BRD ab, bei der 1948 bekanntlich kĂŒnftige Steuerzahlungen abgetreten wurden).
Diese Diskussion, die hier oft genug gefĂŒhrt wurde, soll aber nicht noch ein Mal vertieft werden. Ingesamt können wir festhalten, dass das heutige Geldsystem ohne Staatsschulden nicht mehr definierbar ist. Der Domar'sche Ansatz, der auf asymptotische VerlĂ€ufe von Staatsschulden und BIP abhebt (Staatsschulden sind als Ausgaben immer ein Teil des BIP) wurde dann auch von LĂŒftl widerlegt ("Der Domarschwindel", 1985).
4. Ausgehend vom ursprĂŒnglichen Heinsohn/Steiger-Ansatz des"Wirtschaftns unter ErfĂŒllungsdruck" habe ich mir danach erlaubt, die debitistische Theorie zu entwickeln (zuerst"Der Kapitalismus", 1986, daneben und danach laufend weitere Publikationen), welche auf Wirtschaften als Ergebnis von ErfĂŒllung bestehender Verpflichtungen ("Schulden") abhebt und damit der bis heute in allen möglichen Varianten nach wie vor virulenten"Hochtausch-Theorie" des mainstreams widerspricht.
Der kritische Punkt wird einzel- wie auch gesamtwirtschaftlich erreicht, sobald die ErfĂŒllung nicht mehr möglich ist, da in einem monetĂ€ren System niemals aus"Bestand" erfĂŒllt werden kann, sondern nur mit Hilfe zusĂ€tzlicher Nettoneuverschuldung.
Einen Zins"auf etwas hinauf" gibt es nicht. Der Zins ist vielmehr stets eine Zession von spÀter erwarteten (Private) oder erzwingbaren (Staat) Einzahlungen.
Der Staat engt dabei diesen"Spielraum" ein, was seinen Ausdruck in zusĂ€tzlicher Staatsverschuldung findet, die ihrerseits zu den bekannten Verrentungseffekten ("Die Pleite") und der generell zunehmenden UnbeschĂ€ftigung von potenziellen Produktionsfaktoren fĂŒhrt ("Die Krisenschaukel"). Von der damit einhergehenden Verteilungsproblematik, die ebenfalls eine historische Konstante ist, ganz zu schweigen. Der Staat kann seinerseits durch Zession von Eigentum und/oder Privilegien an Private (die dann ihrerseits damit"wirtschaften") diesen Prozess verlĂ€ngern.
5. Desungeachtet hat sich nach dem 1987er Crash, der nur Minuten davor war, einen allgemeinen"meltdown" einzuleiten, gezeigt, dass sich auch mit Hilfe geschickter Prolongationen (Klarext: Einbuchen auf das CdD-Konto"Staat") das Ganze immens stretchen lÀsst.
Ausdruck dieser Erkenntnis war eine weitere Publikation ("AufwÀrts ohne Ende", 1989), die von einem"Ich widerrufe!" eingeleitet wurde (anerkennende Besprechung dazu u.a. in der NZZ)."AufwÀrts ohne Ende - bis zum Ende" ist seitdem die bis heute nicht mehr weiter korrigierte Schreibweise.
6. Die disinflationÀre Hausse (alle Haussen setzen Disinflation voraus, weil darin die als Basis des Wirtschaftens inzwischen durchweg dienenden Staatstitel enorm steigen und weitere monetÀre BeleihungsrÀume schaffen - in den USA immerhin Kursgewinne von ca. 50 Prozent) war als logische Folge absehbar - nur wie alle Haussen nicht in ihrem Ausmaà (ob sie mit dem bisherigen ATHs bereits zu Ende ist oder eine Fortsetzung findet - die gesuchte 5! - ist offen und umstritten).
7. Die Notenbanken haben mit ihren aggressiven"Zinssenkungen" (Steuersenkungen) ebenso vor zwei Jahren nochmals BeleihungsspielrĂ€ume geschaffen wie die meisten Staaten mit den bekannten Steuersenkungen ("ZinnĂ"-Senkungen), die ebenfalls eine willkommene Befeuerung des debitistischen Prozesses ermöglichten.
In dieser Phase befinden wir uns gerade. Sie ist auch gekennzeichnet von zusĂ€tzlichen Beleihungen neu auftretender Big Player, die entsprechend"boomen", wenn auch mit deutlich sichtbarem Overstretching (sog."Bankenprobleme"), das zu den ĂŒberall vorhandenen Alt-Prolongationen und dem in den bekannten"asset-bubble-MĂ€rkten" sichtbaren Problem tritt, dass sich die Beleihungsgrenzen in toto ihrem Maximum nĂ€hern. Stichwort:"Weltweite Ăberschuldung".
8. Jede Verschuldung erfordert zeitlich spÀtere zusÀtzliche Verschuldung. Diese wiederum ist von den"ZinssÀtzen" abhÀngig, Klartext: Von dem in Marktkontrakten sichtbaren Willen aller Beteiligten, von spÀter erwarteten (oder erzwingbaren) Einnahmen/Einzahlungen abzugeben.
Ziehen diese SĂ€tze an, was aus den Renditen bereits laufender Titel resultiert (und nicht etwa aus so etwas wie einer"Zinspolitik"), kommt es zur eigentlich kritischen Phase, da die Höhe der in Zukunft abzutretenden Einnahmen ("Zinsen") natĂŒrlich die entsprechende Zessionsbereitschaft beeinflusst. Dass hierbei massen- und auch statuspsychologische Momente eine Rolle spielen, kann dabei nicht bestritten werden.
Letztlich will auch der"kleine Mann" ein König sein (oder werden) und sich so verhalten dĂŒrfen, wie einst dieser. Also aufschulden, solange es geht. Der Unterschied aber bleibt zu beachten: Der König (heute Staat) konnte (kann) sich auf den Hinweis auf Zwangseinnahmen lange auf der BĂŒhne halten, der Private ist auf den Markt und die dort herrschende Freiheit und Freiwilligkeit angewiesen.
Dass ihm der Staat per Umbuchen in sein CpD-Konto behilflich ist, beobachten wir selbstverstÀndlich mit Interesse (schuldenfinanzierte Subventionen aller Art bis hin zu solchen an die"Sozialsysteme" oder"SchuldenerlÀssen" oder"bad-loan-Negierungen" in aller Welt).
9. In dieser Phase kommt es zu allerlei kuriosen VorschlĂ€gen zur Remedur von der aktuellen Politik, wie rundum zu bestaunen (reicht von"Steuerreform","Nullzins der ZBs" bis hin zur Bedienung der"Notenpresse"). Dies alles fĂŒhrt jedoch am Kern des Problems nicht vorbei: Irgendwann muss doch gezahlt, und nicht auf ewig kann nur das, worin gezahlt werden muss, gezeigt werden.
10. Nicht Wachstums-, Preissteigerungs- oder BeschĂ€ftigungsraten spielen eine Rolle, sondern allein die Entwicklung der SĂ€tze (alias der"Zinsen") fĂŒr kĂŒnftige Zessionen, die sich wiederum aus den SĂ€tzen bereits laufender Zessionen ergeben, den Renditen also.
Die Grenze, wo diese SĂ€tze vom"Noch" zum"Nicht-mehr" umschlagen, ist a priori unbekannt. Sicher ist nur, dass das"Noch" bei einem System, dass allseits und jedermann"Schutz" vor jeglichen GefĂ€hrdungen verspricht, wie ihn der"moderne Staat" verheiĂt, ebenfalls zeitlich hinausgeschoben werden kann.
Wann dieses"Grundvertrauen" in Misstrauen umschlĂ€gt, ist leider nicht ante festum zu eruieren. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Zeitpunkt mit dem des"rechnerischen" Endes zusammenfĂ€llt. Wenn also sĂ€mtliche am Prozess Beteiligten sĂ€mtliche von ihnen erwarteten oder erzwingbaren Einnahmen zediert haben, wobei diese Einnahmen in Form von Einzahlungen nach der Logik des Zeitablaufs zeitlich frĂŒher erfolgen mĂŒssen, als sie ihrerseits zu Auszahlungen werden können - also das eintritt, was jeden Konkurs auszeichnet:
Man erhĂ€lt zwar spĂ€ter (oder"irgendwann") Geld, ist es aber frĂŒher schuldig.
Es empfiehlt sich daher, auf unangenehme Ăberraschungen (das bekannte Kennzeichen jeder"Zahlungseinstellung") vorbereitet zu sein. Als wichtigsten Indikator fĂŒr schwierigeres Terrain ist die Zins-, alias Renditeentwicklung auszumachen. Egal, an welchem Ende angesetzt wird (beim 29er und 00er Crash waren es die ZB-SĂ€tze mit jeweils 6 % in den USA, 1987 die LanglĂ€ufer, die im Oktober mit 10 % daher gekommen sind).
Ob die Zins/Rendite-Entwicklung aktuell etwas Ungutes verheiĂt, wird sich weisen. Auf das Risiko des Hebels, da von"unten" kommend (0,1, 1 und 2 % ZB-SĂ€tze) wurde oft genug hingewiesen. [Dass"InflationsbekĂ€mpfung" zunĂ€chst"positiv" interpretiert werden kann, versteht sich von selbst, ebenso der Schnell-Kredit- und Schnellkauf-Mythos spielen eine Rolle].
Hot Spots: BoE, LanglĂ€ufer Japan, T-Bond-Renditen, Immo-Refis in GB, E, langsam anschwellend USA, auch Australien, die AuĂenhandels-Defizitfinanzierung der USA, allmĂ€hlich auch Chinas, restriktive Budget-Politiken insgesamt. Auch nicht ĂŒbersehen: Die in der Rezession herunter gefahrenen KapazitĂ€ten fĂŒhren zu EngpĂ€ssen (Rohstoffsektor). Und: Der Beginn von"Erholungsphasen" ist allemal delikat (LiquiditĂ€t,"new credits", usw.). Da kann manches stecken bleiben.
Seien wir dennoch besten Mutes und GemĂŒts und hoffen wir also auf ein möglichst langes"AufwĂ€rts ohne Ende". SchlieĂlich ist es doch viel schöner so als anders.
GruĂ!
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