-->.....Und schon wieder war es so eine furchtbare Nacht.........die gräßlichen Stunden der Finsternis wollten einfach nicht vorbeigehen, zogen sich hin wie ganze Tage......wie gerne würde sie 24 Stunden einfach nur wachbleiben, durcharbeiten, doch die Kräfte schwanden und ließen das natürlich nicht zu......sie mußte versuchen, etwas Ruhe zu finden......den Schlaf zuzulassen....doch damit kamen auch die Dämonen hervor, und eroberten ihre Ängste, ergriffen Besitz von ihrem Fühlen und Sein.....
Obwohl es im Zimmer warm genug sein müßte, das Thermometer zeigte 23 Grad, kroch die unheimliche Kälte am Rücken herauf bis zum Nacken, um dort wie ein eiskalter, eiserner Griff, gnadenlos zuzupacken, zuzudrücken, und auf einmal war sie wieder da, die schiere Panik, welche sich ihrer bemächtigte.
Über die unheimlichen Gefühle der Nacht kann man am Tage nicht diskutieren, weil sie da nicht existieren. Sie existieren nur nachts. Drängen sich machtvoll gegen alle Widerstände des Verstandes ins Innerste, um gleichsam zu explodieren, unaufhaltsam, sich in Panik zu entladen, das ganze Wesen zu erfüllen, und nur ein einziges Gefühl übrigzulassen, die vollkommene Ohnmacht.....
Fliehen......raus.... gleichzeitig ist da diese übermächtige Lähmung, die jede Bewegung verunmöglicht, nur das Atmen zuläßt, und die Erkenntnis, das Grauen naht heran, noch unsichtbar, aber man weiß, es ist da.......nein, sie wollte weg, nichts wie weg, doch sie war wie versteinert, wie Lots Weib, die zur Salzsäule erstarrte, als sie verbotenerweise über den Tellerrand blickte und unverhüllt das Volk Gottes sah.....
Dunkel und düster schien alles um sie herum. Neblig, sie konnte keine Formen erkennen, die unheimlichen Geräusche keiner Szenerie zuordnen.
Der schrille, hohe Ton, kam näher, es glich einem Quietschen, wie ein heißerer, gequälter Schrei von Metall. Zugleich knautschte es, wie Schritte in sumpfigem Untergrund, nein, wie ein Gehen auf Industriekleber, gleichsam fädenziehend, ja, jetzt konnte sie es erkennen, es war Gummi......es waren Gummireifen.........oh Gott, jemand näherte sich in einem Rollstuhl, kam näher, immer näher,.........sie erkannte jetzt auch Details der Räumlichkeiten, die hohe Halle, sie mag gut sechs Meter hoch oder noch höher gewesen sein......sie glich dem Foyer des typischen englischen Landhauses, wie es, nebelumwabert und von gespenstischer Atmosphäre, eiskalt, unheizbar, und feuchtigkeitsschwanger, in Filmen von Edgar Wallace die Gänsehaut auf den Rücken der Zuschauer zaubert.......nein, plötzlich änderte sich der ganze Eindruck und machte eher einer Zeichnung Platz, die Wände waren nun nicht mehr so hoch, der Raum wurde länglich, er schien an die fünfzig Meter lang zu werden, ähnlich einer Kathedrale, doch höchstens an die vier Meter hoch, hallend und leer........das Quietschen kam näher, und immer näher..............sie drehte sich um, und sah.....einen alten Mann mit unheimlich langer Nase, und klobiger Brille, der eine Decke über seine Knie gelegt hatte und von seinem kleinen Enkel mit ebenso großer Nase herumgeschoben wurde.....er sprach sie heiser an.....Du , sprach er, bist Du die Schwester hier vom Altenheim?.................... Puppe, willst Du mal meinen Seniorenstift sehen?
Der Enkel hatte einen kleinen blauen Hund dabei, den er Peppi nannte.........das durfte doch nicht wahr sein........sie kam sich vor wie im Zeichentrickfilm......es wäre ja lustig gewesen, wäre nicht dieses Grauen in der Luft gelegen....da kam sicher etwas nach, etwas überraschendes, entsetzliches, grauenvolles, nur.......was......?
Plötzlich riß sich der alte Sack die Gummimaske vom Gesicht........er packte die klobige, übergroße Nase, und zog sich die Tarnung vom Antlitz.......was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.......es kam ein glatzköpfiger, grauer Schädel zum Vorschein, der nur die Augen kontrastreich als Anhaltspunkte fixieren ließ, starre, eiskalte Augen, inmitten der dunkelgrauen Schädelumrisse......es mußte Fantomas sein.........
...nein, denn schon wieder änderte sich die Haltung des alten Mannes, die stattliche, gerade Haltung des Grauen Gigagauners wich einer gebückten, rückgratlosen Figur, und plötzlich nahmen die Gesichtszüge Form an, gnomenhafte, fratzenhafte Gesichtszüge, dämonisch und unheilgeladen, wie aus einer fremden Welt des dunklen Grauens geboren.......die personifizierte Verlogenheit, arrogante Auserwähltheit..elitäre Unberührbarkeit.......das Wissen, schamlos zu lügen.......und es dennoch ungeniert zu tun.......langsam formte sich auf diesem zwergenhaften Kopf so etwas wie eine Kopfbedeckung, es ähnelte erst einer Zipfelmütze, und fast ertappte sie sich beim Versuch, über die Szenerie zu lachen, weil sie fast an die Mainzelmännchen denken mußte, oder an die Schlümpfe, und den Vadder Abraham, doch nein, diese Szenerie war gewaltgeladen......als sich die rote Zipfelmütze schlagartig in einen grünen Stahlhelm verwandelte, und der Gnom ein Maschinengewehr hervorzog, auf sie anlegte, durchlud, und sicher gleich auf sie schließen würde.....oh Gott, was tun?
.....weg, nur weg...........sie hatte plötzlich wieder ihre Muskeln unter Kontrolle, und rannte, so schnell sie konnte, zunächst wie in Zeitlupe, später immer schneller werdend, vor dem Gnom davon.......alles war überhaupt wie in Zeitlupe, und es war vollends unwirklich, als sie links und rechts, ganz langsam, die Gewehrkugeln von hinten überholten.......ohne den Schußknall zu hören, alles war lautlos....aufs fast unendliche verlangsamt.......der Gnom schien ein schlechter Schütze zu sein, glücklicherweise........er feuerte noch immer Dauerfeuer, und lachte hysterisch, wie im Wahne, schrie und kreischte wild und unbeherrscht in ihrem Rücken.......wie Alberich oder eine ähnliche Ausgeburt der Unterwelt.....
....auf einmal war wieder alles still, sie war in einem anderen Raume angelangt, er schien grünlich zu sein, die Fenster ließen nur klägliches Licht des Mondscheins durch. Sie vermochte wieder nur schemenhafte Umrisse zu erkennen.......von draußen konnte man das unheimliche Rufen eines Waldkauzes vernehmen......aus der Ferne ertönte Hundegebell........oh je, es schien näherzukommen.......links schien so etwas wie eine Türe zu sein, sie ließ sich öffnen, dahinter lag ein Gang im Halbdunkel......
.....sie ging vorsichtig Schritt für Schritt voran........stets sichernd und auf jeden Angriff gefaßt......da, schnell näherten sich fremde Schritte.....die Schritte eines Mannes, kräftig und zielsicher, aber nicht wie die eines Soldaten, nein, eher federnd, kein Kruppstahl, sondern eher Gummi....biegsam...nicht geradlinig......plötzlich änderte sich der Gang und wurde zu einem Heranschleichen...einem Heranschweben.......ein sich annähern......des Räubers an die Beute.......unhörbar wie eine Schlange,....unfaßbar wie eine Fledermaus..........wie ein Vampir sich seinem Opfer nähern müßte........sie sah zuerst den Schatten, der durch die seitliche Türe in den Gang fiel....lange, dünne Finger mit langen Fingernägeln....Freddy Krüger?.....nein........Jack the Ripper?.....nein, es glich den Vampirfilmen.............Nosferatu?..........mit einem großen Satz stand er auf einmal vor ihr......und baute sich auf, schwang seinen Mantel, seinen Umgang mit Schwung nach hinten, und entblößte sein Gesicht.......sie sah ihn an.......oh, was für ein gräßlicher Anblick.........ein bleiches Gesicht, kreidebleich, totenbleich gar, die schmalen, etwas zugekniffenen Augen strahlten etwas verschlagenes aus, etwas linkisches, verunsichertes, dem man von Anfang an zu mißtrauen hatte, das sie an das Verhalten von Nagern erinnerte, wenn man sie in die Enge trieb, sichernd nach allen Seiten, immer entzweit zwischen Angriffsbereitschaft und Fluchtreflex..........dazu die spärliche, struppige Restbehaarung am Kopf, die abstehenden Ohren, die ganze Erscheinung hatte etwas gespenstisches......er setze ein widerwärtiges Grinsen auf, das es schaffte, die unvereinbaren Gefühle von Unsicherheit und Allmachtswahn zu vereinen.........was wollte er nur von ihr?
Wieder konnte sie sich aus der Erstarrung lösen, und zur Treppe rennen, die sie in Reichweite erkannte, den entsetzlichen Dämon hinter sich lassend.....wieder hörte sie hinter sich ein Quietschen, aber diesmal war es das Quietschen von Holz, oder einem Möbelscharnier, sicher war die Gestalt von soeben in ihrem Sarg verschwunden, um sich vor dem hereinbrechenden Tageslicht zu schützen......ob sie ihre Angst überwinden sollte und nachsehen? Ihn gar mit einem angespitzen Stuhlbein pfählen?
Ja, sie mußte es tun, denn es war ihr klar,, er würde wieder und wieder kommen, sie heimsuchen, zum Schrecken ihrer Nächte und zur Furcht ihrer Tage werden....
Sie näherte sich dem Sarg, den sie leicht fand, da sie nur dem süßlichen, modrigen Geruch nachgehen brauchte, den diese Gestalt aus dem Alptraumreich verströmte.............sie faßte all ihren Mut zusammen, betete zur volkseigenen Betriebskampfgruppe, und hob langsam den Deckel an.....er war nicht verriegelt.........wieder hörte sie das Quietschen von vorhin.........und erschrak erneut bis aufs Blut........
.......die Gestalt im Sarg hatte etwas affenähnliches angenommen, sie sah sie an, sah ihr direkt in die Augen, und wie ein kleines Schimpansenäffchen, das den Mund zu einem O formte, und leise uh-uh - Laute erklingen ließ, wurde diese Figur als ein guter Bekannter von ihr erkennbar...sie sah so harmlos aus......niemals würde man dieser Gestalt zutrauen, was sie kraft ihrer Amtsgewalt alles verbrochen hatte und verbrach, und verbrechen wird......wieder wurde sie Zeugin einer Metamorphose, der Vampir erhob sich aus seinem Nachtlager, seiner Zuflucht, und änderte sein Gesichtszüge.........die Haut verlor die primatenhaften Züge, und wurde länglich, reptiloid, schuppig, und bleich..........Otto?.....nein, nicht Otto, wer dachte noch an ihn, aber, wer würde ihr als nächstes gegenübertreten in diesem grauenhaften Alptraum? Sah sie für einen kurzen Moment das wahre, das fremde, das unmenschliche, das nichtmenschliche Innere, das wahre Ich des mächtigsten Mannes, dem sie je begegnet war?
Hm, was mochte als nächstes kommen, Sarg, modrig, Gruft, sie überlegte fieberhaft, versuchte, sich zu wissenschaftlich-distanzierter Analyse zu zwingen, hm, Lichtscheue, Totenreich, Friedhof, was paßte dazu......denk nach, streng Dich an.........
.....Schon wieder schien sich eine Kopfbedeckung auszustülpen, was war das nur? Was zunächst wie ein Deckel aussah, ein Unterteller am Hinterkopf, blähte sich auf wie ein Luftballon, wurd größer, immer größer, bis das Gebilde die Größe des greisenhaften Kopfes übertroffen hatte, nein, es war keine Zipfelmütze, sondern bekam oben eine Spitze, und währenddessen formten die Gesichtszüge erneut das Antlitz eines hageren Gnomes, mit dunklen Augenringen, etwas in die Höhlen zurückgefallenen Augen, und einem geradezu höllisch-teuflischen Grinsen, das angesichts der ausgestrahlten Dunkelheit kraß mit dem Weiß seines langen Kleides im Gegensatz stand......die Figur stand auf einen langen Stab gestützt, dessen oberes Ende eine verkrümmtes, geschundenes Wesen zeigte......gespenstisch und grauenvoll.........
.....Guten Morgen Leute, es ist 6.00 Uhr, und höllisch kalt draußen, aber nun mal raus aus den Federn, heute ist Murmeltiertag in Punxatonia.............
oh, N E I N, schon wieder........es nahm wohl nie ein Ende?
Sie hatte schon eine neue Frisur machen lassen, trug neue Farben, bemühte sich, den Photographen keine abscheulichen Paparazzi-Schnappschüsse mehr zu liefern, aber nach so einem alltäglichen Alptraum mit Paparazzo am Schluß, wie kann man da noch eine fröhliche Miene machen?
Grauenvoll.
Na ja, wieder ein neuer Tag im nicht enden wollenden Alptraum, täglich grüßt der Amtsalltag.........was würde sie darum geben, einfach wieder profan und bedeutungslos in Physikbüchern blättern zu dürfen, ohne vom allgegenwärtigen Grauen umgeben zu sein?
Sie nahm einen kräftigen Schluck vom Chanel No. 5, das am Nachttisch stand, und dachte nach, welcher Staat ihr wohl politisches Assühl anbieten könnte.......
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