-->WTO fordert von der Schweiz ein Millionengeschenk
Drohung mit Abwanderung aus Genf
Die Welthandelsorganisation gibt sich für den Bau eines neuen Gebäudekomplexes in Genf nicht mehr mit zinslosen Darlehen zufrieden. Sie erwartet vom Bund ein Geschenk in der Grössenordnung von 300 bis 400 Millionen und droht mit der Abwanderung aus der Schweiz.
WTO-Direktor Pascal Lamy will sich den Verbleib seiner Organisation in Genf einiges kosten lassen. (Bild ap)
rom. Bern, 1. Mai
Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey wird auch von Gegnern ihrer Aussenpolitik für ihr Engagement für das internationale Genf gelobt. «Was sie gut macht? Ihre Standortpolitik für Genf. Das macht sie wirklich gut», liess sich der Präsident der aussenpolitischen Kommission des Ständerats, der CVP-Mann Philipp Stähelin, in der NZZ (30. 12. 06) zitieren. Im gleichen Artikel versicherte die Vorsteherin des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), der Bundesrat werde alles unternehmen, damit die Welthandelsorganisation (WTO) nicht in eine andere Stadt umziehe. Anlass für diese Beteuerungen war die Ankündigung von WTO-Generaldirektor Pascal Lamy, er wolle ein neues Gebäude suchen, um alle Mitarbeiter unter einem Dach zu vereinen. Inzwischen haben sich diese Pläne konkretisiert. Offenbar plant die WTO einen 300 bis 400 Millionen Franken teuren Neubau und erwartet, dass er von der Schweiz finanziert wird. Ein solches Geschenk würde jedoch den Rahmen aller bisherigen Aufwendungen für internationale Organisationen sprengen. Normalerweise werden diesen zinslose Darlehen gewährt, die innerhalb von 50 Jahren zurückzuzahlen sind.
Kredit im Parlament sistiert
Ein solches Darlehen an die WTO hatte der Ständerat in der Frühlingssession 2006 einstimmig gutgeheissen. Es handelte sich damals um 60 Millionen Franken für einen Neubau, der einen Teil des Sekretariats, Begegnungszonen und Konferenzsäle umfassen sollte. Nach der Bewilligung des Kredits im Erstrat kündigte der neue WTO-Generaldirektor jedoch an, er wolle alle Mitarbeiter unter einem Dach unterbringen. Zurzeit beschäftigt die WTO in Genf rund 700 Personen. Über 100 Leute arbeiten in provisorischen Büros, da die bisherigen Lokalitäten des Centre William Rappard, wo die WTO seit 1995 untergebracht ist, nicht ausreichen. Zusätzlicher Raumbedarf zeichnet sich zudem durch die absehbare Erweiterung der WTO durch neue Mitgliedstaaten ab. Angesichts der revidierten Pläne der WTO-Spitze kam das 60-Millionen-Darlehen gar nicht in den Nationalrat - das Geschäft ist momentan im Parlament «eingefroren».
Ende November 2006 gab es im Gesamtbundesrat eine erste Aussprache über die Wünsche der WTO. Als eine mögliche Variante stand damals ein Kredit von 350 Millionen Franken zur Diskussion, der wie frühere Kredite als zinsloses Darlehen an die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (Fipoi), rückzahlbar innert 50 Jahren, gewährt werden sollte. Die Landesregierung wollte sich jedoch noch nicht festlegen und beauftragte Bundesrätin Calmy-Rey, in explorativen Gesprächen mit der WTO-Spitze die Bedürfnisse dieser wichtigen internationalen Organisation abzuklären und gestützt darauf dem Bundesrat ein Verhandlungsmandat vorzulegen.
Genf als Rom des Welthandels
Laut mehreren Quellen soll der WTO-Generaldirektor unmissverständlich klargemacht haben, dass er von der Schweiz ein «attraktives Angebot» für die Unterbringung der gesamten Belegschaft erwarte. Wenn dies in Genf nicht möglich sei, werde man sich halt in Singapur oder Hongkong umsehen. Inzwischen ist auch deutlich geworden, was Pascal Lamy unter einem attraktiven Angebot versteht: nämlich nicht ein zinsfreies Darlehen, sondern eine Schenkung. Das geht dem Vernehmen nach selbst der EDA-Vorsteherin zu weit.
Auch die Stadt Genf scheint nicht willens, über die Stränge zu hauen. Sie ist offenbar bereit, allenfalls das nötige Land abzugeben; die Finanzierung des neuen Gebäudekomplexes sei jedoch Sache des Bundes. Und so sucht man in Bern nach Wegen, damit die Kirche im Dorf beziehungsweise die WTO in Genf bleibt. Daran hat die Schweiz ein eminentes Interesse. Bundesrätin Calmy-Rey schwebt sogar vor, die Calvinstadt zum Kompetenzzentrum für Welthandel zu machen durch eine Vernetzung der WTO mit den Schweizer Universitäten. «In der WTO und in den Verhandlungsdelegationen ist ein enormes Fachwissen konzentriert. Das müsste auch die Universitäten in der Deutschschweiz interessieren», sagte sie zu Beginn ihres Bundespräsidiums gegenüber der NZZ
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