-->Trendwende am Immobilienmarkt? 10 Thesen fĂĽr 2008
Dr. Karsten Junius, Leiter Kapitalmarkt- und Immobilienresearch, DekaBank
These 1) Wir prognostizieren fĂĽr das Winterhalbjahr in den USA und Euroland eine
konjunkturelle Abschwächung, die jedoch nicht in einen längeren Abschwung übergeht.
Die temporäre Abschwächung hat ihren Ursprung in einer sehr schlechten Baukonjunktur
in den USA, der Verschlechterung der Investitionsbedingungen durch steigende
Risikoprämien sowie den Zinserhöhungen der großen Zentralbanken in den letzten
Jahren. Wir erwarten allerdings nur eine vorübergehende Abschwächung, da die
Konjunktur in den Schwellenländern und insbesondere den rohstoffexportierenden
Ländern auch nach der Kreditkrise robust bleibt und für ein hohes Grundtempo der
Weltwirtschaft sorgt. Insbesondere in Europa stĂĽtzt die Arbeitsmarktentwicklung die
Binnennachfrage. Die mittlerweile auf 7,4 % gefallene Arbeitslosenquote in Euroland
ist auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Statistik 1993. 2008 sollte die Beschäftigung
mit einem geringeren Tempo weiter zunehmen.
These 2) Aus dem Beschäftigtenwachstum ergibt sich eine stabile Nachfrage für Büroimmobilien
und dank eines vorsichtigeren Neubauvolumens als im letzten Zyklus
ein weiterer leichter RĂĽckgang der Leerstandsraten in Euroland.
These 3) Folglich erwarten wir eine moderate Zunahme der Spitzenmieten und keine
Trendwende an den Mietmärkten in Europa
Kehrseite des starken Arbeitsmarktes ist eine Lohn- und Inflationsentwicklung, die
wenig Spielraum für Zinssenkungen der Zentralbanken lässt. So prognostizieren wir
bis Ende 2008 konstante Leitzinsen in den USA und mindestens eine weitere Zinserhöhung
der EZB. Das Finanzierungsumfeld hatte sich aber bereits im 1. Halbjahr
2007 verschlechtert. Die Renditen von 10-jährigen Bundesanleihen lagen in der Spitze
um 80 Basispunkte höher als zu Jahresbeginn. Dies führte zu der Befürchtung,
dass auch die Renditen ansteigen könnten. Theoretisch und empirisch lässt sich zeigen,
dass dies nicht der Normalfall ist.
These 4) Ein zyklischer Anstieg der risikofreien Nominalzinsen sollte zu keinem Anstieg
der Anfangsrenditen von Immobilien fĂĽhren, solange er mit einem Anstieg der
Mieten bzw. Mietwachstumserwartungen einhergeht.
Dies ist genau das, was man im ersten Halbjahr und in den letzten Jahren beobachten
konnte: einen starken Mietanstieg in allen europäischen Standorten und möglicherweise
auch hohe Erwartungen bezĂĽglich des weiteren Mietwachstums. In der
Summe hat dies trotz steigender Zinsen zu einem RĂĽckgang der Rendite gefĂĽhrt.
Eine Auswirkung haben steigende Zinsen dennoch:
These 5) Steigende Zinsen fĂĽhren daher dazu, dass Fremdkapitalinvestitionen durch
Eigenkapitalinvestitionen verdrängt werden.
Größere Sorgen bereitet uns der inzwischen seit August anhaltende Anstieg der Risikoprämien
an den Geld- und Kreditmärkten. Höhere Risikoprämien am Rentenmarkt
gingen in der Vergangenheit mit geringeren Investitionen und Beschäftigungszuwächsen
einher. Dies begrenzt das Mietwachstum bzw. die Mietwachstumserwartungen.
These 6) Der Anstieg der Risikoprämien an den Finanzmärkten führt zu einem Anstieg
der Cap Rates bzw. Rückgang der Vervielfältiger auf den Immobilienmärkten.
Der Renditeanstieg wird das 4. Quartal 2007 und 2008 prägen. Dabei sollte die nach
wie vor hohe Nachfrage bzw. Liquidität den Anstieg der Risikoprämien an den meisten
Standorten allerdings mildern.
These 7) Wir erwarten zudem eine stärkere Ausdifferenzierung der Cap Rates:
Class-A-Lagen (Städte) dürften vom Renditeanstieg weniger betroffen sein als BLagen.
Auch bei der Branchenspezialisierung werden Unterschiede stärker zum Tragen
kommen. Im Unterschied zum Konjunkturabschwung nach der New-Economy-Blase
erwarten wir, dass sich High-Tech-Standorte in den nächsten Jahren überdurchschnittlich
entwickeln werden. Für die Beurteilung der Attraktivität eines Standortes
entscheidend sind für uns zunächst die Gesamtertragsprognosen, bei denen wir die
Erträge aus Mieteinkommen und Kapitalwertveränderungen zusammenrechnen.
These 8) Die Kombination leicht steigender Mieten und Renditen hat zur Folge, dass
wir für die nächsten Jahre deutlich geringere Gesamterträge prognostizieren, als in
den vergangenen Jahren möglich war. Spitzenreiter für die Jahre bis 2012 sind
Stockholm mit 5,9 %, Helsinki mit 4,8 % und Lyon mit 4,7 % p.a.
Dies sind idealisierte Markterträge. Die Portfolioerträge dürften aufgrund von Mietanpassungen
und dem Leerstandsabbau etwas höher liegen.
These 9) Eine negative Ertragsentwicklung erwarten wir dagegen in Madrid und London
City, da Ăśberangebot und Leerstandsanstiege mittelfristige zu MieteinbuĂźen fĂĽhren
sollten.
Beide Städte sind im Mietzyklus vorangeschritten und teuer, sodass sich Renditeanstiege
wegen der verlangsamten Mietwachstumserwartungen einstellen sollten.
Bei unseren Standortempfehlungen berücksichtigen wir zusätzlich zu den Ertragsperspektiven
das Risikoumfeld wie die Liquidität und Größe der Märkte sowie die historische
Volatilität der Gesamterträge.
These 10) Wir empfehlen Investitionen insbesondere in den ertragsreichen Standorten
Helsinki und Stockholm sowie den stabilen Standorten BrĂĽssel und dem Londoner
West End. In Deutschland empfehlen wir Hamburg, Frankfurt und MĂĽnchen, in
denen eine Verknappung an hochwertigem BĂĽroraum in zentralen Lagen zu weiteren
Mietanstiegen fĂĽhrt.
Die Renditen steigen in Deutschland moderater als im ĂĽbrigen Europa, da sie sich
erst spät dem niedrigen Niveau angepasst haben. Dies ermöglicht höhere Gesamterträge.
Vermeiden wĂĽrden wir aktuell Investitionen in Madrid, Berlin, Lissabon, Rom
und Barcelona.
Und zusammenfassend noch einmal unsere zwei Antworten auf die Eingangsfrage:
Trendwende an den Mietmärkten - nein; bei den Vervielfältigern an den
Investmentmärkten - ja!
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