Moin,
lĂ€ngerer aber interessanter Text fĂŒr die 'ADVA Lover' und Konsorten:
Auf die geschundene Wachstumsbörse rollt eine weitere Welle von AktienverkÀufen zu. Denn
bevor Manager und Beteiligungsgesellschaften demnĂ€chst ihre VerĂ€uĂerungen publik machen
mĂŒssen, suchen sie noch schnell und diskret Abnehmer.
Die Anbahnung des GeschĂ€fts spielt sich hinter verschlossenen TĂŒren ab. Nichts durchsickern
lassen, unauffĂ€llig die nötigen Kontakte knĂŒpfen, kurz ĂŒber die Konditionen feilschen - und
dann rasch und heimlich handeln.
Am Neuen Markt begeben sich in diesen Wochen viele VerkÀufer auf die Pirsch. Sie suchen
potente Investoren, die ihnen eine heiĂe Ware der besonderen Art abnehmen: Aktienpakete, die
auf der einen Seite dringend weg mĂŒssen, weil der Besitzer sonst kaum noch eine Chance
sieht, sie gĂŒnstig abzustoĂen. Und die auf der anderen Seite nicht an der Börse zu verkaufen
sind, weil groĂe StĂŒckzahlen bei vielen Titeln nicht ohne Kurssturz abgesetzt werden können.
âUmplatzierungen von Aktienpaketen nehmen stark zuâ, bestĂ€tigt Hendrik Wolff, Vorstand der
Stuttgarter Wolff & HÀcker Finanzconsulting. Vor allem VorstÀnde, AufsichtsrÀte und
Beteiligungsgesellschaften (Venture-Capital-Geber) wollen in den nÀchsten beiden Wochen
Anteile loswerden - zu fast jedem Preis.
Die Zeit drĂ€ngt, zwei neue Vorschriften treiben die GroĂaktionĂ€re am Neuen Markt zur Eile:
âą Vom MĂ€rz 2001 an mĂŒssen sie ihre AnteilsverkĂ€ufe nachtrĂ€glich veröffentlichen. ZusĂ€tzlich
muss jeder Vorstand und Aufsichtsrat in den Quartalsberichten und im Jahresabschluss
angeben, wie viele Aktien er aktuell hÀlt. Diese Regelung ist zwar immer noch wesentlich
lockerer als vergleichbare Vorschriften in den USA. Dort mĂŒssen Insider geplante VerkĂ€ufe
vorab melden. Am Neuen Markt hingegen können sie die Meldung bis zu drei Tage nach
Abschluss der Transaktion hinauszögern. Trotzdem fĂŒrchten VorstĂ€nde und AufsichtsrĂ€te die
neue Regel: Auf die auĂenstehenden AktionĂ€re macht es meist einen miserablen Eindruck,
wenn die besten Kenner des Unternehmens Aktien abgeben. Tenor: Wenn selbst die Manager
verkaufen, muss irgend etwas faul sein. Dann steigen auch die Privatanleger aus. So löst sich
bisweilen eine Kurslawine. Insbesondere wenn FĂŒhrungskrĂ€fte wie zuletzt bei Concept,
Sanochemia oder Metabox das Weite suchen, stehen möglicherweise Aktienpakete zur
Disposition. So hatten sich ehemalige Vorstandsmitglieder von DataDesign nach ihrem
Abschied aus dem Unternehmen schnell von ihren BestÀnden getrennt - Abnehmer waren
unter anderem Investmentfonds.
⹠Zudem bleibt von Januar 2002 an der Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen
Aktienpaketen nach einem Jahr nur noch dann steuerfrei, wenn der AktionÀr weniger als ein
Prozent am Unternehmen besitzt. Im Moment liegt die Grenze der steuerpflichtigen
âwesentlichen Beteiligungâ, wie es im Gesetz heiĂt, noch bei zehn Prozent. Dieses Problem
trifft nicht nur Unternehmer, sondern auch Privatleute, die sehr frĂŒh in
New-Economy-Unternehmen eingestiegen sind, zum Beispiel ĂŒber eine
Venture-Capital-Beteiligung. Auch sie versuchen nun mit allen Mitteln, ihren Anteil unter die
Ein-Prozent-Grenze zu drĂŒcken.
Ăberraschende EinbrĂŒche. Diese Verkaufswelle könnte in den kommenden Wochen fĂŒr
ĂŒberraschende EinbrĂŒche bei zahlreichen Werten am Neuen Markt sorgen. Den ohnehin
gebeutelten PrivataktionÀren drohen dann Kursverluste auch ohne Gewinnwarnungen ihres
Unternehmens und ohne schwache Tagesvorgaben vom US-Vorbild des Neuen Marktes, der
High-Tech-Börse Nasdaq.
Besonders begehrt bei den verkaufswilligen AltaktionÀren sind derzeit Fondsmanager, die
bereits Aktien der jeweiligen Gesellschaft im verwalteten Bestand haben. Nahezu tÀglich rufen
bei ihnen Broker an und bieten die Aufstockung ihrer Pakete an. âEs gibt massenhaft Anfragen.
Wir könnten Aktien haben ohne Endeâ, sagt der Manager eines Frankfurter Small-Cap-Fonds.
Die Broker rufen im Auftrag von GroĂaktionĂ€ren an, die ihre Pakete möglichst gerĂ€uschlos in
den Markt geben wollen. Als Makler dienen entweder Investmentbanker oder
Beteiligungsgesellschaften mit guten Kontakten zu Investmentfonds und strategischen
Investoren. AktienverkĂ€ufe ĂŒber die Börse sind angesichts schwacher UmsĂ€tze und der immer
noch miesen Stimmung am Neuen Markt kaum möglich. Der Crash der Technologiewerte und die
neuen Vorschriften werfen die PlĂ€ne vieler Unternehmer und Risikokapitalgeber ĂŒber den
Haufen. Sie wollten sich eigentlich nach Ende ihrer Sperrfristen Schritt fĂŒr Schritt von Anteilen
trennen. Das wird jetzt schwierig.
Um ĂŒberhaupt noch Fondsmanager fĂŒr gröĂere AnteilsbestĂ€nde zu erwĂ€rmen, rĂ€umen viele
AltaktionÀre den Interessenten Vorzugskonditionen ein. Denn die Fondsmanager sind aus
Erfahrung vorsichtig geworden und kalkulieren starke KursrĂŒckgĂ€nge ein. Rabatte von 30
Prozent und mehr auf den aktuellen Börsenkurs sind keine Seltenheit.
Abschlag ausgleichen. Freiwillig ausbooten lassen sich viele VorstÀnde allerdings nicht. Sie
sacken nicht nur die MillionenbetrÀge nach dem Verkauf ein, sondern profitieren auch von einer
möglichen positiven Entwicklung des Aktienkurses: âMeist werden mit der Verkaufstransaktion
Besserungsscheine ausgestelltâ, erlĂ€utert ein erfahrener Beteiligungsmanager. Diese Papiere
verpflichten die Fondsmanager gegenĂŒber den VorstĂ€nden, bei steigenden Kursen einen Teil
des vorherigen Abschlages auf das Aktienpaket auszugleichen.
Trotz Rabatten beiĂen die abgabewilligen AktionĂ€re bei vielen Fonds auf Granit. Börsianer
berichten, dass IPC Archtec, deren Lock-up-Periode Anfang MÀrz auslÀuft, Aktien platzieren
wollte. Jetzt scheinen die VorstÀnde aus der Not eine Tugend zu machen: In der vergangenen
Woche verkĂŒndeten die beiden AltaktionĂ€re Hermann Krassler und Christian Forstmaier, die
jeweils 32,5 Prozent der Anteile des Elektronikvermarkters halten, sie verlÀngerten ihre
Lock-up-Frist um ein Jahr bis zum MĂ€rz 2002.
Und auch das ist nur die halbe Wahrheit. Was nicht in der Ad-hoc-Mitteilung stand: Krassler
und Forstmaier halten weitere fĂŒnf Prozent des Unternehmens in einer âForstmaier-Krassler
GbRâ. Diese Anteile sind von der jetzt verkĂŒndeten Verkaufssperre ausgenommen. In einer
Umfrage der WirtschaftsWoche unter den Unternehmen des Neuen Markts beteuerte
IPC-Archtec-Finanzchef Reinhard Oppowa allerdings, dass keine Aktienplatzierungen geplant
seien.
Dieselbe Antwort gab auch ein Singulus-Sprecher. Auch bei diesem Unternehmen kursieren
GerĂŒchte ĂŒber eine bevorstehende Umplatzierung. Fragen nach bereits abgeschlossenen
Deals beantwortet Singulus kryptisch mit ânicht bekanntâ.
Verkauf zur Unzeit. Nicht alle Unternehmen am Neuen Markt haben die GeheimniskrÀmerei zum
GeschÀftsprinzip erhoben. Dazu besteht auch kein Grund: Weder PrivataktionÀre noch
Institutionelle verwehren den FirmengrĂŒndern das Recht, bisweilen Aktien abzustoĂen und so
die FrĂŒchte der Arbeit einzufahren - sofern der Umfang der Transaktionen keinem Ausverkauf
gleichkommt oder - wie bei EM.TV-Chef Thomas Haffa - gegen vorherige Zusicherungen
verstöĂt. Bei BĂ€urer etwa wollen AltaktionĂ€re 100000 bis 150000 Aktien verkaufen.
âVermögensdifferenzierungâ, sprich ein wenig Kasse machen, ist hier der Grund. Bei Das Werk
platzierte die Dresdner Bank im Oktober 2000 zwei AltaktionĂ€rstranchen ĂŒber 125000 Aktien an
Fondsgesellschaften um, ohne ein Kursdesaster auszulösen.
ADS System wiederum verhandelt gerade mit institutionellen Anlegern, die knapp zwei Prozent
des Kapitals ĂŒbernehmen sollen. So wollen drei ADS-AltaktionĂ€re Kredite ablösen, mit denen
sie eine Kapitalerhöhung finanziert hatten.
Ungewöhnlich offen beantwortete auch Helkon Media die Frage nach bevorstehenden Deals:
Zwei Millionen Aktien aus dem Besitz des tödlich verunglĂŒckten Vorstandschefs Werner
Koenig sollen bei Fonds platziert werden. Helkon hatte dies auch öffentlich angekĂŒndigt.
Da trifft es sich gut, dass Helkon bei einer Studie des SaarbrĂŒcker
Betriebswirtschaftsprofessor Karlheinz KĂŒting ĂŒber Berichterstattung von Medienunternehmen
als Sieger hervorging. Helkon nutzte die professorale Adelung ausgiebig als Werbeargument
fĂŒr die eigene Aktie. Dass der scheinbar unabhĂ€ngige Hochschullehrer von Helkon Honorare
fĂŒr die Beratung des Unternehmens kassiert, rĂŒckten die MĂŒnchner in ihrer Darstellung freilich
in den Hintergrund.
Auf der Hut sein sollten auch AktionÀre von GPC Biotech. Deren AltaktionÀre stoppten im
Dezember den geplanten Verkauf von zwei Millionen Aktien - angeblich war ihnen der Kurs zu
niedrig. Seitdem drĂŒckt der nur aufgeschobene Verkauf auf den Wert des Papiers.
Allerdings zeichnet sich eine verdÀchtige Lösung des Problems ab: Ende Januar
veröffentlichten die Investmentbanken Goldman Sachs und Merrill Lynch zum Teil euphorische
Kaufstudien. Das Muster âStudie, Platzierung, Absturzâ ist bekannt: Auch bei Dialog
Semiconductor kamen zunÀchst begeisterte Kaufstudien von Goldman Sachs und Morgan
Stanley (WirtschaftsWoche 17/2000) auf den Markt. Wenig spÀter startete die Umplatzierung.
Mit Gewinn abstoĂen. Der Kurs einer Aktie leidet nicht immer unter den
EigentĂŒmerverschiebungen. Gerade die Abgaben der Venture-Capital-Gesellschaften
(VC-Gesellschaften) toleriert der Markt. SchlieĂlich ist es deren Lebenszweck, sich vor dem
Börsengang an Unternehmen zu beteiligen und die Pakete nach erfolgreichem Start auf dem
Parkett mit Gewinn abzustoĂen. VC-Gesellschaften gelten daher von vorneherein als
Durchgangsstation fĂŒr Aktien. So verabschiedete sich bei Rösch Medizintechnik im
vergangenen Herbst die Equidyne Corporation von ihrem knapp 20-prozentigem Anteil, den die
Investmentbank Schroder Salomon Smith Barney bei groĂen institutionellen Fonds plazierte. Der
Rösch-Kurs litt nicht darunter. Auch beim Neuer-Markt-Highflyer Aixtron gab ein
Venture-Finanzierer 3,2 Millionen Aktien an Fonds weiter.
Nicht immer gelingt den VC-Gesellschaften der Ausstieg so mĂŒhelos. Wegen der unsicheren
Stimmung am Neuen Markt sollen die ersten Risikofinanzierer bereits ihr Vorgehen dramatisch
geÀndert haben: Statt die Aktien aus der Beteiligung zu verkaufen und die Gewinne an die
eigenen Gesellschafter und Anleger auszuschĂŒtten, haben sie denen die Aktien selbst ins
Depot gelegt. So soll jeder Anleger der VC-Gesellschaft die Papiere auf eigene Rechnung
verkaufen.
GerĂŒchte ĂŒber bevorstehende Anteilsabgaben machen auch bei den Internetagenturen ID
Media und Feedback die Runde. ID Media zog es vor, auf die Frage der WirtschaftsWoche nach
bevorstehenden Deals nicht zu antworten. Feedback verneinte eine laufende oder anstehende
Umplatzierung. Marktbeobachter spekulieren, dass die Unternehmen Aktien einsetzen, um
Beteiligungen zu erwerben oder Kooperationen zu untermauern.
Ăhnliches ist auch von Hunzinger Information zu erwarten: Vorstandschef Moritz Hunzinger
kĂŒndigt eine Umplatzierung mit dem Ziel âInternationalisierungâ an. Er geht sogar einen Schritt
weiter: âWenn es sich fĂŒr uns rechnet, ziehen wir uns vielleicht komplett von der Börse
zurĂŒck.â Vor 2002 sei das allerdings noch kein Thema. Seit einiger Zeit streut der PR-Profi,
dass er sich mit der britischen Agentur Chime Communications verbinden wolle.
Fusionen und Ăbernahmen. Umplatzierungen fĂŒr FirmenĂŒbernahmen, oft eingefĂ€delt von
Risikokapitalgebern, die noch aus der Zeit vor dem Börsengang auf dicken Beteiligungspaketen
sitzen, liegen im Trend. âWeil es am Neuen Markt nicht mehr lĂ€uft, konzentrieren sich viele auf
Fusionen und Ăbernahmenâ, hat Berater Wolff beobachtet.
Diese Transaktionen sind AktionÀren zwar leichter zu vermitteln als der plumpe Verkauf der
Aktien an Fonds oder gar in den Markt. Aber sie sind auch nicht ohne Risiko. Die Gefahr bleibt,
dass die neuen Anteilseigner ihre Aktien ohne RĂŒcksicht auf den Kurs und die öffentliche
Meinung auf den Markt werfen. Die AktionÀre von EM.TV können ein Lied davon singen: Die
VerkÀufer der EM.TV-Akquisitionen Formel 1 und Henson-Group trennten sich so rasch wie
möglich von ihren eingetauschten Aktien. So trugen sie zum dramatischen Kursverfall des
angeschlagenen Zeichentrickriesen bei.
Wenn die GroĂaktionĂ€re ihre Anteile weder bei Fonds noch zugekauften Tochterfirmen
loswerden, bleibt noch ein letzter Trick, um Aktien vor dem 1. MĂ€rz aus der Liste der eigenen
Anteile verschwinden zu lassen. Die Papiere werden einfach auf Ehegatten oder Kinder
ĂŒberschrieben. âWir werden in Zukunft aktienarme VorstĂ€nde und AufsichtsrĂ€te, aber
aktienreiche Ehefrauen und Kinder erlebenâ, spottet Cord Gebhardt von der Zulassungsstelle
der Deutschen Börse in Frankfurt.
Ungeschoren werden die meisten VerschiebekĂŒnstler trotz des Tricks nicht davonkommen. Im
Emissionsprospekt mussten alle Unternehmen den Anteilsbesitz ihrer GroĂaktionĂ€re
veröffentlichen. Wenn VorstÀnde auf einmal deutlich weniger Aktien halten als zum Zeitpunkt
der Emission, können sie sich auf unangenehme Fragen gefasst machen. âWer jetzt unter der
Hand Aktien an Verwandte verschiebt, muss damit rechnen, dass es publik wirdâ, heiĂt es
warnend vonseiten der Börse.
KAI PETER RATH/HAUKE REIMER/CHRISTOF SCHĂRMANN
GruĂ black elk
<center>
<HR>
</center> |