>Lieber Jürgen,
>bevor die Hektik morgen wieder losgeht, hier noch ein Thema bzw. eine Frage, die mich beschäftigt.
>Ich habe Deinen tollen Vortrag über die Fibonacci-Zahlen mit großem Interesse verfolgt. Vieles darin war für mich neu und überraschend und ich sehe die Welt jetzt wieder ein wenig mit anderen Augen. Leider war ja keine Zeit mehr für Diskussionen, deshalb hier noch eine Frage.
>Wachstumsprozesse finden in der Natur häufig in bestimmten Proportionen statt (goldener Schnitt), die den Fibonacci Zahlen entsprechen. Das Beispiel mit den Sonnenblumen war für mich besonders eindrucksvoll. Die Vermutung liegt nahe, dass sich diese Proportionen auch im menschlichen Verhalten widerspiegeln (Elliottwellen - Theorie) und sich so auch in den Kurven von Aktienkursen finden lassen.
>Was aber bestimmt das Wachstum in diesen Kurven, warum steigen diese Kurven ständig an??
Hi Reinhard,
Antwortversuch: Das mit den Aktien ist in der Neuzeit eine ziemlich frische Erfahrung. Es gab zwar AGs im auslaufenden MA, z.B. Bank St. Georg in Genua, Amberger Zinnhandelsgesellschaft u.a. (es gibt ein dreibändiges Werk dazu, das ich irgendwo hab, müsste aber nachschauen).
AGs wurden zunächst"lizenziert", sie erhielten eine charter (in angelsächsischem Recht) bzw. ein"Patent" (z.B. D, die älteste preuß. AG war eine Zuckersiederei in Königsberg, die vormals dem Staat gehörte und dann verhökert werden musset).
In den 1840er Jahren kam das preuß. AGesetz, das aus dem Verfahren, eine Ges. durch kgl."Octroy" zu gründen, fallen gelassen wurde und es AG-Gründungen auf Antrag gab.
In den USA setzen sich Ende des 18. Jhs die Trader in der Wall Street unter dem berühmten Bäumchen zusammen und handelten einen Handvoll Titel.
Und die großen niederländischen, englischen usw. Compagnien waren nur durch Octroy denkbar, denn sie erhielten zumeist das Monopol auf den Handel mit... Ähnlich war es im 18. Jh. in Spanien, wo ebenfalls AGs mit kgl. Patent (quasi Monopol) gegründet wurden.
Der Witz bei der AG ist ja die Beschränkung auf das eingezahlte Kapital, was ein absolutes Novum der Wigeschichte war, denn bis dato galt: Jeder Unternemer haftet voll bis zum letzten Knopf (wie OHG usw. heute).
Nun kam im 19. Jh. ein Phänomen über die Welt, das es bisdahin nicht gegeben hatte: das massive Bevölkerungswachstum (Lit. dazu u.a. Cipolla).
UND DAS IST m.E. das von Dir gesuchte WACHSTUM!
Es sind immer mehr Menschen geworden, von ein paar 100 Mio um 1800 bis über 6 Mrd. heute. Das bedeutet natürlich - nachdem die Beschränkung der Haftung vorgegeben war - eine massive Steigerung der geschäftlichen Aktivitäten. Und damit eben auch der AGs, ihrer Gründungen (in Schüben, z.B. stark in D die"Gründerwelle nach 1871 und der heutige IPO-Wahn, der auch D völlig überrollt hat).
Aus den AGs ergeben sich Kurse, und die verlaufen eben in Wellen, wie x-Mal dargelegt.
Anders: Gäbe es eine stagnierende Bevölkerung geht auch die Zahl der AGs eher zurück. Zumindest nach einer Übergangszeit. Und kehrten wir wieder zur Einzelhofwi zurück, wären AGs, Kurse und die EWA in diesem Punkte redundant.
>Man kann ja sicher nicht sagen, dass der psychische Druck, oder die Massenhysterie ständig zunimmt.
Zunächst Mal nehmen die Massen zu, wobei ich die TV-Gucker ebenso als Massen bezeichnen möchte wie die im Fussballstadion (da stimme ich mit Rumpelstilzchen nicht überein; es gibt m.E. auch kleine Massen, wie schon Le Bon feststellt, z.B. bildeten die Goldfreaks nach Saigers Vortrag subito eine kleine Masse, und es gibt Massen, die nicht physisch zusammenhängen müssen, sondern nur durch ein MEDIUM - eben TV usw.).
Die Hysterie ist zunächst Mal in uns angelegt, kennt jeder, und potenziert sich mit der Zahl, der einem event, das ein Massenphänomen sein oder werden kann, bei-wohnen (Wohnen eben auch vorm TV).
>Menschliches Verhalten kann wohl die Schwankungen erklären, aber das Wachstum??
Nicht der Verhalten erklärt das Wachstum, sondern die jeweiligen Umstände, so kam die Bevölkerungsvermehrung durch vieles zu Stande. Hygiene besser, Medizin besser, Aufhebung der Leibeigenschaft oder Grundherrschaft, freie Landnahme durch Aufhebung der Kirchengüter, usw.
>Auch eine zunehmende Zahl von Menschen, oder ein Wachstum der Produktion dürfte wohl nicht zur Erklärung taugen.
Doch es ist die zunehmende Zahl der Menschen, die wir wohl gewaltig unterschätzen. Damit zusammenhängend die Produktion. Kaum erscheint ein neues Produkt (Off-Roader) wollen ihn auf ein Mal viele haben. Die Werbung potenziert auch dieses Phänomen.
>Ist es nicht schlicht die Inflation, also die permanente Geldentwertung über die Zeit, welche die Kurven ständig wachsen lässt?
Die Inflation setzt Verschuldung voraus, wie alle modernen Geldsysteme. Und wenn die Zahl der verschuldungsbereiten und -willigen Menschen wächst, ist auch dies kein so großes Wunder. Und Inflation heisst ja immer: Schulden bzw."Geld" 8bzw. das was die Schulden mit Hilfe von Iteln nachgefragt haben), die nicht durch Erfüllungsdruck (= anschließendes BIP und ergo tendenzeill deflatorisch, da wieder mehr Waren & Dienste erscheinen) aus der Welt geschafft werden.
>Wenn man diesen Faktor aber herausrechnet, ist es kein Wachstumsprozess mehr. Sind Elliottwellen ohne Wachstum denkbar?
EWs setzen sicher"Massierungen" voraus, um besser beobachtet werden zu können, daher sich in Indices auch besser lesen lässt als in Einzelaktien.
Gruß
d.
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