>>Denn auch Warengeld fällt nicht vom Himmel (in Form von allgemein akzeptierten Zahlungsmitteln), sonder wird produziert. Daher kann es Warengeld immer erst geben, nachdem es Kreditgeld gegeben hat.<
>Hallo Dottore,
>wir sind angekommen. Warengeld fällt nicht vom Himmel. Warengeld besteht immer auch aus einer Ware. Am Beginn des Warengeldentstehungsprozesses ist diese Ware schon vorhanden und auch schon wertvoll, und zwar unabhängig davon, ob damit Güter bezahlt werden.
Das bestreite ich.
a) historisch: Wie kann eine Ware vor ihrer Produktion vorhanden sein? Noch dazu als"wertvoll"? Die Produktion von Edelmetallwaren ist sehr kompliziert und zeitaufwendig. Edelmetall selbst kommt in der Natur niemals so vor, dass man es gebrauchen könnte. Goldstaub muss geschmolzen werden. Nuggets könnte man sich als Schmuck umhängen, es wurde aber bisher kein antiker Nugget-Schmuck gefunden.
Bei Silber ist es in der Regel noch viel schwieriger (das Saigerverfahren wurde erst eingangs des 15. Jh. erfunden; wer sich Agricolas"De metallis" anschaut, sieht einen Haufen von Abbildungen, die den höchst komplizierten und ergo kostenaufwendigen Prozess der Herstellung der"Ware" Edelmetall zeigen; Agricola rekurriert auf antike Förderformen, ich habe mir das antike Bergwerk in Melle, Poitou angeschaut - es gab offenar so etwas wie im Rammelsberg, Goslar, also Silberförderung durch große Feuer im Bergwerk, um das silberhaltige Gestein zu"brechen").
Um Metall zu schmelzen und es anschließend zu bearbeiten, benötige ich außer den Bergwerken sehr gute Ã-fen. Dazu brauche ich Holz bzw. Holzkohle. Ganz Oman wurde abgeholzt (heute Wüste), um dort Kupfer zu gewinnen.
Ich glaube nicht, dass wir through the ages etwas Kapitalintensiveres finden werden als die Gewinnung von Edelmetall und zwar so, dass es"wertvoll", also verarbeitet (!) in Erscheinung treten konnte.
b) theoretich: Du schreibst: "und auch schon wertvoll, und zwar unabhängig davon, ob damit Güter bezahlt werden." Wie kann etwas einen"Wert" haben, wenn es keinen Preis hat? Wert mag eine subjektive Einschätzung sein, aber letztlich entscheidet der am Markt realisierte Preis über den Wert (als Sammler weiß ich das ganz genau).
Wenn es keine Güter gibt, die"schon bezahlt" wurden, kann es keine Preise für die Güter geben, zumal nicht bei vertretbaren Sachen. Und wenn es die nicht gibt, kann auch Edelmetall keinen Preis haben. Da aber Edelmetall - das ist der Kern der Edelmetall = Tauschmittel-Theorie - das Instrument gewesen sein soll, mit dessen Hilfe Preise entstanden sind, wie kann dann ein Preis für Edelmetall entstanden sein?
>Die Leute tragen z.B. Schmuck, und z.B. zum Protzen tragen sie u.a. besonders viel (so wie heute einer einen dicken Wagen fährt, wo es auch ein mittlerer täte).
Diesen Schmuck müssen sie - siehe oben (der Goldschmied kommt noch dazu!) - gekauft haben, aber womit? Mit Schmuck? Edelmetallchmuck ist so teuer wie ein Protzauto.
>Dieser Schmuck ist keineswegs wertlos, die Muscheln, die man am Strand findet, werden gerade eben nicht getragen, sondern die ganz seltenen, so wie heute einer echte Steine trägt.
Warum werden dann - siehe"Muschelgeld" - die"nicht ganz seltenen", also diejenigen, die es zu zehntausenden gibt als"Geld" verwendet? Sie werden nicht zur Schau getragen, können daher keinen Wert haben, zumal sie auch nicht sonst wie gezeigt oder ausgestellt werden (obwohl es auch"Warengeld" gibt, das nur gezeigt wird, die bekannten"großen Steine" auf Südseeinseln, aber da haben wir wieder ein Herstell- und Transportproblem und ergo ein Kapitalproblem). Ergo gilt für"Muschelgeld" just, was auch für die quipus gilt (siehe unten).
>Wichtig ist hierbei also, daß diese Ware aus kulturellen, soziologischen, posychologischen usw. Gründen für die Betreffenden sehr wertvoll ist. Ein Federschmuck, der als Brautpreis akzeptiert wird, kann ohne weiteres einer Ansparleistung von mehr als einem Jahrzehnt entsprechen. Das heißt, der arme junge Kerl muß dauernd in den Wald, einen bestimmten Vogel fangen und eine ganz bestimmte Feder rupfen.
Das ist absolut richtig. Dann haben wir es mit Trophäen zu tun (Indianer-Kopfschmuck, Leopardenfell-Umhänge usw.). Damit wird sozialer Rang dokumentiert (sogar mit durchlässigen Sozialstrukturen, also Auf- und Abstieg), aber es hat etwas mit Stammesgesellschaften (durchaus auch mit Feudalsystemen; z.B. der Schmuck der Perserkönige) und nichts mit einer Geldwirtschaft zu tun.
>Diese Federn werden also im Prinzip genauso erzeugt wie z.B. Schweinefleisch oder Boote oder sonstwas. Zwar gibt es auch in solchen Gesellschaften Kreditbeziehungen, aber der Schmuck wird nicht notwendigerweise vorfinanziert, sondern in Handarbeit gesammelt und erzeugt.
Edelmetallschmuck kann, da er nur arbeitsteilig her zu stellen ist! - niemand ist Bergmann, Schmelzer, Affineur, Händler, Goldschmied usw. in einer Person! nur in einer Kontraktwirtschaft vorstellbar sein, wobei ich gern auch Sonderformen der Abgabenwirtschaft (Feudalsysteme) akzeptiere. Es gab (und gibt) reine Stammesgesellschaften, aber Feudalgesellschaften waren immer ein Mix mit Kontraktwirtschaften. Auch der stärkste Feudalherr kann nicht alles per Abgabenzwang beschaffen, siehe wieder die gewiss starken Perser, die doch auch importierten und vor allem Soldaten (zur Sicherung und Expansion ihrer Imperien) gegen Kontrakt und damit Zahlungsverpflichtung unterhielten (Herodot, Thukydides).
>Wir haben also ein wertvolles Gut, das haltbar ist, und das weder zum Leben noch zum Wirtschaften unbedingt benötigt wird, meist Schmuck.
Das ja, mit den obigen Einschränkungen. Schmuck erfordert Arbeitsteilung in Form von Kontrakten.
>Und natürlich wird dieser Schmuck als Zahlung gerne von Verkäufern angenommen. Der Schmuck hält sich, er ist wertvoll, und der Verkäufer findet sehr wahrscheinlich wieder jemanden, der ihm den Schmuck abnimmt (z.B. ein anderer junger Mann, der besser im Bootefertigen als im Vogelsammeln ist). So ein Schmuckstück ist auch besser als ein kreditartiges Zahlungsversprechen.
Da die zur Schmuckherstellung erforderlichen Finanzierungen (Zeitüberbrückung muss finanziert werden) unbeschadet dieser von Dir beschrieben Tauschvorgängen fort bestehen, kannst Du sie nicht dadurch aus der Welt schaffen, dass Du sagst, weil ich Ware"Nahrung" gegen Ware"Schmuck" tausche (und das beliebig oft) ist die zur Ware Schmuck ursprünglich erforderliche Finanzierung im Verlaufe dieser Tauschvorgänge irgendwie"verschwunden".
>Das ist ein Schritt im Entstehungsprozeß nur von Warengeld. Er heißt Tausch.
Bei Warengeld (z.B. geprägte Münzen) kommen noch die Prägekosten dazu. In Rom gab es zeitweilig bis zu 70.000 Münzer. Wie wurden die bezahlt? Wenn Du sagst, mit den Münzen, die sie fabriziert haben, ist es wie mit dem Benzintransporter, der so lange fahren kann, bis er das Benzin, das er transportiert selbst aufgebraucht hat. Wozu fährt dann? (Ähnlich: Warum werden dann nicht alle, die Waren produzieren, mit just diesen Waren bezahlt; das gab's im englischen"Trucksystem", aber es hat nicht funktioniert, wie wir wissen).
>Merkmale sind also meist
>- vorher gegebene Werthaltigkeit (z.B. als Schmuck)
Betritten. Der Wert entsteht erst durch die Verarbeitung zu Schmuck.
>- nicht unbedingt zum Überleben nötig, aber zum sozialen Leben gewollt
Richtig. Aber damit könnten wir alles auf das Allernotwendigste zum Leben reduzieren. Wer braucht"soziale Hierarchien" und damit z.B."Könige"? Es geht natürlich in der real abgelaufenen Geschichte vieles durcheinander und vieles läuft parallel. Aber an dem Sukzessivzwang von"Kredit" (Finanzierung) und anschließender"Tilgung" führt kein Weg vorbei - egal wie bunt das Leben und Treiben zwischendurch gewesen sein mag.
>- Haltbarkeit
Eine Ware kann haltbar sei wie sie will. Ein Kredit aber hält immer (egal worauf er festgehalten wurde) bis zur Tilgung oder Streichung eben. Die Pyramiden gibt es heute noch, die zu ihrer Finanzierung benötigten Kredite aber sind per Bankrott verschwunden. Herodot berichtet über Cheops, dass er seine Tochter ins Bordell geschickt hat, damit sie die Schulden für seine Pyramide abarbeiten sollte.
In Ägypten wurden sogar Mumien beliehen. Damit waren Mumien kein"Geld", aber mit dem Kredit (worin auch immer ausgedrückt), den ich mit der Mumienbeleihung erhalten habe, konnte ich etwas kaufen! Ergo: Ich kaufe immer mit Kredit bzw. Kreditderivaten (Kredite selbst können auch beliehen werden, siehe Banking heute), aber mit"Geld" kaufe ich nur, indem ich den unterliegenden Kredit (!) zediere.
<font color="FF0000">Wenn ich einen Pullover für 100 Mark kaufe, dann zediere ich meine Forderung über die DM 100,- (die Gegenbuchung, wenn es eine Banknote ist, liegt bei der ZB bekanntlich als Schuldtitel!) und das war's. Damit ist zwar der Kaufakt erledigt, aber die ursprüngliche Schuld nicht!</font>
>- Hohe Wahrscheinlichkeit der Wiederveräußerungsmöglichkeit
Daher bei"Geld" die Sicherheit eines am ursprünglichen Schuldkontrakt unbeteiligten Dritten, die es"geltend", also"umlauffähig" macht. Die berühmte H/S-Theorie.
>- klein, wertvoll usw.
<font color="FF0000">"Kleine" Münzen gab es beim Start der Münzwirtschaft nicht! Daher auch Münzen kein"Tauscherleichterungsmittel" gewesen sein können. Und wenn es vor den Münzen kleine Edelmetallstückchen als"Geld" gegeben haben sollte (eben für den"Tausch"), warum wurde die dabei subsumierte Tauscherleichterung dann plötzlich zur einer Tauscherschwerung?</font>
>Und oft ist es deshalb Schmuck. Und deshalb stehen viele Warengeldarten erkennbar mit Schmuck in Zusammenhang.
Das sieht so aus, ja. Es gibt auch viele Leute, die Goldstücke um den Hals tragen, viele Münzen wurden"gehenkelt", was ihren Wert für Sammler empfindlich schmälert. Aber es ist mir noch nie jemand begenet, der ein Stück Silberpyrit (oder ähnliches) um den Hals getragen hat (über Platinschmuck müssen wir nicht erst reden; in Russland gab's im 19. Jh. aber sogar Platinmünzen).
>Nicht nur weil Gold selten ist, wurde es als Warengeld erwählt, sondern weil es vorher schon als wertvolle Zierde angesehen wurde. Der Wert des Goldes war vorher vorhanden! Auch z.B. bei den Inkas, die Gold nicht als Geld nutzten (soweit mir bekannt), es sehr wohl aber mit großem Aufwand aus dem Boden holten.
Sie haben Gold nicht als"Geld" genutzt, ja. Dafür hatten sie ihre Schnüre ("quipus"), auf denen sich leichter festhalten ließe, wer was"schuldig" war.
Dazu die EB:
quipu
also spelled QUIPO, an Incan accounting apparatus consisting of a long rope from which hung 48 secondary cords and various tertiary cords attached to the secondary ones. Knots were made in the cords to represent units, tens, and hundreds; and, in imperial accounting, the cords were differently coloured to designate the different concerns of government-- such as tribute, lands, economic productivity, ceremonies, and matters relating to war and peace. The quipus were created and maintained as historical records and were kept not only by high officials at the capital of Cuzco--judges, commanders, and important heads of extended families--but also by regional commanders and village headmen."
Geradezu klassisch für die Buchführung in einer Feudal- alias Kommandowirtschaft! Die Abgaben (Schulden) und anderes wurden so "accounted". Warum sollten die Inka-Nachfolger vergessen haben, dass es leichter ist, eine Schuld zu buchen (wodurch sie ja nicht verschwindet) und nach Zahlung einer (welcher ist egal) Ware wieder auszubuchen als zu sagen: Wir buchen erst, nachdem die Ware vorhanden ist. Der Witz beim Buchen ist doch, dass die Ware (Leistung) noch nicht vorhanden ist. Sonst müsste sie nicht gebucht werden.
>Wenn ein bestimmter Gegenstand sich bei zunehmendem Handel als Zahlungsmittel einbürgert, wird er standardisiert usw., bis er uns dann z.B. als Goldmünze entgegentritt.
Und womit wurde vor den Goldmünzen"bezahlt"? Bezahlen setzt immer einen offenen Kontrakt voraus, der durch das Bezahlen (= Vor-zählen) aus der Welt geschafft wird. Du kannst auch sagen"Vor-wiegen" - aber dann wurden Warenschulden mit just den Waren"bezahlt", die auf dem Konktrakt erschienen sind. Wo bleibt das"Geld"?
>Als die Tontafeln das Licht Babylons erblickten, gab es schon lange Silber als Bargeld.
Es gab Silber als Ware wie andere Waren auch. Das ist wirklich alles, was wir über Babylon derzeit sagen können.
<font color="FF0000">Und dass eine verliehene Ware bei der Ausleihe als"Ware" und bei der Rückgabe als"Geld" bezeichnet wird, ist ein Zirkelschluss.</font>
Gruß und sorry (hatte den Beitrag nicht gesehen).
d.
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