>Hallo Dottore,
>ich habe ein paar Texte von dir schon gelesen und es waren interessante GedankengÀnge.
>Wie wird sich deiner Meinung nach die Börsenlandschaft weiterentwickeln.
>Wenn der Dow Jones jetzt auch schon wankt und das Vertrauen in Aktien durch die neuen MĂ€rkte zerstört wurde, dĂŒrften eigentlich alle Weltbörsen abrutschen, Ă€hnlich wie 1998!
>Wie sieht dein Szenario fĂŒr die nĂ€chsten 2 Jahre aus.
>Danke und schönen GruĂ
Hi, Rab,
auch ich glaube, dass an einem weiteren Verfall der Kurse kein Weg vorbeifĂŒhrt. Als nĂ€chstes dĂŒrften die schweren Werte der"Old economy" ihre Talfahrt antreten. Es wird also grosso modo im Rest der Welt so ablaufen, wie es in Japan seit 1990 abgelaufen ist. Vermutlich heftiger, denn Japan hatte durch seine Exporte in die USA und nach Europa die Möglichkeit, sich noch ganz gut zu halten, was aber dann entfĂ€llt (nicht nur fĂŒr Japan), wenn auch die ĂŒbrigen Teilnehmer der Weltwirtschaft in eine Rezession abgleiten (USA mit allergröĂter Wahrscheinlichkeit, Europa mit zeitlicher Verzögerung auch).
Der entscheidende Punkt ist nun, ob sich Verbraucher und Investoren von der Baisse anstecken lassen.
Verbraucher: Ihr"Vertrauen", also die Lust, sich wie in der Vergangnheit zusĂ€tzlich zu verschulden, hat in den USA wie die Statistiken zeigen, einen starken DĂ€mpfer erhalten. Hinzu kommt der"negative wealth effect", d.h. es wird weniger leicht und schnell Geld ausgegen, zu Mal jenes Geld nicht, das nicht mehr ĂŒber Kredite auf Aktiendepots zu beschaffen ist. Auf diesen Effekt hat Greenspan schon laut und deutlich hingeweisen.
Investoren: Sie haben bei gesunkenen Aktienkursen weniger Möglichkeit, sich neues - zu Investitionen letztlich benötigtes - Kapital auf den KapitalmÀrkten zu beschaffen. Eine Kapitalerhöhung beim Kurs 100 ist etwas anderes als eine beim Kurs 50: Man kriegt einfach weniger Geld in die Kasse. Die Investoren weichen schon stark auf den Bond-Markt aus, siehe Telekommunikationsindustrie, siehe DaimlerChrysler, usw.
Aktien muss man nicht zurĂŒckzahlen, sie sind reines Risikokapital, Bonds dagegen schon, als klassische Verbindlichkeit. SchwĂ€cht sich die Wirtschaft weiter ab, beginnen sich die Bonds immer drĂŒckender fĂŒhlbar zu machen. Unternehmenskonkurse auf breiter Front sind nicht auszuschlieĂen (alles halt wie in Japan, nur zeitlich versetzt).
Hinzu kommen deflationĂ€re Trends, die sich immer stĂ€rker bemerkbar machen, auch wenn die Statistiken noch"Inflationsgefahren" signalisieren. Die Preis-Statistiken enhalten immer nur Angebotspreise, keine realisierten Preise und sie berĂŒcksichtigen nicht Sonderangebote, Aktionen, AusverkĂ€ufe und enthalten auch keine Aktienkurse oder Immobilienpreise, jedenfalls nicht nicht ĂŒberall.
Tendenziell werden also die bereits existierenden Verschuldungen real (also in gleichzeitig am Markt durchsetzbaren Preisen) immer"drĂŒckender". Das fĂŒhrt ĂŒber kurz oder lang zu PreiskĂ€mpfen der unschönsten Art. Was dann die Preise erst so richtig einbrechen lĂ€sst. Mit entsprechenden negativen Folgen fĂŒr die Börsen.
Die Staaten und Notenbanken sind nicht ohne Waffen. Die Staaten können Ankurbelungsprograme fahren (siehe z.B. USA mit neuen Steuersenkungen) und die Notenbanken könne ihre SĂ€tze weiter herunterfahren. Dies hat Japan auch versucht, aber es hat ĂŒberhaupt nichts genutzt, da die Verschuldung relativ zur"Wirtschaftskraft" schon zu groĂ gewesen ist und zusĂ€tzliche Verschuldungen - siehe die riesigen Staatsdefizite Tokios - nur dazu gefĂŒhrt haben, dass noch mehr Leute a) auf ihren Guthaben hocken geblieben sind (der sog. Selbstverrentungseffekt: man will nur noch von seinen Guthaben leben, und je mehr Staatsanleihen ausgegeben werden, umso mehr Guthaben sind unter den BĂŒrgern unterwegs). Und b) noch weniger neue Kredite aufgenommen wurden - dies vor allem, weil sich auch die BonitĂ€ten gerade der Kreditsuchenden, die das Geld dringend brauchen, immer weiter verschlechtert haben.
SchlieĂlich gibt es noch das Mittel, die alles entscheidenden Börsenkurse zu stabilisieren bzw. wieder in die Höhe zu bringen. Daran denkt nicht nur Japan aktuell ganz intensiv nach, sondern auch Greenspan, der als zusĂ€tzliche Ankaufsmöglichkeiten fĂŒr Titel, um dagegen neues Fed-Geld auszugeben, demnĂ€chst um Genehmigung nachsuchen will, bei Fannie Mae usw. liegende Jumbo-Hypotheken anzukaufen, was letztlich auf StĂŒtzung der Kurse hinauslĂ€uft. Möglicherweise geht die Fed auch selbst in den Aktienmarkt und zwar im groĂen Stil, ĂŒber ihren dafĂŒr zustĂ€ndigen Mann Peter Fisher wurde hier schon gepostet.
Auch die Notenbanken des Euro-Systems (tier-2) haben ausdrĂŒcklich die Möglichkeit, Aktien aufzukaufen. Das können alle möglichen Aktien sein.
Ob und in welcher Form dies geschieht, weiĂ ich nicht. Es kommt auch darauf an, ob die Aktien direkt in die Notenbank wandern können oder ob sie von einer Staats-Agentur aufgekauft werden, ein Modell, ĂŒber das Japan nachdenkt. Die Staats-Agentur mĂŒsste sich dann allerdings refinanzieren, was auf zusĂ€tzliche Staatsverschuldung hinauslĂ€uft. Auch Hongkong hatte ja Aktien zur MarktstĂŒtzung aufgekauft, allerdings war Hongkong damals staatsschuldenfrei.
Sollte jedoch die weltgesamtwirtschaftliche Ăberschuldung zu groĂ sein (die USA jedenfalls sind nach innen und auĂen sehr, sehr hoch verschuldet, siehe das neue Rekorddefizit der Handelsbilanz), ist dagegen letztlich nur das Kraut der bewuĂten Reflationierung bzw. Inflationierung (egal jetzt welcher MĂ€rkte inkl. Aktien und Immobilien) durch direktes Ziehen auf die Notenbanken möglich. D.h. die berĂŒhmten"nicht marktfĂ€higen" Titel werden (via SĂŒdscheine) in immer gröĂerem Umfang in der betreffenden Notenbankbilanz erscheinen, was aber nicht unbemerkt bleiben kann.
Dann geht es nach einer kĂŒrzeren Deflation oder kurzen deflationĂ€ren Tendenzen sofort zum Direktdruck von Notenbangeld ĂŒber, was - ausweislich der Geschichte und dem gesunden Menschenverstand gemÀà - immer in Richtung auf eine Hyperinflation abgeht. Auch das bleibt nicht unbemerkt, und die Menschen werden flugs ihre Konten rĂ€umen, um sich die Waren zu beschaffen, die ohnehin wenig spĂ€ter teurer werden. Was den Prozess rasch verstĂ€rkt.
Dass sich eine solche Inflation mit Hilfe von praktisch frisch gedrucktem Geld gegen kurzfristige Staatstitel ohne Umweg ĂŒber den Kapitalmarkt immer weiter beschleunigt ist auĂerdem klar. Denn der Staat muss seinerseits auch immer mehr Geld fĂŒr seine Nachfrage einsetzen bzw. um seine GehĂ€lter, Pensionen, Löhne, Renten usw. zu bezahlen. Und weiter wird (und muss) er versuchen direkt auf die Notenbanken zu ziehen.
Kurzum: Erst Abtauchen in eine Rezession in die USA, gleichzeitig immer weiter zurĂŒckgenommene"Wachstumsprognosen" in Euroland. Japan verschlechtert sich noch mehr.
Dann die groĂe Frage, in welcher Form Staaten und Notenbanken"dagegen steuern" werden, falls ĂŒberhaupt. Wenn nicht: Fortgang der Krsie bis hin zum Extrem der deflationĂ€ren Depression. Wenn doch: Anschauen, was sie machen und wie sie es begrĂŒnden und wie es konkret wirkt.
Diese BrĂŒcke können wir erst beurteilen, wenn wir an ihr angekommen sind. Jetzt sehen wir sie erst in groben Konturen.
Sorry, mehr kann ich z. Zt. nicht bieten. Und ĂŒber meine derzeit extrem defensive Anlagestrategie hatte ich schon gepostet. Ich kann es mir leider nicht leisten, jetzt groĂ rumzuzocken. Kommt ein groĂer Börsencrash, werde ich versuchen, anschlieĂend long zu gehen, um die Erholung zu traden. Kommt"nur" eine lange Baisse, werde ich versuchen, mit Calls dagegen zu halten. in langen Baissen gibt es immer"Spikes", also schnell kurzfristige AufwĂ€rtsbewegungen, alias Korrekturen.
FĂŒr solche Trades sind die Elliottwellen ideal. Und das ich voriges Jahr mit den EWs sehr gut verdient habe, hatte ich jeweils ganz konkret gepostet. Ich glaube auch, dass sich nach EWA in einer Baisse noch besser traden lĂ€sst als in der Hausse. Ist aber nur mein privates Feeeling.
Kommt es zur"Reflationierung/Inflationierung" werde ich ins Gold gehen. Schulden, um auch das zu sagen, habe ich - auĂer laufenden Verpflichtungen, die ich durch laufende EinkĂŒnfte abzudecken versuche, nicht.
Besten GruĂ
d.
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