Heute im Tagesanzeiger erschienen:
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Anleger kehren Aktien den Rücken
Zuschauen wie die Aktienkurse purzeln oder nie mehr Handel an der Börse, fragen sich viele Anleger.
Die Krisenstimmung an den Börsen zeigt Wirkung. Über ein Drittel der Schweizer Anlegerinnen und Anleger will in Zukunft nichts mehr von Aktien wissen.
Von Stefan Eiselin
Seis in New York, Tokio oder Zürich: Die Börsenkurse sausen derzeit überall in den Keller. Die Aktionärinnen und Aktionäre in der Schweiz lässt das offenbar alles andere als kalt. Nicht weniger als 29 Prozent von ihnen wollen sich in Zukunft ganz von der Börse fern halten. Sie planen, künftig weder in Aktien noch in Obligationen oder Optionen zu investieren. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage, welche der"Tages-Anzeiger" gemeinsam mit der Westschweizer Finanzzeitung"L'Agefi" durchgeführt hat.
Das Marktforschungsinstitut Link hat zwischen dem 12. und dem 23. Februar 2015 Personen in der Romandie und der Deutschschweiz telefonisch zum Thema Investieren befragt. Die Auswertung der dabei erhaltenen Antworten hat allgemein erstaunliche Resultate zum Befinden der Investoren zu Tage gefördert.
Ein Fünftel zögert
So hat sich gezeigt, dass insgesamt über ein Drittel der schweizerischen Anlegerschaft in Zukunft nichts mehr von Aktien wissen will. Denn neben den 29 Prozent Vollabstinenten planen sechs Prozent der Investoren zwar, weiterhin aktiv an der Börse zu bleiben. Sie verzichten aber auf Dividendenwerte und setzen lieber auf sichere Anlagen.
Auch der Anteil der Zögernden ist derzeit hoch. Ein knappes Fünftel der Aktienbesitzer will erst einmal abwarten, wie sich die Börsen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln. Erst dann entscheiden sie, wo und wie sie künftig investieren wollen. Daneben ist aber durchaus auch Zuversicht auszumachen: Insgesamt 40 Prozent der Investoren wollen weiterhin an der Börse mitmischen. 15 Prozent werden dabei jedoch weniger Geld einsetzen als bis anhin. 20 Prozent haben vor, genau so fortzufahren wie bis anhin. Und fünf Prozent der schweizerischen Anlegerschaft zeigen sich gar äusserst couragiert: Sie wollen künftig noch mehr Geld in Aktien stecken.
Vielleicht liegt der Optimismus von immerhin vier Zehnteln der Aktienbesitzer an den Investitionserfolgen aus dem letzten Jahr. Denn obwohl die Technologimärkte rasant abstürzten, die amerikanische Börse den Rückwärtsgang einlegte und der schweizerische Aktienmarkt sich nur durchschnittlich entwickelte, haben sich die hiesigen Investoren nämlich mehr als wacker geschlagen. Sechs Prozent der Privatinvestoren geben an, sie hätten im Jahr 2000 mit Aktien viel Geld gewonnen. 38 Prozent haben immerhin ein wenig zugelegt. Nur 17 Prozent der Interviewten sagen, ihr Aktienportefeuille habe sich im letzten Jahr negativ entwickelt (siehe Grafik).
Angesichts dieser ansehnlichen Resultate ist es denn auch nur logisch, dass das Vertrauen der Investorenschaft in die Anlageberater - 44 Prozent der Befragten nehmen beim Geldanlegen professionelle Hilfe in Anspruch (siehe Artikel unten links) - gleich gross geblieben ist. Nur ein Zehntel gibt an, ihr Glaube an die Fähigkeiten des Vermögensverwalters sei in letzter Zeit gesunken.
Genauso ist das Vertrauen in Aktien bei über drei Vierteln der Investoren grundsätzlich unverändert geblieben. Nur 15 Prozent geben an, es sei in letzter Zeit gesunken. Darüber, wie hoch das Vertrauen ursprünglich gewesen und wie hoch es heute ist, geben die Zahlen allerdings keine Auskunft. Der Vergleich mit den Angaben zur künftigen Börsenabstinenz lässt jedoch erahnen, dass rund 20 Prozent der Investoren bereits seit längerem skeptisch waren, sich aber erst jetzt entschlossen haben, dem Aktienmarkt den Rücken zu kehren.
Verlierer sind skeptischer
Deutlich mehr Vorbehalte haben Investoren, die erst seit einem oder zwei Jahren an der Börse aktiv sind. 23 Prozent von ihnen geben zu Protokoll, ihr Vertrauen in Aktien sei gesunken. Bei den langjährigen Investoren, die schon vor 1995 eingestiegen sind, sind es zum Vergleich nur zehn Prozent, im schweizerischen Durchschnitt lediglich 15 Prozent.
Weniger euphorisch als früher zeigen sich auch jene Leute, die im vergangenen Jahr Geld verloren haben. 28 Prozent von ihnen trauen Aktien nicht mehr so recht. Bei den Anlegern, die Gewinne erzielt haben, sind es dagegen nur neun Prozent.
Überraschend ist, dass 77 Prozent der Schweizer Anleger ein unverändertes Vertrauen in die Banken und ihre Analysten haben. Denn die Finanzinstitute kamen im vergangenen Jahr öfters ins Gerede, weil sie Firmen an die Börse gebracht hatten, deren Aktien danach innert kürzester Zeit massiv an Wert verloren haben. Die Analystengilde stand wiederholt im Kreuzfeuer, weil einige ihrer Vertreter mit ihren Aktienempfehlungen - vor allem für Titel von Internet- und Computerunternehmen - chronisch falsch gelegen sind und so die Anlegerschaft in die Irre geführt haben. Dennoch hat die Finanzbranche lediglich für 18 Prozent der helvetischen Investorinnen und Investoren an Vertrauen eingebüsst.
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