Prognose öffentlicher Banken: Kapitalmarktzinsen bewegen sich kurzfristig seitwärts
„EZB wird erwarteten Zinssenkungen der Fed nicht so schnell folgen“
HANDELSBLATT, 20.3.2001
cü FRANKFURT/M. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird sich noch Zeit lassen, bis sie die Zinsschraube lockert. Davon sind die Volkswirte und Analysten überzeugt, die gestern bei der „Zinsprognose-Pressekonferenz“ des Bundesverbands Ã-ffentlicher Banken (VÃ-B) ihre Vorhersagen für das kommende halbe Jahr erläuterten. „Die EZB hat zwar theoretisch einen Spielraum von 25 Basispunkten, doch der ist sinnlos, denn Konjunkturpolitik kann sie damit nicht machen“, meint etwa Heinz Grimm, Chefvolkswirt der Bankgesellschaft Berlin.
Noch weitere Schritte der US-Notenbank erwartet
Auch der Chefvolkswirt der Landesbank Hessen-Thüringen, Jürgen Schober, findet, die EZB hat „derzeit keinen Grund, um die Zinsen deutlich zu senken“. Mit deutlicheren Maßnahmen würde sich die EZB unglaubwürdig machen und dem Vorwurf des Aktionismus aussetzen, gibt Astrid Rohles, Volkswirtin beim VÃ-B zu bedenken.
Einigkeit herrscht ebenfalls darüber, dass die US-Notenbank Federal Reserve die Leitzinsen heute Zinssenkung um mindestens 0,50 Prozentpunkte verkünden wird. Auch daran, dass dies nicht der letzte Schritt der Fed in diesem Jahr sein werde, herrscht kein Zweifel. Die Fed müsse etwas tun, da die Konjunkturabschwächung in den USA bislang wesentlich stärker ausgefallen sei, als von „den Gurus, auch Greenspan“ erwartet worden sei, meint Tobias Schmidt, Leiter der Abteilung Makro-Research bei der Feri GmbH.
Von einer weniger dramatischen Abschwächung der US-Wirtschaft waren auch die Teilnehmer der VÃ-B-Zinsprognose im Herbst ausgegangen und haben deshalb mit ihren Vorhersagen deutlich daneben gelegen, wie sie einräumten.
Vier von fünf Experten der Veranstaltung gehen jetzt davon aus, dass die Wirtschaft in den USA ab dem dritten Quartal wieder deutlicher wachsen wird. Der Abbau der Lagerbestände, der Hauptauslöser für den Einbruch der US-Konjunktur gewesen sei, werde sich noch bis zum Juni fortsetzen, meint Heinz Grimm, der seine Prognose auf neuronale Netze stützt. Danach sollten die Lager jedoch wieder aufgefüllt werden, was ein höheres Wirtschaftswachstum nach sich ziehen werde.
Ganz anders sieht das Jürgen Küßner, der als selbstständiger Analyst die Finanzmärkte auf Grund der Elliot-Wellen-Theorie bewertet. Er meint, „die USA stehen am Beginn einer ausgewachsenen Depression“.
Die übrigen Teilnehmer der VÃ-B-Veranstaltung beziffern das Risiko, dass die USA keine weiche Landung der Konjunktur hinbekommen mit nur 20 bis 33 %. Sie gehen jedoch davon aus, dass die wieder anziehende US-Wirtschaft auch den Aktienmärkten erneut mehr Vertrauen einflößen wird. So dürfte die Unsicherheit an den Aktienmärkten nur kurzfristig die Kapitalmarktzinsen noch recht stabil halten. Für die nächsten zwei Monate sei im Prinzip eine „mehr oder wenige volatile Seitwärtsbewegung“ zu erwarten, meint Schmidt, der seinen Vorhersagen ein ökonometrisches Modell zu Grunde legt. Die Prognosen für die Rendite der marktbestimmenden zehnjährigen Bundesanleihe bis Mitte Mai reichen von 4,40 bis zu 4,90 % Bis Mitte September erwarten die meisten Experten dann etwas deutlich steigendere Kapitalmarktzinsen auf bis zu 5,10 %. Rholes erwartet mit 4,50 % allerdings eine leicht nachgebende Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe.
Eine Vorhersage für den Euro ist schwierig. Schober erwartet bis zum September einen Wechselkurs für den Euro von 0,85 US-Dollar. Die europäische Gemeinschaftswährung reagiere schon lange nicht mehr auf Konjunkturdifferenzen. Die anderen Experten sind etwas optimistischer und rechnen mit einem Euro von 0,95 bis 1,05 Dollar.
HANDELSBLATT, Dienstag, 20. März 2001
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