Noch'n Zitat (aus dem Zusammenhang genommen)
[i]... Das waren sechs schlimme Monate, die ich nicht aus meinem Dasein auslöschen kann! Sie brennen auf der Seele, wie die Buchstaben, die man dem Leibe einäzt. Oft hab' ich gedacht und damals ganz gewiß, was ich that, wäre nur ein Wagniß, kein Verbrechen. Wer hat denn den Staat berechtigt, sagte ich mir, den Werth der Dinge zu bestimmen? Wer hat ihm denn nach der sittlichen Ordnung der Dinge allein zugestanden, daß er lügen darf? Denn Lüge ist es doch, dem Papiere einen Nennwerth zu geben, dem nie eine Konventionelle Thatsache als Realisation zum Grunde liegt? Verstehen Sie, wovon ich rede, Louis?
O, sagte dieser mit lächelndem Schmerz und großer Aufregung, nur zu gut verstehe ich! Sie haben Das gethan, was der verzweifelnde Arbeiter jeden Tag thun möchte, wenn er das Werk seines Fleißes vor sich stehen sieht, es zur Ausstellung in einem Gewölbe trägt, wochen-, monate-, jahrelang wartet, bis es sich verwerthet! Sie haben Das gethan, was die Noth in verzweifelten Momenten hundertmal erfunden hat, wo man Stücke Papier nahm und darauf schrieb: Das sind fünf Sous! Diese nimmt der Bäcker und gibt mir Brot! Mag sie mein Schuldner einlösen!
O, mein Freund, unterbrach ihn Murray. Entweihen Sie nicht eine Frage der Armuth und der Arbeit mit meinem frivolen Beginnen! Ich habe Geld gemacht, nur weil ich es zu machen verstand! Wohl begreif' ich, wovon Sie sprechen. Wohl versteh' ich die Verzweiflung des Arbeiters, der einen Werth in Händen hat, den er durch seinen Fleiß erschuf und der den Ausdruck für diesen Werth erst bekommt, wenn das Werk verkauft wird. Auch ich sage, die Gesellschaft hat hier ein Recht der Selbsthülfe.
In der That, hat sie Das? fragte Louis begeistert.
Sie hat es, aber unter gesetzlichen Bedingungen! antwortete Murray. Geld ist Das, was gilt. Was kann, was soll mehr gelten als die Arbeit? Die Arbeit ist schon Geld. Die Arbeit, vollendet, ist sogleich Geld. Daß sie warten muß, bis sie durch Zufall Geld wird, ist der schaudervollste empörendste Mord der Menschheit, den leider täglich unsere Gesetzgeber verüben. Fluch der Gesellschaft, die das Geld nur zum Ausdruck des Bedürfnisses und der Fähigkeit, Bedürfnisse zu befriedigen, gemacht hat! Adam Smith hat den alten Glauben gestürzt, daß Geld Geld ist, das heißt Metall, Gold, Silber. Adam Smith hat das Geld als Waare verworfen und gesagt: Geld ist der Credit, das Tauschmittel des Verkehrs, die Abkürzung des Verkehrs, das Triebrad der Cirkulation. Aber dieser Grundsatz eines handeltreibenden Volkes mochte für das verflossene Jahrhundert ausreichen. Unser Jahrhundert soll sagen: Geld ist Arbeit. Nicht auf Bergwerke soll man Geld aufnehmen, sondern auf ein Magazin der Arbeit. Der Staat muß das Geld zum Ausdruck der moralischen Lebensthätigkeit und des Fleißes machen. Ehe wir nicht dahin kommen, ehe wir nicht frei werden von den Tyrannen, die das Geld immer und immer wieder zur Waare, zum sich aufhäufenden Nennwerth für Nichts machen, ehe wir nicht mit dem Geldmachen auch das Geldtilgen unter die Garantie des Staates stellen, eher hört auch das Elend der Menschheit, das Unrecht und der Fluch unsres Daseins nicht auf. [/i]
aus: Karl Ferdinand Gutzkow: Die Ritter vom Geiste / VII.2 - 3
Kurzbiographie
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