ZÜRICH, 25. April. Während die an Umsatzflaute leidenden Banken und Broker die zaghaften Ansätze für eine Stabilisierung der Aktienkurse sogleich zu Kaufempfehlungen zu nützen versuchen, registrieren die Anleihemärkte eher Verkäufe institutioneller Anleger. Diese beginnen mit steigenden Renditen im zweiten Halbjahr, vor allem in Amerika, zu rechnen, falls sich dort Anzeichen für eine Besserung der Konjunktur bemerkbar machen sollten. Deshalb heute: im Zweifel eher Aktien als Anleihen kaufen.
Für die These, daß die Verbraucherpreise in der Euro-Zone steigen, hat es in der ersten Wochenhälfte handfeste Beweise gegeben. Die Lebenshaltungskosten im deutschen Bundesland Brandenburg sind im April um 3,2 Prozent gestiegen, in Sachsen um 3,1 Prozent. Deutschland befindet sich plötzlich in"schlechter Gesellschaft" ausgerechnet mit Italien, wo die Inflationsrate auf 3,1 Prozent geklettert ist. In einigen kleineren Mitgliedsländern des europäischen Währungsraums hat die Geldentwertung sogar 4 Prozent im Jahresvergleich überschritten. Da löst es an den Finanzmärkten nur noch Kopfschütteln aus, wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) jetzt stereotyp Geldverbilligung von der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangt. Die Rechnung ist einfach.
Bei dem jetzigen Geldversorgungssatz der Banken von 4,75 Prozent und einer Durchschnittsinflationsrate im Euro-Raum, die zur Zeit bei 3 Prozent liegen dürfte,"verkauft" die EZB schon heute ihr Geld netto - nach Geldentwertung - zu 1,75 Prozent. Das ist wohl schon sträflich billig. Aufmerksam haben die Finanzmärkte eine sehr skeptische Einschätzung der amerikanischen Konjunktur von der Chefin des Hewlett-Packard-Konzerns, Carly Fiorina, registriert. Sie sagte in Neu-Delhi:"Die schlechte Wirtschaftslage wird sich in Amerika nicht vor 2002 verbessern, allenfalls wird es nicht mehr schlimmer." Die amerikanische Abkühlung, so fürchtet Hewlett-Packard, werde erst jetzt so richtig auf Europa übergreifen. Die Endverbraucher würden weniger Geld für Technologie ausgeben, weil sie mehr Geld für Benzin brauchten. Geradezu düstere Prognosen über die Benzinpreise kamen zur Wochenmitte aus Amerika. Der dortige Versorgungsengpaß für Benzin werde wegen der Raffinerieausfälle zu einem Tankstellenpreis bis über 2 Dollar je Gallone (3,79 Liter) führen. Jetzt kaufen die Amerikaner schon den Europäern den Sprit weg. Bis zum Sommer könnte 1 Liter Benzin in Deutschland, wenn nicht noch ein Wunder geschehe, gut 3 Mark kosten. Das sind Hiobsbotschaften, die die Händler am Finanzmarkt nur noch zum Galgenhumor animieren. Der sich"robust" gebende deutsche Kanzler Schröder beschwöre jeden Tag trotz sinkenden Verbrauchervertrauens eine anhaltend robuste Konjunktur.
Eines Tages werde er wohl, freundlich lächelnd, die Deutschen mit"robuster Inflation" zu trösten versuchen. Die Märkte lassen sich nicht täuschen. Am internationalen Anleihemarkt mehren sich die Ängste, daß vermehrt Industrieschuldner ihre Anleihezinsen nicht mehr zahlen können. So ist jetzt der Zins für den zwölfprozentigen Kupon des Viatel-Konzerns in Euro nicht gezahlt worden, wie Schweizer Banken berichten.
Im ersten Quartal hat sich die Zahl der weltweit in Verzug geratenen Anleihen auf 48 Unternehmenstitel mit einem Emissionsvolumen von 37 Milliarden Dollar gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Im ganzen Kalenderjahr 2000 gab es"nur" für 42 Milliarden Dollar Bonds-Pleiten. Dies als Warnung für europäische Investoren, Industrieanleihen, vor allem in Dollar, mit Superkupons kritiklos zu kaufen.
Die Aufmerksamkeit an den Bonds-Märkten richtet sich vermehrt auf den Schweizer Franken, nachdem auch viele Schweizer Banken in der Vergangenheit auf den Euro gesetzt hatten. Jetzt heißt es plötzlich, daß die Gefahr bestehe, der Euro könnte am Devisenmarkt noch schwächer werden, falls die Inflationsraten in Europa weiter steigen sollten. Wehe, wenn die EZB ihr Geld noch verbilligen würde! Das müßte wohl mit weiteren Kursverlusten des Euro bezahlt werden, natürlich auch zu Lasten der Euro-Bonds-Besitzer. Für die Schweiz hat die Credit Suisse am Mittwoch einen Rückgang der Franken-Inflationsrate unter 1 Prozent"noch im laufenden Jahr" vorausgesagt. Die Bruttozinsen für"sichere" Schweizer-Franken-Anleihen liegen jetzt bei 3,46 Prozent auf zehn Jahre.
Die Rendite deutscher Staatsanleihen in Euro: 4,81 Prozent für zehnjährige vor Inflation von 3 Prozent. Würde man noch für die nächste Zeit einen Wechselkursgewinn des Schweizer Franken gegen Euro hinzurechnen, so würde es sich auch aus deutscher Sicht derzeit eher lohnen, quellensteuerfreie Schweizer-Franken-Auslandsanleihen sicherer Emittenten bei Rentenanlagen zu bevorzugen.
HEINZ BRESTEL
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.04.2001, Nr. 97 / Seite 33
Tolle Aussichten!
mcmike
<ul> ~ Artikel FAZ</ul>
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