Artikel betrachtet die Sache mal von der Seite der Staatsschulden,besonders interessant der Abschnitt"die größte Steueroase der Welt".Wenn die Welt nicht mehr bereit ist ihr Geld in den USA anzulegen haben Sie noch ein Problem mehr:sinkende Steuereinnahmen aus der Kapitalertragssteuer.hier der Text:
Das Märchen von der Schuldenfreiheit:
Die USA - Kein Vorbild bei der Staatsentschuldung
Von Werner Rügemer
Seit 1998 geistert die Behauptung durch die Welt, die USA seien »schuldenfrei«. Weltweit wird die Haushaltspolitik der Clinton- Regierung als vorbildlich gepriesen. Das renommierte »Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung« (DIW, Berlin) bezeichnete im März 1999 die US-Haushaltspolitik als »überaus erfolgreich« (DIW-Wochenbericht 12/99). Die reichen Staaten der »westlichen Wertegemeinschaft« brauchen offensichtlich dringend irgendeinen Hoffnungsschimmer, um »beweisen« zu können, dass sie einerseits ungestraft auf neoliberale Weise weiterwirtschaften dürfen und gleichzeitig - im Unterschied zu bisher - dennoch aus ihrer dauerhaften Überschuldung herauskommen.
Zutreffend ist in der Tat, dass der Bundeshaushalt der USA nach offizieller Darstellung (*) 1998 zum ersten Mal einen Überschuss aufwies: Die Einnahmen betrugen 1857 Milliarden Dollar, die Ausgaben 1 782 Milliarden Dollar. Der Überschuss belief sich somit auf 75 Milliarden Dollar, der Staat musste also erstmalig nach langer Zeit keine zusätzlichen Kredite aufnehmen.
Die Tricks mit der Rentenversicherung
Nun wurde hier allerdings mit ein paar Tricks nachgeholfen, über die von DIW und anderen Lobhudelern geschwiegen wird. Der Überschuss, jedenfalls in dieser Höhe, kommt durch ein Rechenkunststück zustande. Die Regierung rechnet nämlich die hohen Überschüsse der Rentenversicherung in den Haushalt ein. Das ist unsauber, denn der Trustfonds hat mit dem Bundeshaushalt eigentlich gar nichts zu tun. Er kommt nicht durch Steuern oder andere staatliche Einnahmen zustande, sondern durch die Rentenbeiträge. Er gehört deshalb den Beitragszahlern und Rentnern und wird nur »zu guten Händen« von der Bundesregierung verwaltet.
Durch die Einbeziehung des Rentenhaushalts in den Bundeshaushalt werden die Rentner auch um wesentliche Erträge betrogen, die dadurch entständen, würden die Überschüsse verzinslich angelegt, wie das bei anderen Pensionskassen, etwa der Unternehmen, heute weltweit üblich ist. Durch die Einbeziehung der Rentenbeiträge in den Staatshaushalt erspart sich der US-Staat gleichzeitig die Zinsen für die Kredite, die er sonst aufnehmen müsste. Rechnet man nun aber - ohne diese Dimension der den Rentnern entgangenen und vom Staat einkassierten Zinsen - nur die aktuell fliessenden Beiträge der Rentenversicherung aus dem Staatshaushalt heraus, so schrumpft der Überschuss des Jahres 1998 im Bundeshaushalt von 75 Milliarden auf 15 Milliarden US-Dollar.
Aber immerhin, von einem Überschuss - wie gross oder klein auch immer - kann man in den reichen westlichen Industriestaaten sonst nur träumen, selbst in Japan und in den »Tigerstaaten«. Auch die EU-Mitgliedsstaaten sind, trotz rigoroser Sparmassnahmen, weiter kräftig im Minus. Sie müssen zu ihren Altschulden jedes Jahr zusätzlich neue Kredite aufnehmen. In Deutschland sind es im laufenden Jahr knapp 60 Milliarden DM - nur bezogen auf den Haushalt des Bundes, also die Haushalte der Bundesländer und der Kommunen noch nicht eingerechnet. Es gibt allerdings eine interessante Ausnahme: Luxemburg. Der Staat dieser Steuer- und Finanzoase erwirtschaftet, wie übrigens auch noch das winzige Fürstentum Liechtenstein, als einziger in Europa gegenwärtig einen Überschuss. So überraschend es klingt: In dieser Richtung ist auch ein Teil der »Lösung« zu suchen, die verschiedene US-Regierungen von Reagan bis Clinton für die Sanierung des Staatshaushalts gefunden haben.
Richtig ist, dass die Neuverschuldung des US-Bundeshaushalts von 290 Milliarden Dollar (1992) schrittweise auf Null zurückgeführt wurde und 1998 zum ersten Mal den genannten Überschuss von 15 Milliarden aufweist. Das wurde durch verschiedene Massnahmen erreicht:
- Einsparungen im Militärbereich. Die extrem hohen Ausgaben der Regierung Reagan von zeitweise knapp 300 Milliarden Dollar jährlich wurden auf jetzt 250 Milliarden Dollar gesenkt. Das geschah allerdings zum Teil auf Kosten der anderen NATO- Mitglieder, so im Golfkrieg und bei der Bombardierung Jugoslawiens,
- Einsparungen in ähnlicher Höhe wurden durch die rigorose Absenkung von Sozialleistungen erzielt. Sozialhilfe wird maximal nur noch fünf Jahre lang gezahlt, und zwar gerechnet auf die gesamte Lebensdauer des Anspruchsberechtigten. Der Anspruch auf Leistungen, auch etwa von Kindergeld, wurde daran gebunden, dass man eine Arbeit nachweisen kann, nach dem Prinzip »work first«. Dabei erfüllt schon eine Arbeit von wenigen Stunden pro Woche diese Voraussetzung und wird in der Statistik als Arbeitsplatz gezählt - eine Erfindung der Regierung Margaret Thatchers in England. Das weist Ähnlichkeiten mit dem Vorschlag des ehemaligen deutschen Kanzleramtsministers Bodo Hombach auf: Der Billiglohnsektor wird aufgewertet und staatlich mitorganisiert. Damit wird der Staatshaushalt saniert und gleichzeitig die Zahl der flexiblen »working poor« (sie haben Arbeit bzw. verschiedene Billigjobs, liegen aber mit dem Einkommen unter der Armutsgrenze) ausgeweitet,
- Die Privateinkommen, vor allem Löhne und Gehälter, wurden übermäßig zur Finanzierung des Staates herangezogen. Die reale Steuerbelastung der Individuen betrug im Jahre 1997 immerhin 35,2 Prozent. Das klingt nach weniger Steuerbelastung als in Deutschland, ist aber nicht so, weil in den USA die Abgaben für Kranken- und Rentenversicherung nicht mitgerechnet werden, z.T. ja auch gar nicht bezahlt werden. Die Unternehmens- und Gewinnsteuern von 1970 bis 1997 haben sich knapp versechsfacht, von 35 Milliarden auf 204 Milliarden Dollar, die Lohnsteuern aber stiegen im selben Zeitraum um das Fünfzehnfache, von 37 auf 528 Milliarden.
Des weiteren wurden die staatlichen Einnahmen durch die Erhöhung zahlreicher Gebühren für staatliche Dienstleistungen und durch drastische Sondersteuern (z.B. auf Zigaretten) erhöht. Eine gewisse Steigerung der Einnahmen wurde auch dadurch erreicht, dass die Steuerbehörden personell und technisch aufgestockt wurden, vor allem im Bereich der Unternehmensbesteuerung. Diese Maßnahme bleibt in den Erfolgsbotschaften wie des DIW allerdings meist unerwähnt.
Die USA als größte Steueroase der Welt
Eine starke Einnahmesteigerung - jährlich jeweils weit über zehn Prozent - war in den letzten Jahren bei der Kapitalgewinnsteuer zu verzeichnen. Das hat mit den niedrigen Kapitalsteuern in den USA zu tun - was nur scheinbar ein Widerspruch ist. In den 80er Jahren wurden durch die Reagan-Regierung die Kapitalgewinnsteuern beträchtlich abgesenkt, bei Privatpersonen auf 20 Prozent, bei den Unternehmen auf 35 Prozent. Dieser Steuersatz, insbesondere der für Privatpersonen, ist im Vergleich zu den anderen Industriestaaten konkurrenzlos niedrig. Das hatte folgenden Effekt: Die USA entwickelten sich zum international attraktivsten Markt für Vermögensanlagen.
Seit Anfang der 90er Jahre eröffneten Schweizer, deutsche, französische usw. Banken Tochterunternehmen in den USA und kauften US-Banken auf. Europäische Unternehmen gingen reihenweise an die New Yorker Börse, um vom riesigen Anlagepotential in den USA zu profitieren. Die Bürohochhäuser der amerikanischen Grossstädte, Einkaufszentren, Seniorenresidenzen in Florida und Kalifornien, Hotelketten u.ä. sind heute weitgehend im Besitz ausländischer Anleger, meist über Immobilienfonds, US-Aktienpakete, auch solche europäischer lnvestmentfonds und von begüterten Privatpersonen, sind in der Hand von Briefkastenfirmen, die von grossen Rechtsanwaltskanzleien in Washington, New York und Atlanta im Dutzend gegründet werden. Die Kapitalgewinne in den USA werden niedrig besteuert, aber die Masse macht`s.
Das ist das Prinzip der Finanz- und Steueroasen überhaupt. Die Steuern dort sind niedrig, aber durch die ungeheure Menge der angelegten Gelder kommen vergleichsweise hohe staatliche Einnahmen zusammen. Davon leben kleine Staaten wie Luxemburg, und davon leben inzwischen teilweise auch die USA. Durch die »Doppelbesteuerungsabkommen« mit den meisten großen Staaten, wie auch mit Deutschland, wird abgesichert, dass etwa deutsche Anleger zu Hause nicht noch einmal ihre US- Gewinne (höher) versteuern müssen.
Die Überschuldung der Privathaushalte
Ein Grund für die günstige Entwicklung der US-Wirtschaft und damit des US-Bundeshaushalts ist der nun schon mehrere Jahre anhaltende »wirtschaftliche Boom«, so heisst es jedenfalls offiziell, und so heisst es auch im genannten Wochenbericht des DIW. Wie genau dieser Boom allerdings aussieht, wird meist nicht gesagt. Er gründet sich auf verschiedene Faktoren: der Ausweitung des Rüstungsexports, dem Ausbau von Freihandelszonen und überhaupt dem staatlich massiv geförderten Export, gelegentlich auch »Handelskrieg« genannt. Der Hauptmotor des Booms ist der private Konsum. Daran hat der Staat durch die Erhöhung der Mehrwertsteuern mitkassiert, sie wurden im Zeitraum 1987 bis 1999 um mehr als das Doppelte erhöht, und hatten so Einnahmesteigerungen von 32 auf 72 Milliarden Dollar jährlich zur Folge.
Diese Entwicklung ist aber labiler und widersprüchlicher, als meist zugegeben wird. Während 1992 die Privathaushalte noch 285 Milliarden Dollar gespart haben, waren es 1997 weniger als die Hälfte, nämlich nur noch 121 Milliarden Dollar. 1997 waren die Privathaushalte mit 1,3 Billionen Dollar verschuldet, 1990 waren es noch 800 Milliarden Dollar gewesen. Gleichzeitig geht die Sparquote zurück, Sparkonten werden aufgelöst. Bemerkenswert ist, dass es oft die hohen Rechnungen von Krankenhäusern und Ärzten sind, die zur Zahlungsunfähigkeit oder zu neuer Kreditaufnahme führen. 40 Millionen Amerikaner sind überhaupt nicht krankenversichert, meist weil die Prämien zu hoch sind. Aber auch viele Versicherte müssen einen grossen Anteil der Behandlungskosten und Medikamente selbst bezahlen.
Die Zahl der »private bankruptcies« (Privatkonkurse) hat 1998 mit 1,4 Millionen eine Rekordhöhe erreicht - und entspricht dem Doppelten des Vorjahres. Nach einer Statistik des US Census Bureau (Statistisches Bundesamt) hat jeder dritte erwachsene US- Amerikaner seine privaten Finanzen nicht im Griff. 49 Millionen kommen regelmäßig mit ihren Zahlungen für Miete, Darlehen und Autokredite in Verzug. Es sind inzwischen nicht nur die Armen, die über ein Haushaltseinkommen von umgerechnet weniger als 30 000 Mark verfügen. Ihre Rechnungen konnten regelmäßig 12,2 Millionen Amerikaner nicht bezahlen, die ein Haushaltseinkommen bis 60 000 Mark haben, 5,2 Millionen mit einem Haushaltseinkommen von 90 000 Mark sowie drei Millionen, die mehr als 120 000 Mark im Jahr haben. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass die durch Überschuldung der Privathaushalte mitfinanzierte Konjunktur der letzten fünf Jahre weitere 20 Jahre anhält.
Weihnachtsfest für Unternehmenslobby
Ob das Haushaltsgebaren der Clinton-Regierung nachahmenswert ist und ob auf diesem Wege die Staatsverschuldung zurückgeführt werden kann, ist aus diesen Gründen zweifelhaft. Dazu kommen andere Faktoren, die der Sonderstellung des ökonomisch mächtigen Weltpolizisten USA geschuldet und in anderen Staaten nicht wiederholbar sind, so die Ausweitung des weltweiten Rüstungsexports, die Abwälzung von Militärkosten auf andere NATO-Mitglieder und die protektionistische Handelspolitik (Zölle auf Importe).
Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die US-Einzelstaaten eigene Haushalte haben. Diese spielen im zentralistischen Staat USA eine wesentlich geringere Rolle als etwa im föderalen Bundesstaat Deutschland. Immerhin aber betragen die Gesamtschulden der 50 US-Staaten zusammen 447 Milliarden Dollar (1996). Insbesondere wichtige Staaten wie New York, Kalifornien, Massachusetts und New Jersey sind hoch verschuldet. Diese Schulden werden zwar öffentlich kaum erwähnt, so auch im genannten DIW-Bericht nicht. Sie spielen aber für die Verschlechterung der örtlichen Versorgung der Bevölkerung mit Schulen, Kindergärten und Sozialeinrichtungen eine wichtige Rolle, ebenso für die Infrastruktur wie Strassen, Brücken und Krankenhäuser. Hier ist ein ähnlicher Effekt zu beobachten wie in Deutschland: Kürzungen von Sozialleistungen im Bundeshaushalt belasten Einzelstaaten und Kommunen, von dieser Belastung wird aber öffentlich kaum geredet.
Durch die jetzige Entwicklung ist die Alt-Verschuldung der Zentralregierung von 5,66 Billionen Dollar nicht aus der Weit geschafft, und sie würde nach den Haushaltsplänen der Regierung auch weiter anwachsen, im Jahre 2003 soll sie 6,06 Billionen Dollar betragen. Dafür müssen jährlich weiter Zinsen gezahlt werden, 363 Milliarden Dollar waren es im Jahre 1998. Das ist etwa ein Fünftel aller Steuereinnahmen und mehr, als für den Militärhaushalt ausgegeben wird. Um eine einfache Rechnung anzustellen: Wie lange würde es brauchen, um mit einem jährlichen Überschuss von 15 Milliarden Dollar die Gesamtschuld von 5,66 Billionen Dollar (bzw. 6,1 Billionen Dollar unter Einschluss der Schulden der Einzelstaaten) zurückzuzahlen? Ganz abgesehen von den unsozialen Folgen einer so weitergeführten Haushaltspolitik. »USA schuldenfrei« - ein Märchen.
Zudem verlangt ein Grossteil der Wirtschaftslobby, allen voran die gegenwärtige Oppositionspartei, dass künftige Überschüsse nicht darauf verwandt werden sollen, die Schulden abzuzahlen, sondern um Steuern zu senken. Gegenwärtig findet in Washington ein »Weihnachtsfest der Interessenvertreter« statt. Die Partei der Republikaner will die kommenden Überschüsse als Steuersenkung an ihre Klientel verteilen. Multinationale Konzerne und die einheimische Stahlindustrie, Energieversorger und Produzenten von Ã-l, Gas, Atomkraft, Eisenbahnunternehmen und die Holzbranche sollen beschenkt werden. Im Vorfeld der Haushaltsdebatte im September schrieb die Washington Post: Ein Verbandslobbyist, der bei dieser Steuerentlastung nichts für seine Klientel heraushole, müsse sich »die Kugel geben«. Die Republikaner widersprechen nicht etwa empört dem Vorwurf, die Steuersenkungen kämen vor allem dem Big Business und den Reichen zugute. Das sei richtig so und gerecht, sagen die Republikaner, denn wer Arbeitsplätze finanziere, müsse belohnt werden, unabhängig davon, wie reich er schon sei.
(*) Die Angaben zum Staatshaushalt der USA, zur Verschuldung der Privathaushalte usw. wurden vor allem dem Wall Street Journal Almanac 1999 sowie dem New York Times World Almanac and Book of Facts 1999 entnommen.
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