vwd exklusiv/Donges (SVR): Abwartende EZB-Politik ist richtig
Frankfurt/Köln (vwd) - Für den EZB-Rat, der am Donnerstag in Frankfurt
seine Geldpolitik mit dem seit Oktober unveränderten Leitzins von 4,75
Prozent routinemäßig überprüft, besteht zurzeit kein Grund, die Zinsen zu
senken. Das sagte Professor Juergen B. Donges, Vorsitzender des
Sachverständigenrates der Bundesregierung zur Begutachtung der
Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR), am Mittwoch in einem
exklusiv-Gespräch mit vwd*. Der EZB-Rat stehe nicht unter Handlungszwang, er
sei weiter gut beraten, die Entwicklung ruhig zu beobachten. Der
Wirtschaftswissenschaftler an der Universität zu Köln machte das deutlich:
Der EZB-Rat solle vorerst bei seiner Geldpolitik der ruhigen Hand bleiben
und die Dinge genau analysieren und nicht etwa deshalb, weil Institutionen
wie der Internationale Währungsfonds (IWF) meinten, sie müssten der EZB gute
Ratschläge erteilen, die Zinsen senken. Die EZB habe eine Strategie, so
Donges, mit zwei Pfeilern. Der erste Pfeiler mit der Geldmengenentwicklung
zeige eine Annäherung an den Referenzwert, auch wenn die neuesten Zahlen für
den Berichtsmonat März"nicht mehr so schön" gewesen seien. Aber beim
zweiten Pfeiler mit den Inflationsrisiken"können wir nicht Entwarnung
geben". Die Konjunkturrisiken müsse man nicht überdramatisieren.
Die Konjunktur in Euroland sei weiter aufwärts gerichtet, sie verlaufe,
wie seit Wochen erkennbar, abgeschwächt im Vergleich zu den ursprünglichen
Erwartungen, aber es bestehe kein Grund zur Dramatisierung oder gar für ein
"Rezessionsszenario". Der SVR-Vorsitzende geht davon aus, dass sich die
Konjunktur im Laufe des Jahres und im nächsten Jahr im Rahmen des
Potenzialwachstums entwickle, das im Euroraum mit rund 2-1/2 Prozent
anzunehmen sei. Das deutsche Wachstum werde darunter liegen:"Aber das ist
nicht neu, Deutschland ist Schlusslicht seit 1996. Wir sind in der Tat die
lahme Ente in Europa und nicht die Lokomotive."
Vor diesem Hintergrund sieht der SVR-Vorsitzende keinen Handlungsbedarf
für die EZB-Geldpolitik, wenn man davon ausgehe, dass die Konjunktur weiter
aufwärts gerichtet bleibt, wenn auch mit geringeren Wachstumsraten infolge
der weltwirtschaftlichen Einwirkungen. Zudem müsse man berücksichtigen, dass
Zinssenkungen erst zeitverzögert wirken, so dass diese sogar prozyklisch
wirken könnten, also wirken, wenn sie gar nicht mehr gebraucht werden.
"Davon abgesehen, ich persönlich habe ohnehin kein allzu großes Vertrauen
in die Möglichkeiten der Zinspolitik, die Konjunktur zusätzlich zu
stimulieren. Das ist wie mit einem Strick, man kann mit einem Strick nicht
schieben, oder wie Professor Schiller zu sagen pflegte, man kann die Pferde
zur Tränke führen, aber nicht zum Saufen zwingen. Wenn in Europa die
sonstigen Bedingungen in Europa nicht so sind, dass die Wirtschaft aus
eigener Kraft stärker wächst, dann sehe ich bei einer voreiligen Zinssenkung
eben auch die Risiken, dass man dann doch ungewollt wieder
Infaltionspotenzial aufbaut."
Es wäre falsch zu sagen, es gäbe im Euroraum keine Inflationsrisiken, so
Donges. Es gebe eine gewisse Beschleunigung beim Preisniveauanstieg - über
Benzinpreise etc - deutlich über die Stabilitätsnorm der EZB von zwei
Prozent Verbraucherpreisanstieg (HVPI).
Natürlich könne man sagen, das sei nur ein vorübergehender Effekt, aber
man könne auch nicht ausschließen, dass sich solche vorübergehenden
Entwicklungen in Rahmen von Tariflohnverhandlungen nicht doch verfestigen.
Aus der Sicht der Arbeitsnehmer sei die Ursache des Preisanstiegs nicht
entscheidend, für ihn sei entscheidend, dass sein Reallohn sinke und daraus
meine er eine Kompensation dafür ableiten zu dürfen."Und schon könnten wir
ganz schnell in eine unerwünschte Spirale hineingeraten, und das sollte
monetär nicht alimentiert werden", sagte Donges zur Begründung seiner
Überzeugung, dass die EZB aktuell die Zinsen nicht senken sollte.
<center>
<HR>
</center> |