Text aus -Die Welt Online-
Wenige Druckzeilen kosten Internet-Anleger 15 Milliarden Mark
Auch ohne konkrete Namensnennung rissen Wirtschaftsprüfer mit ihrer Negativ-Prognose eine ganze Branche in die Tiefe - New Economy
Von Holger Zschäpitz
Nur zwei Seiten bedrucktes Papier vernichten einen Wert von über 15 Mrd. DM. Was sich auf den ersten Blick anhört wie ein Redemanuskript von US-Notenbankchef Alan Greenspan, der vor einer"irrationalen Übertreibung" an den Weltbörsen warnt, ist in Wirklichkeit Folge einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PwC), die das Internet-Segment des Neuen Marktes unter die Lupe nahm.
Das Ergebnis, dass jedes siebte der 56 untersuchten Internet-Unternehmen am deutschen Wachstumssegment auf Grund von Liquiditätsproblemen in den kommenden Monaten vor dem Aus stehe, riss - obwohl keine konkreten Namen genannt wurden - den gesamten Sektor in die Tiefe und vernichtete damit über 15 Mrd. DM an Marktkapitalisierung.
Die Bombe, die im Internet-Sektor eingeschlagen hat, sucht man in der Studie vergebens. Unkte schon der Platow-Brief, dass die PwC-Arbeit ohne Namensnennung fast so unnütz wie ein Eimer Sand in der Wüste sei, liest sich das Werk eher wie eine allgemeine Untersuchung zu einem Untersegment des Neuen Marktes. So lernt der geneigte Leser, dass"das Internet... ein, wenn nicht gar der sich am schnellsten wandelnde, Geschäftsbereich weltweit" ist. Darüber hinaus liest man, dass der deutsche Geschäftskundenmarkt für den Internet-Zugang mit einem Volumen von rund 455 Mio. Euro als der größte europäische Internet-Markt gilt. Daneben zeigt sich die Studie sehr anlegernah."Internet ist nicht gleich Internet. Für Anleger bedeutet dies, sich vor Zeichnung oder Erwerb von Internet-Werten intensiv mit dem jeweiligen Unternehmen auseinander zu setzen und selektiv zu investieren." Spannend wird es in Kapital sechs, das die Liquiditätsrisiken behandelt.
Doch die Thematik, der eigentliche Auslöser für die Marktturbulenzen, wird gerade einmal auf zwei Seiten abgehandelt. Mittels des"Liquidity Risk Indicator" - die prognostizierte durchschnittliche Liquidität der einzelnen Geschäftsjahre wurde jeweils in das Verhältnis gesetzt zu den antizipierten operativen Ausgaben des jeweiligen Geschäftsjahres - filterten die PwC-Experten die gefährdeten Unternehmen heraus. Mehr als die oben stehende Definition und den altbekannten Sachverhalt, dass vor allem Online-Händler bedroht sind, wird jedoch nicht geliefert.
Wie ist also zu erklären, dass neben den kräftigen Kursverlusten auch das Postfach überquillt, weil Unternehmen beteuern, über genügend Geld zu verfügen. Man verbreitet exklusiv die Inhalte der Studie im"Spiegel" in einer ohnehin wackligen Börsenphase im Sommerloch. Über die Themensetzungsmacht des Nachrichtenmagazins stürzen sich dann sämtliche Medien darauf, die versuchen, über eigene Todeslisten Ross und Reiter zu nennen.
Das Ärgerliche ist nur, dass auch gute Unternehmen mit in den Strudel gezogen werden und reale Schäden entstehen können."Wir wollten eigentlich nur Anregungen geben, wie man im Internet-Sektor investiert und waren vom Rummel selbst überrascht", heißt es von PwC. Man hätte auch schreiben können: Wachstumsunternehmen brauchen Geld. Anleger, die ihnen Mittel zur Verfügung stellen, sollten sich bewusst sein, dass Internet-Aktien keine Witwen- und Waisenpapiere sind, mit denen sich das Alter finanzieren lässt. Aber das hätte man nicht im"Spiegel" platzieren können.
PS: Schuld ist also nicht die extreme Überbewertung der New Economy, sondern PwC mit ihrem Bericht. Schau mal an.
mfg
Freddy
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