<center>[img][/img] </center>
Lieber Tassie Devil,
du hast am 17. Mai 2001 17:48:18 gefragt:
>>Aber, und das ist das wichtigste, ich maße mir an, zu verstehen, WARUM >>>Menschen arbeiten & wirtschaften<<.
>Ok, Harald,
dann lass uns bitte an Deinem Verstaendnis teilhaben und erklaere uns hier im Board, WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften.
Freundlichst
Tassie Devil<
WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften?
Einer der Beweggründe, den dottore uns immer wieder gebetsmühlenhaft erklärt hat, mag ja durchaus sein, dass Menschen sich unter einem meist selbstgewählten Schuldendruck befinden. OK.
Jedoch die christliche Erbsünde, von dottore auch gern Urschuld genannt, in neuerer Zeit von deutschen Politikern gern der deutsche Generationenvertrag genannt, sie alle haben abgedankt.
Obwohl viel gerühmt, ist er, der Generationenvertrag nur eine Wunschvorstellung in politischen Hirnen, denn er bedingt, daß alle Deutschen mit einer Erbschuld an die staatliche Rentenversicherung bereits geboren sind. Das ist nach dem Zeitalter der Aufklärung nicht nur ein Unding, sondern blanker Unsinn. Die Begriffe Erbsünde, Erbschuld entstammen der christlichen Heilslehre, vorgeblich als Gottes Strafe für die Ursünde Adams und Evas (Ungehorsam gegen Gott), und somit sei die Erbsünde ein in der Folge von allen Menschen ererbter Zustand. Er hat bei christlichen Theologen schon seit längerer Zeit ausgedient, weil einerseits der durch Zeugung und Geburt vermittelte Vorgang des Schulden-Erbens als ein unangemessenes Bild empfunden wird, andererseits die Gefahr besteht, daß durch den Begriff Erbschuld die persönliche Verantwortung auch für das Böse relativiert werden kann. Wir wollen deshalb die Erbschuld nicht mehr durch die Hintertür der Rentenpolitik wieder hereinlassen. Wer erfüllt denn meinen Rentenanspruch, wenn nicht mehr ausreichend deutsche Kinder geboren werden? Oder wenn nichtintegrierte Einwandererkinder es einfach ablehnen, ethnische Deutsche im Alter zu unterhalten?
Diese Wunschvorstellung geht aber auch davon aus, dass alle Menschen nach Begriffen Kant’scher Ethik leben (kategorischer Imperativ), ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha...
Denn eine ethische Verhaltensweise im Kantschen Sinne zeigt derjenige, der aus eigenem Antrieb seine Pflicht erfüllt.
Die protestantische Ethik in ihrer stärksten materiellen Ausprägung, der calvinistischen Ethik nämlich, ist auch ohne Kant ausgekommen. Die drei vorgenannten ethischen Haltungsweisen kommen alle nach meinem Dafürhalten ohne einen „Schuldendruck“ aus, ganz im Gegenteil, viele unserer Altvorderen fanden es sehr schwer, Geld auszugeben, das noch gar nicht verdient war.
So wirtschaften denn die meisten Erfolgreichen um die Macht.
Meine ich jedenfalls.
WAS IST NUN MACHT?
Wenn man unter Macht oder Herrschaft die Unterordnung eines einzelnen (oder einer Gruppe) unter eines anderen Willen auch ohne Zustimmung versteht, stellt sich die Frage, ob es dann legitim sei, diese Macht innerhalb einer Gesellschaft auch gegen Widerstreben durchzusetzen? Der Anarchist würde die Frage verneinen und der Libertäre gewiß auch.
Die Grundlagen der Macht sind fast immer real und auch greifbar; etwa physische Überlegenheit, Wissensvorsprung, höhere Informiertheit, überlegene Organisationsfähigkeit, höhere Effizienz, psychische Überlegenheit (Durchsetzungsvermögen), Streitlust, aber auch Charismaglaube, Hunger, Angst und Mangel jeglicher Art bei den Unterworfenen. Minderwertigkeitsgefühle des Einzelnen sind selten die Grundlage zur Macht, sie werden in der Gruppe durch eine besondere Gruppendynamik kompensiert und unter Umständen ins Gegenteil verkehrt. Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen spüren das und werden deshalb leicht zu Gruppen hingezogen.
Die Einwirkungsmöglichkeiten eines mächtigen Menschen auf andere reichen von der Verlockung über den Betrug bis zum physischen Zwang. Heute im sogenannten aufgeklärten"Westen" manifestiert sich im wesentlichen die Macht als venezianische Macht. Darunter verstehen wir die Macht des Geldes, die aber in Deutschland und Europa abgesichert ist durch Wasserwerfer und Feuerwaffen in der Hand von weisungsgebundenen Beamten.
Altmodische Machtmittel, wie etwa Androhungen von Hölle und Fegefeuer oder der Psychoterror sozialistischer Regime in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts mit Einweisungen in Konzentrationslager und Nervenheilanstalten, sind heute nicht mehr üblich, da sie als nicht mehr legitim angesehen werden. Aber auch deshalb, weil sie in hochaufgeklärten Gesellschaften weitestgehend ineffizient geworden sind.
Jede Gruppe oder jede Person, die dauerhaft Macht ausüben will, braucht nämlich dazu eine Legitimation und Rechtfertigung, denn da sich oft Widerstandsverhalten regt, führt die Durchsetzung der Macht oft zu Gewalt der Unterworfenen und zu Gegengewalt.
EINIGE BEOBACHTUNGEN ZUR MACHT:
Der Wille zur Macht ist nicht gleich stark ausgeprägt bei allen Menschen.
Allein das Vorhandensein von Macht beweist, daß es zweierlei Menschen gibt, Herrschende und die von ihnen Beherrschten, die Masse.
Die ersteren, Politiker und Manager, suchen zielstrebig nach Macht wie Raubtiere nach ihrer Beute, das mag durchaus unbewußt geschehen.
WARUM SUCHT MAN MACHT?
Wahrscheinlich sucht man eine rauschhafte Lust der Einwirkung auf eine größere Anzahl von Menschen. Es scheint die Stärke des Lustgewinns abhängig zu sein von Anzahl und der Bereitwilligkeit der Beherrschten. Deshalb will man ein noch größerer Konzernherr sein, ein noch berühmterer Politiker. Machterwerb heißt Beute zu machen und zu verhindern selbst zur Beute zu werden, denn Konkurrenten sind immer vorhanden.
Die Konkurrenz der Machthungrigen bringt die Starken und Listigen, die Aggressiven und Gerissenen nach oben. Sie läßt die Sanfteren und Weiseren zur Beute werden. FÄLLE FREIWILLIGEN MACHTVERZICHTS SIND UNBEKANNT.
Vordergründig gesehen sind heute in Europa die Machtverhältnisse durch Recht, Gesetz, Verfassung und öffentliche Kontrolle in weitestgehend anerkannte Herrschaft überführt worden.
Die tatsächlichen Machtverhältnisse sind jedoch meistens unergründbar, fast immer unkenntlich, da sehr oft sorgfältig verschleiert. Man stellt die Macht nicht mehr mit Prunk und Pomp zur Schau. Nur eines steht fest: Das Volk ist entmachtet, und der Deutsche Bundestag ist zu einer reinen Deklamationsbühne für Demagogen verkommen.
Macht kann man nur in und über Gruppen ausüben.
Gruppen können nur reibungslos und effizient funktionieren, wenn Macht ausgeübt wird.
Wenn Machtbildung in Gruppen unterbleibt, degenerieren sie in Leerlauf und innerer Reibung, sie werden dann leicht zur Beute von anderen konkurrierenden Gruppen.
Die Machtausübung erfordert viele Mitglieder und wenige Machthaber.
Der Machthaber kann und will kein Glied der Gruppe sein, er will darüberstehen, will herrschen.
Menschen haben jedoch ein elementares Bedürfnis nach Freiheit, zumindest versuchen sie nötigenden Zwängen sich zu entziehen. Dieser Freiheitsdrang steht scheinbar in Widerspruch zum sich Hingezogen-Fühlen nach Gruppen. Unsere Vorfahren hatten sich in Horden zusammengefunden, weil in der Gemeinschaft die Kräfte der einzelnen gebündelt wurden und sich instinktive Ängste auflösten. Als Einzelgänger hatte das Individuum praktisch keinerlei Chance zu überleben; von der Gruppe verstoßen zu werden, war das Todesurteil. Der einzelne mußte also seine Freiheit den Bedürfnissen der Horde unterordnen, um zu überleben. Das erklärt genetisch das Hingezogensein zu Gruppen.
Was lernen wir daraus durch Nachdenken?
Es gibt keine Freiheit ohne Macht.
Waffen sind Macht.
Erwachsene schweizer Männer haben Schnellfeuergewehre mit Munition im Kleidersachrank stehen.
Deswegen herrscht in der Schweiz das Volk.
Wennste also bis hierher gelesen hast, Tassie, dann biste zwar um vieles schlauer geworden, weißte aber vermutlich immer noch nicht, warum denn nun Menschen wirklich wirtschaften.
Kommen wir also zum Höhepunkt:
Vor 50 Jahren hat der Soziologe und Philosoph Arnold Gehlen bemerkt, daß der Mensch unter einem pausenlosen Druck von Antriebskräften stünde:"(...) ihr Energiequantum geht weit über das hinaus, was zur Befriedigung unmittelbarer physischer Bedürfnisse überhaupt aufgewendet werden muß." Daß der Mensch zu ungeheurer Anstrengung und Mühsal fähig und auch bereit ist, weiß man nicht erst seit gestern und seit Gehlen. Es ist überraschend zu erkennen, daß die hervorragenden Leistungen menschlicher Kultur und Zivilisation nicht in direktem Zusammenhang stehen mit dem menschlichen Fortpflanzungstrieb. Aber Arnold Gehlen geht noch einen Schritt weiter, wenn er meint:"Im Gegenteil, gerade unter diesem Gesichtspunkt (des Fortpflanzungstriebs) ist der Antriebsüberschuß stark irrational und konsumiert bisweilen sich selbst, denn die biological hardiness (biologische Kühnheit), mit der die schöpferischen Minoritäten die Kultur vorwärts treiben, (...) das Ikarusschicksal zahlloser, namenloser Pioniere und Erfinder beweisen genug, daß der Elan vital in einer dynamischen Weise unstabil ist, und die Erhaltung der Art vielleicht nur eine Nebenprodukt."
Denkt man konsequent das Problem des Antriebsüberschusses zu Ende, dann gelangt man auch sehr schnell zur der Einsicht, daß im 21. Jahrhundert mit fünfzehn Milliarden Menschen auf der Erde, die wie wir alle auch von ewiger Jugend und immerwährendem Glück träumen werden, der Antriebsüberschuß gebremst werden muß, wenn er nicht zum Absturz des Ikarus oder in die Selbstvernichtung führen soll.
In der sogenannten „freien Marktwirstchaft“ findet nun Gehlen’s menschlicher Antriebsüberschuss seine Vollendung. Was alle anderen Gesellschaftsformen vorher nicht geschafft haben, nämlich die
Selbstausbeutung
des Menschen, in der freien Marktwirtschaft ist es gelungen. Der Mensch hat sich hat sich einer
Bedürfnis-Unlust-Spirale der permanenten Unzufriedenheit
unterworfen. Jetzt haben
Werbefuzzis und professionelle Verführer,
Glücksingenieure und Sozialklempner,
Bänker und Anlageberater
leichtes Spiel. Der permanent unzufriedene Mensch wurde nämlich gezeugt. Jetzt schuften alle wie die Idioten.
Ha, ha, ha, ha, ha, ha....
Und zwar ohne dottores Urschuld, wie ich meine.
Dabei würde uns die moderne Technik spielend erlauben, unser Leben mit drei Stunden Arbeit am Tag zu fristen, oder mit drei Tagen in der Woche oder drei Monaten im Jahr, je nach den Erfordernissen eines modernen Arbeitsplatzes.
Was lernen wir nun daraus?
Ei, man sollte die ganze Bande der Werbefuzzis und Konsumverführer wie die Lemminge im Nordmeer ersäufen.
Mit einem fröhlichen Salü aus Lothringen
vom Harald
Aber das hat ja doch wieder keine Sau gelesen...
<ul> ~ Hier kann man sogar noch mehr darüber finden..</ul>
<center>
<HR>
</center> |