Der Beitrag von Prof. Läufer, in dem er sich das mit der"debitistischen Folklore" nicht verkneifen kann, erfordert dringlich eine Erwiderung (just to clear your mind, dear Elliott friends):
1. Die Schuldenquote per se ist völlig unerheblich. Wie man aus der St.-Louis-Grafik sieht, hat der Zuwachs der Schuldenquote unter Reagan keine signifikante Auswirkung gehabt - noch nicht! Es gibt in der Ã-konomie allerdings nichts, das keine Auswirkung - früher oder später - haben kann. Wenn das Reagan'sche Budget-Desaster schlecht war ("Scharlatanerie"), dann muss es Folgen haben und zwar ganz andere als jene, die mit einem"Zurückfinden" zur"neuer Stabilität" (auf"höherem Niveau") umschrieben wird. Negatives muss negative Folgen haben, sonst wäre es nicht als"negativ" zu bezeichnen. Es gibt keine Logik, wonach"Schlechtes" zu"Gutem" wird, ohne dass das Schlechte irgendwann irgendwelche schlechten Folgen hätte.
2. Was bei der Schuldenquote relevant ist, bleibt allein die Frage, ob sich die Schulden bedienen bzw. letztlich tilgen lassen."Bedienen" läuft letztlich darauf hinaus, ob die Gläubiger mit Prolongation einverstanden sind. Das heisst: Die"Zahlung" einer Schuld schafft diese selbst noch nicht aus der Welt. Sie ist in der Regel nur ein Gläubigerwechsel. Also: A schuldet B 1000, A erledigt die Schuld gegenüber B, indem er eine Forderung, die er gegen C hat, auf B überträgt. Die Schuldensumme als solche (1000) ist dadurch nicht aus der Welt.
3. Da sich Schulden (Kredite) jederzeit ex nihilo schaffen lassen, funktioniert das Ganze auch, nachdem zwischen A und C eine völlig neue Schuld entstanden ist, z.B. ex Lieferung von zusätzlich erstelltem BIP. Mit"Geld" oder"Geldmenge" kann das Ganze etwas zu tun haben, z.B., wenn der A/C-Kredit zentralbankfähig wurde und die A/C-Schuld von der ZB in die Aktivseite genommen wurde (ZBs geben ihrerseits bekanntlich niemals Kredit, sie rediskontieren bzw. lombardieren immer nur bereits vorhandene Schulden/Kredite). "Geld" als solches gibt es nicht (Münzgewinne oder Monetarisierung von"Notenbankgewinnen" Mal außen vor; hier schon lang und breit diskutiert und klar gestellt).
4. Ist keine ZB-fähige neue Schuld entstanden, muss sich A die Zahlungsmittel, die er schließlich an B weiter gibt, auf dem Geldmarkt besorgen, was in der Regel die Zinsen der dort erhältlichen"Liquidität" entsprechend beeinflusst. Weshalb die ZB mit ihren"Sätzen" in der Regel den Marktzinsen folgt (wie von JüKü schon des öfteren gezeigt) bzw. folgen muss.
Dazu heute Hildebrandt in der FAZ im Blick auf die 10jährigen Titel: <font color="FF0000">"Der nun zu liquidierende Juni-Termin befindet sich... in einer kaskadenartig verlaufenden Abwärtsbewegung... Immer häufiger ist die Auffassung zu vernehmen, dieser Markt gebe zu erkennen, daß die Notenbank mit ihren Zinssenkungen zuletzt des Guten zuviel getan habe und schon im zweiten Halbjahr einen Teil dieser Senkungen wieder zurücknehmen müsse..."</font>
5. Die"Schuldenquote" ist gesamtwirtschaftlich nichts anderes als eine Addition einzelwirtschaftlicher Schuldenquoten. Sinkt die Schuldenquote eines einzelwirtschaftlichen Teilnehmers (z.B."Staat"), muss sich die Schuldenquote anderer Teilnehmer (z.B. Haushalte, Unternehmen) entsprechend erhöhen, um eine gleichbleibende gesamtwirtschaftliche Schuldenquote zu haben, wie sie aus der ersten Grafik ersichtlich ist. Auch damit ist noch keinerlei Problem entstanden, denn es ist letztlich egal, ob der Finanzminister seine Dienstwagen auf Pump kauft oder die Firma Müller.
6. Das Problem steigender Schuldenquoten wird erst virulent, sobald sich aus der Tatsache erhöhter Schuldenquoten das Problem der Aufnahme zusätzlicher Kredite ergibt. Dies entsteht normalerweise, wenn die Schuldenquote so hoch ist, dass sich Zweifel an der Bonität der Schuldner ergeben (Kreditwürdigkeit, Kreditfähigkeit, Kreditvergabemöglichkeit usw.), so dass es nicht zur Aufnahme zusätzlicher Schulden kommen kann, eben weil die Fazilitäten bzw. Linien oder Plafonds ausgeschöpft sind.
7. Ist die Schuldenquote also"zu hoch", muss es tendenziell zu einem Absinken der gesamtwirtschaftlichen Schuldenquote kommen. Wann"hoch" zu einem"zu hoch" wird, liegt zwar grundsätzlich im Ermessen bzw. der Einschätzung der Marktteilnehmer, aber es existieren bereits "built-in-stabilizers", die ein beliebiges Ansteigen der Schuldenquote zu verhindern trachten (Maastricht, EK-Vorschriften für Banken, siehe Berliner Bankgesellschaft usw.).
8. Die"built-in-stabilizers", die Maastricht versucht hat, scheitern vor unseren Augen. Soeben hat die Banca d'Italia den Staat scharf verwarnt <font color="FF0000">"about the state of the country's public finances, declaring that Rome will exceed ‚by a significant amount' the deficit target it has pledged to its European partners for this year" (FT, heute, S. 2 ).</font>
9. Die EK-Vorschriften für die Banken werden im Fall der Bankgesellschaft gerade ebenfalls umgangen, indem die Probleme dieser Bank auf das Land Berlin und damit letztlich auf den Bund umgebucht werden bzw. werden sollen, was allseits in der Presse ausführlich dargestellt wurde.
10. Das Problem aller"Schuldenquoten" liegt also darin, ob sie"stabilisiert" werden können. Diese Stabilisierungsfähigkeit nimmt mit zunehmender Schuldenquote logischerweise ab. Ausnahme: Man geht von vorne herein davon aus, dass man Schulden machen kann, wie man will, ohne dass letztlich etwas"passiert" (Phänomen des "moral hazard", das in vielen Volkswirtschaften, z.B. Südostasien, auch aktuell Argentinien oder Türkei zu beobachten war bzw. ist - man"verlässt" sich auf einen nationalen bzw. internationalen"lender of last ressort" wie ZBs oder IMF).
11. Natürlich können auch Schuldenquoten sinken, ohne dass es zu Problemen kommt. Die setzt aber voraus, dass die Gläubiger sub toto nicht durch Umbuchungen bzw. Prolongationen abgespeist werden, sondern ihrerseits"Zahlungen" als definitiv erbrachte Leistungen anerkennen. Eine solche Leistung führt dann zum Verschwinden der Schuld, wenn die gegen Nutzung des Guthabens vom Markt abgeforderte Leistung in der Regel verkonsumiert wird. Insofern ist der Konsum (und gewirtschaftet wird letztlich, um das Erwirtschaftete zu konsumieren, egal, wann es auf der Zeitachse erscheint) immer das Ventil, durch das Schulden entweichen und damit Schuldenquoten konstant gehalten werden können.
12. Das eigentliche Problem entsteht also immer dann, wenn der Konsum ("propensity to consume") nachlässt, u.U. weil die Einschätzung der Zukunft negativ ausfällt - daher die heute ausschlaggebende Rolle des"consumer confidence". Dann können die bereits vorhandenen Schulden nur noch durch Prolongation bzw. Hoch- oder Umbuchen (z.B. private Schulden in öffentliche Verschuldungen) am Leben erhalten werden. Kommt es bei diesem Prozess zu Störungen bzw. zu einem Vertrauensverlust der Gläubiger, entfaltet sich automatisch eine Kreditkrise, die über kurz oder lang sämtliche Schuldverhältnisse erfasst (Fälligstellungen usw.) und automatisch über eine Rezession in eine Depression führt.
Summa: Die Höhe der Schuldenquote und die Entwicklung ihrer"Aggregate" spielt nur eine Rolle in dem Sinne, dass die Gefahr, sie beibehalten zu können, mit zunehmender Quote tendenziell abnimmt.
Entscheidend ist also einzig und allein die Frage: Sinkt die Schuldenquote und wenn ja, wodurch?
Paul Krugman hat in seinem neuesten Buch"Fuzzy Math - The Essential Guide to the Bush Tax Plan" (ISBN 0-393-05062-9) das Problem geahnt, aber er beschränkt seine Sicht vor allem auf das Problem der Einschätzung künftiger US-Überschüsse (<font color="FF0000">"The tax cut... is much to large, even given optimimistic forecasts of future surpluses. And it is all the more irresponsible given the high probabiblity that those forecasts, like all long-run budget forecasts in the past, will turn out to be wrong"</font>).
Krugman hat sich dabei als Fiskalist entpuppt (es gibt ihn ja in vielen Verkleidungen):"Does it really make fiscal sense? Can we really afford this? It won't surprise you to hear that the answer is no."
Krugman hebt ab auf"gesunde Staatsfinanzen", also auf die Gefahr, das sich die staatliche US-Schuldenquote wieder erhöhen könnte, ohne darauf aber im obigen Sinne intensiver darauf ein zu gehen. Die Probleme des"getürkten" US-Surplus nimmt er allerdings sehr genau unter die Lupe:
<font color=FF0000">"How large should the budget surplus be? (Er kommt dann auf eine sinnvolle Zahl von 3,3 Bio $ über die nächste Dekade) This is a projection that will be run by all of the government's retirement trust funds" (i.e. Social Security und Medicare!).</font>
Klartext: Einen Überschuss im ordentlichen US-Haushalt gibt es nicht!
Dass die Gelder aus der Steuersenkung voll in den Konsum gehen können und den oben gezeigten (zunächst) stabilisierenden Effekt haben, sieht er nicht als positiv an, was ihm nicht anzukreiden ist, da ihm die Finessen des Debitismus nicht geläufig sind (Schuldenquote kann sinken, ohne dass es zu Problemen kommt, sofern die Gläubiger (!) ihre Guthaben verkonsumieren - was beim Bush Tax Cut ohnehin nicht zu erwarten ist, weil die"Reichen" die auf sie zukommenden Steuersenkungen vermutlich auch kaum in Form von zusätzlichem Konsum verbraten, sondern eher zusätzlich sparen werden).
Aber Krugmans traditionelle Sicht bringt ihn letztlich doch zum gleichen Ergebnis wie es die debitistische Logik vorschreibt:
Krugman rekurriert dabei auf Milton Friedmans"permanent income hypothesis": <font color="FF0000">"This says that the rational consumers should base their spending not on one's year income but on what they expect their income to be over the long run....Permanent income reasoning suggests that consumer... would save it rather than spend it." </font>(Klartext: Es müsste schon eine permanente Senkung der Steuer kommen und nicht nur eine einmalige, die letztlich eine schlichte und ephemere"supply side" Story bleiben dürfte, also nichts anderes als uralter Keynesianismus).
Daher steht zu erwarten, dass die Bush'sche Nummer eine populistische Luftnummer werden dürfte.
Am eigentlichen Problem der Nicht-Verbuchung von Verpflichtungen, die auf die USA (und viele andere Staaten) aufgrund der Renten- und Pensionszusagen etc. zukommen werden, führt kein Weg vorbei.
[b]<font color="FF0000">Die St.Louis-Zahlen, die Läufer auftischt, sind für den Müll, denn:</font>
Erstens ist die Schuldenquote als solche nur im oben dargestellten Sinne aussagefähig (Kredit- bzw. Verschuldungsgrenzen erreicht oder nicht?) und für die USA (im Gegensatz etwa zu Italien oder Japan) ziemlich irrelevant.
Zweitens beantwortet die Schuldenquote als solche nicht die Frage, was passiert, wenn sie sinkt (und vor allem wodurch sie sinkt, falls sie doch eines Tages sinken sollte!).
Drittens unterscheidet sie nicht zwischen privater und öffentlich-rechtlicher Verschuldung. Im zweiten Fall sind Gläubiger und Schuldner im Grunde identisch. Denn wer sollte die Mittel aufbringen, um die Staatsverschuldung herunter zu fahren - via"zusätzlicher Staatseinnahmen" - wenn nicht die"Besserverdiener", die aber ohnehin in der Regel Staatsgläubiger sind und nur noch nicht wissen, dass sie - als potentielle Staats-, d.h. Steuerschuldner - eines Tages an sich selbst bezahlen müssen - im Gegensatz zu privaten Schuldverhältnissen.
Wenn Folklore aufgetischt wird, dann sind es die St. Louis-Statistiken.
Gruß
d.
PS: In den 1960er Jahren war die St. Louis Fed die Hochburg des Monetarismus und ich habe damals als erster Journalist die St. Louis-Leute (Jordan usw.) in Deutschland bekannt gemacht. Anschließend mit Brunner & Meltzer in Konstanz (!) die Leute der Bundesbank (Schlesinger!) vom"Monetarismus" und seinem auf den ersten Blick so bestechenden Mechanismus"Geldmenge steuern = alle wirtschaftlichen Probleme behoben" (sog."St. Louis equation" usw.) überzeugt. Ein zweites Mal falle ich auf den Quatsch nicht herein.
PS II: Läufer spricht im Zusammenhang mit der Laffer-Kurve (steigende Steuersätze bringen zunächst höhere Steuersummen, dann aber ab einem Punkt niedrigere, weshalb es sinnvoll ist, Steuersätze zu senken, um höhere Staatseinnahmen zu erzielen) von"Scharlatanerie". Unbeschadet der Tatsache, dass man über die Laffer-Kurve ausführlich und durchaus rational diskutieren kann, möchte ich, zumal als alter Freund von Arthur Laffer solche pauschalen Disqualifizierungen zurück weisen: Sie sind unakademisch.
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