Hallo
Fontvieille und Jacques wollten einen Text zum Thema
Geldgeschichte und Geld. Da JüKü das von mir heraus-
gegebene Buch nun schon in diesem Forum vorgestellt
hat, hier eine kleine Leseprobe zum Thema:"Was ist
Geld?"
Viel Spaß:
Auszug aus:
Werner Tabarelli (Hsg.),"Ferdinando Galiani -Ãœber das Geld"
(Ferdinando Galiani,"Della moneta", Neapel 1751)
mit einem Geleitwort von Alt-Staatspräsident Senator F. Cossiga.
Ausführlich kommentiert und eingeleitet; 35 Abbildungen
Verlag Wirtschaft und Finanzen (ein Unternehmen der
Handelsblatt-Gruppe), Düsseldorf 1999
S. 157 - 162:
Vom Wesen des Geldes und dessen Nützlichkeit.
Handel ist bekanntlich notwendig; - sowohl für den Lebensunterhalt als auch, um in der Welt sein Glück zu machen. Da der Handel in jedermanns wechselseitigem Bedarf begründet ist, kann man ihn definieren als »eine Art der Kommunikation, bei der Menschen die Früchte ihrer Arbeit austauschen, um ihre Bedürfnisse zu decken«. Somit muß, was den Handel erleichtert, auch an sich schon nützlich sein: Es ist zum Beispiel augenfällig, wie umständlich der einstige Tauschhandel, die Urform des Handels, gewesen sein muß. Man mußte mühevoll herausfinden, wer die von mir hergestellten Erzeugnisse braucht und wer, umgekehrt, meinen Bedarf befriedigen kann. Wobei man obendrein natürlich nicht jede Ware ohne weiteres befördern oder beliebig lange aufbewahren, sie mit einer anderen vergleichen oder aufteilen kann. Um diesem Mißstand abzuhelfen, habe ich mir gedacht, wie es wäre, wenn man sich zu Kommunen zusammenschlösse. Die Erfahrung zeigt, daß kleine Gemeinschaften, wie z. B. viele religiöse Orden, glücklich und besser leben als viele Menschen außerhalb derartiger Organisationen.
Ich bin der Überzeugung, daß auch größere Körperschaften, Städte und Reiche, in einer so organisierten Gemeinschaft glücklich leben könnten. Aber ich habe mir auch überlegt, daß das nur mit einer ausgewählten und besonders tugendhaften Bevölkerung funktionieren kann, die hart arbeitet und sich anstrengt. Diese Leute müßten dann die Produkte ihrer Arbeit zuverlässig in öffentlichen Warenlagern abliefern; umgekehrt könnten sie sich dort ihrerseits je nach ihrem Bedürfnis mit allem Nötigen eindecken, das die anderen Handwerker und Produzenten dort abliefern.
Indes würde bei diesem Verfahren der Faulpelz, der seine Arbeit der Gemeinschaft vorenthält, auf Kosten der anderen schmarotzen; somit gäbe es weder eine Belohnung besonderen Fleißes durch ein Mehr an Wohlstand noch umgekehrt eine Bestrafung des Faulen in Form von zunehmender Armut. So wäre der Fleißige des Ansporns durch die Aussicht auf höheren Gewinn beraubt, und würde deshalb weniger arbeiten; der Faule würde wenig oder gar nicht mehr arbeiten und statt dessen darauf zählen, daß sich schon die anderen an seiner Stelle anstrengen werden. Unweigerlich würden am Ende auch die Tüchtigsten mit einer üppigeren Lebensweise beginnen, obwohl das ihrer eigentlichen Wesensart widerspricht. Wir halten es zwar für angemessen, daß - entsprechend der Unterschiedlichkeit der jeweiligen beruflichen Anforderungen - der Kaufmann mehr verdient als der Landwirt und jener daher aufwendiger, dieser dagegen sparsamer leben muß. In der vorgeschlagenen Gesellschaftsordnung hingegen würden alle bei möglichst wenig Arbeit gleich gut leben wollen; deshalb wäre eine solche Gesellschaftsverfassung nicht aufrechtzuerhalten.
[gekürzter Fußnotentext: Als ob Galiani vorausgeahnt hätte, daß ein kommunistisches Wirtschaftssystem unmöglich funktionieren kann; im Jahr 1751!].
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Als Verbesserung habe ich mir folgendes ausgedacht:
Man könnte darüber buchführen, wieviel jeder arbeitet, und jeder könnte dann genau entsprechend der Höhe seines Einsatzes für die Gesellschaft am Ertrag der Arbeit der anderen beteiligt werden. Daher müßte man es so einrichten, daß derjenige, der seine Produkte in einem Magazin abliefert, eine Bestätigung folgenden Inhaltes erhält: »Der Inhaber dieses Scheines hat in die öffentlichen Lagerhäuser eine gewisse Menge einer bestimmten Ware - sagen wir 100 Paar Schuhe - abgeliefert; damit ist er nun Gläubiger der Gesellschaft in der Höhe dieses Wertes.« Unter keinen Umständen dürfte jemand ohne einen solchen Schein etwas aus dem Warenlager entnehmen oder mehr Waren herausholen, als der jeweilige Schein wert ist. Nach Einlösung des Guthabens müßte der Schein zerrissen werden.
Im übrigen wäre es äußerst unpraktisch, wenn ein solcher Schein nur für eine einzige Warenart gälte, wenn er also z. B. ausschließlich im Brot-Lager eingelöst werden könnte. Das hätte zur Folge, daß man z. B. für 100 Paar Schuhe in diesem Magazin nichts anderes bekommen könnte als ausschließlich 1 000 Pfund Brot. Man müßte also sicherstellen, daß die Scheine ohne weiteres in allen Warenhäusern gelten, damit sich jeder überall mit allem Nötigen versorgen kann. Das ließe sich etwa dadurch bewerkstelligen, daß der Fürst nach einem allgemeinen Maß für jede Ware den Wert festsetzt: z. B. den Stajo Weizen [etwa 18,6 lt] für soundsoviel Wein, Fleisch, Ã-l, Kleider, Käse etc. Nach einer solchen Festsetzung und Tarifierung wüßte man dann genau, welcher Anteil vom Ganzen jedem Einzelnen seinem Beitrag entsprechend zusteht und wann sein Guthaben aufgebraucht ist. Schließlich müßte man dem Fürsten eine gewisse Anzahl von Scheinen ohne Gegenleistung zur weiteren Verteilung überlassen, um seine Beamten, die der Gesellschaft insgesamt dienen, nach Verdienst und Wichtigkeit gestaffelt zu bezahlen; auch diese müssen schließlich von irgendetwas leben. Da sich in diesem System, wie man ja leicht einsieht, der Wert der ausgestellten Scheine mit dem des tatsächlichen Inhalts der Lagerhäuser decken muß, ist es richtig und notwendig, daß die Bürger sich dazu verpflichten, diese Fehlmenge, die durch die an den Fürsten abgetretenen Scheine entsteht, gratis, also ohne Ausstellung eines Scheines, abzuliefern. Ich glaube, daß diese meine Ausführungen einsichtig genug sind, und daß damit jetzt auch klar ist, wieviel Unordnung auf diese Weise vermieden werden könnte.
Nach einigem Nachdenken über meine Idee fand ich schließlich heraus, daß die größte, ja die einzige Schwierigkeit der Sache in der Möglichkeit der Fälschung der erwähnten Scheine läge. Die Menge der verschiedenen Schriftzeichen der Lagerverwalter würde es schwer machen, die echten von den gefälschten zu unterscheiden. Außerdem wären Unterschleife und Betrügereien der Wärter nicht auszuschließen: Diese könnten versucht sein, Freunden und Verwandten gegenüber gefällig zu sein, indem sie ihnen Gutscheine für mehr Ware ausstellten, als diese geliefert hätten: so könnte einem, der nur 10 Schuhe gebracht hat, bestätigt werden, daß er Gläubiger von 1 000 Libbre Brot ist, so als hätte er 100 und nicht zehn Paar Schuhe abgeliefert. Damit würden die Warenläger reicher erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind, und früher oder später würde irgend jemand als Folge derartiger Unredlichkeiten Waren verlangen, die gar nicht vorhanden sind; die Läger wären leer!
Es gibt Wege, sich vor dieser Gefahr zu schützen: Am besten wäre es wahrscheinlich, wenn nur der Fürst eine bestimmte Menge an Scheinen unterzeichnen dürfte, und zwar alle mit demselben Nennwert, etwa dem Preis für ein Pfund Brot. Das Material könnte Papier oder Leder sein. Man würde sie an die Wärter entsprechend der eingelieferten Ware verteilen, die sie an die Lieferanten weitergeben bzw. sie wieder zurückfordern, wenn jemand etwas aus den Lägern entnimmt. Auf diese Weise würde nicht eine einzige Bestätigung für den gesamten
Preis ausgestellt werden, sondern der Lieferant einer Ware, die mehr als eine Libbra Brot wert ist, erhielte eine Anzahl von Scheinen im Gegenwert seiner Lieferung. Damit wäre eine wirkungsvolle Abhilfe gegen das Durcheinander der Schriftzeichen, gegen die Gefahr der Fälschung und die Notwendigkeit geschaffen, immer neue Scheine ausstellen zu müssen. Die Wärter könnten jetzt genau abrechnen und man könnte sicher sein, daß niemand aus Angst vor Übervorteilung Scheine ablehnt. Mir scheint, daß man auf diese Weise eine Gesellschaft regieren und aufrechterhalten kann. Das Ergebnis all dieser Überlegungen stellte mich jedenfalls zufrieden. Ich suchte noch nach Schwierigkeiten, die man allenfalls überwinden müßte, oder umgekehrt nach Berichten von Historikern und Reisenden über Völker, deren Lebensweise meine Ideen bestätigen würden. Da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen, denn ich wurde der Tatsache gewahr, daß ich, ohne Absicht mit meiner Gedankenkonstruktion beim tatsächlichen Zustand der Welt angelangt war. Auf heimatlichem Boden fand ich genau das vor, wonach ich in weit entfernten Ländern suchen wollte. Ich hoffe, daß mir meine Leser hierin folgen.
Man sieht also, daß der Handel sowie das Geld als dessen wichtigste Triebfeder, die Entwicklung vom unkultivierten Naturzustand, in dem jeder nur an sich denkt, zu einem gedeihlichen Nebeneinander vorangetrieben hat, bei dem jeder für alle denkt und schafft. Dieser Gemeinschaftsbezug entstand keineswegs etwa bloß aus Tugendsinn und Frömmigkeit; es wäre unmöglich, ganze Nationen allein mit solchen Grundsätzen zu regieren. Nein, privates Interesse und die eigene Bequemlichkeit haben das bewirkt. Die Scheine, das heißt das Geld, stellen im Prinzip das Guthaben dar, das man von der Gesellschaft für die eigene Arbeit bekommen hat. Und wenn man von der Gesellschaft bzw. von jemand anders etwas kauft, löst man diese Scheine, also das Geld, wieder ein. Zwar gibt es keine gemeinschaftlichen Lagerhäuser, aber private Geschäfte, die genau dieselbe Funktion erfüllen: Nur, daß man die Ware keinem Wärter gibt, sondern, daß sich jeder selbst um seine Erzeugnisse kümmert. Um den Laden zu füllen, kauft man mit eigenem Geld Erzeugnisse von anderen ein und beim Verkauf verdient man es wieder. So muß sich niemand auf die Ehrlichkeit oder Treue eines Wärters verlassen, und es bedarf auch keiner Aufsicht durch den Fürsten, weil jeder auf seine Scheine selbst Obacht gibt. Denn Geld ausgeben bedeutet, etwas von dem abzugeben, was man selbst im eigenen Schweiß hart erarbeitet hat. Die Schwierigkeit im oben beschriebenen System, die man durch das Gebot allgemeiner Tugendhaftigkeit allein nicht hätte überwinden können, wird vollkommen beseitigt, indem man einfach das Eigeninteresse ins Spiel bringt.
Denn dessen unausrottbare Kraft wirkt in jeder Seele, auch in der des Lasterhaften. Die eingangs erwähnten Zusammenschlüsse von Menschen, in die man nicht geboren, sondern als Erwachsener aufgenommen wird, und die sich nur auf die Tugend gründen, mögen überaus glücklich sein. Würde man aber ganze Nationen und Staaten auf dieselbe Art führen wollen, so wären sie bald zerrüttet und zusammengebrochen. Nur wenn Tugendhaftigkeit zugleich mit dem weltlichen Interesse des einzelnen zusammenfällt, kann sich das erstrebte Ergebnis einstellen; auch wenn ein solches Verfahren nicht alle Keimzellen der vielen Übel auszurotten vermag, die im puren Eigennutz versteckt sind.
Noch etwas: Zu den Scheinen, die man dem Fürsten unentgeltlich abgeben müßte, gehören natürlich die Zölle und die Steuern. Sie sind ein Teil der auf eine Summe Geldes reduzierten Arbeit, die alle für die Gesellschaft leisten müssen. Das sind die Mittel, mit denen der Fürst die Löhne bezahlt und seine sonstigen Auslagen deckt.
Die Idee, das Geld aus Edelmetall herzustellen, beseitigt im übrigen die verschiedenen Mängel des aus einem anderen Stoff hergestellten Geldes. Das Material, die Prägung und die Struktur sichern das Metallgeld gegen Fälschung durch Privatpersonen, der innere Wert des Geldstoffes, vor dem Mißbrauch durch den Fürsten. Trüge die Goldmünze nicht den gesamten Betrag ihres Wertes in sich, könnte sich der Fürst eigenmächtig einen Überschuß an Scheinen drucken lassen. Allein der Verdacht, daß er das tun könnte, würde schon genügen, um den Wert des Geldes zu untergraben und herabzusetzen sowie den Geldumlauf empfindlich zu stören. Deshalb muß die Münze vollwichtig sein, denn nur Gott könnte reines Gold aus dem Nichts erschaffen und vermehren. Edelmetalle irgendwo auszugraben oder von woanders herzubringen, würde einen ebenso großen Aufwand verursachen, wie die Sache wert ist, so daß eine Vermehrung auf diesem Weg keinen Gewinn verspräche. Es ist daher das Allerwichtigste am Geld, daß es aus einem Material besteht, das einen natürlichen, inneren und nicht nur einen irgendwie nominell festgesetzten, ideellen Wert hat.
Ohne daß ich jetzt noch viel dazu erzählen muß, werden meine Leser selbst weitergedacht und in meinen Betrachtungen unsere bestehende Gesellschaftsordnung wiedererkannt haben, die auf Verträgen und Geld beruht. Indem ich jetzt synthetisch vorgehe anstatt analytisch, kann ich die Vorzüge des Geldes am besten aufzeigen. Das Geld ist oft genug von Schriftstellern übermäßig gepriesen worden, eine noch weit größere Anzahl hat es mit wilden Schmähungen überhäuft, aber ich habe noch niemanden gefunden, der in verständlicher Weise seinen Wert und Nutzen dargelegt hätte. Im folgenden Kapitel möchte ich über die allgemeine Wertmaßfunktion des Geldes sprechen, deren Nützlichkeit ich in diesem Kapitel erörtert habe. Ebenso muß noch untersucht werden, ob es nicht auch Nachteile mit sich bringt, wenn das Geld diese Wertmaßfunktion übernimmt.
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