> > Rainer Fischbach > Die U-Form des Abschwungs > > NEW ECONOMY UNTER DEM JOCH DES > KONJUNKTURZYKLUSEine Studie der Schweizer"Bank für > internationalen Zahlungsausgleich" bietet aufschlussreiches > Material über entgrenzte Finanzmärkte > Als 1997/98 das zuvor in Massen dort eingeströmte Kapital Südostasien > fluchtartig wieder verließ, waren Erklärungen schnell zur Hand. > Institutionelle Defizite der Finanzsysteme und der > Unternehmensverfassung, genauer: zu viel staatliche Intervention, > mangelnde Offenheit der Kapitalmärkte, Intransparenz des Bankwesens > sowie der Unternehmensführung und nicht zuletzt die im Schatten solcher > Strukturen gedeihende Seuche der Korruption hätten das Desaster > verursacht. Wie immer, wenn im Verlaufe des Siegeszugs der > Liberalisierung etwas schief gegangen war, konnte die Ursache in den > Augen ihrer Verfechter nur am jeweiligen Schauplatz zu suchen sein. > Beobachter, die schon damals darauf hinwiesen, dass die geschilderten > Mängel den Akteuren durchaus zuvor bekannt waren, bekamen das Etikett > des nörgelnden Besserwissers verpasst. > Dass die Flucht des Kapitals aus dem IT-Sektor im vergangenen Jahr > ausgerechnet in den USA begann, wo die Verfassung der Unternehmen > wie auch der Finanzmärkte in vorbildlicher Weise den Transparenz- und > Flexibilitätsidealen der Shareholder-Value-Apostel entsprechen, verursacht > nun eine gewisse Verlegenheit bei denen, die bisher immer genau zu > wissen meinten, dass wirtschaftliche Störungen nur durch > Liberalisierungsdefizite verursacht sein könnten. Dies umso mehr, als bis > vor kurzem noch als ausgemacht galt, dass die frei operierende, > IT-gestützte New Economy die Ära der Konjunkturzyklen hinter sich > gelassen hätte. > Die Hauptgefahr für das Finanzsystem liegt in diesem selbst > Recht bemerkenswert erscheint derzeit der Umstand, dass eine Institution, > die seit Jahrzehnten eher still im Hintergrund des Weltfinanzsystems > agiert, jetzt Klartext produziert. In ihrem jüngsten Jahresbericht korrigiert > die in Basel ansässige Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), > die seit 1930 die Rolle einer"Bank der Zentralbanken" ausübt, einige > liebgewordene Vorstellungen: Unverkennbar habe der Konjunkturzyklus > auch das Paradeland der New Economy eingeholt und die Zeichen > deuteten überwiegend darauf hin, dass der Abschwung nicht nur eine > Episode bleibe, also eher eine U- als die weithin erwartete V-Form > annehmen würde. > Die Aktien - vor allem die High-Tech-Titel - seien, gemessen an allen > historisch bewährten Kriterien, nach wie vor überbewertet, das bedeute, ihr > weiterer Einbruch sei durchaus wahrscheinlich. Die Hauptgefahr für das > Finanzsystem liege in diesem selbst, denn gerade schnell und reibungslos > funktionierende globale Finanzmärkte würden sich durch ein pro-zyklisches > Verhalten auszeichnen, also Ungleichgewichte eher verstärken als mindern > und so auch die Realwirtschaft beeinträchtigen. > Die BIZ-Analysen bestätigen, was bisher als Defätismus der in den Medien > als"Globalisierungsgegner" vorgeführten Kritiker des neu erstarkten > Kapitalismus galt: Die gewachsene Bedeutung der entgrenzten > Finanzmärkte stellt die Stabilität der Weltwirtschaft in Frage, wobei eine > Vielzahl von Mechanismen zusammenwirken. Der Einfluss der > Finanzmärkte auf die Realwirtschaft vollzieht sich beispielsweise nicht nur > über die Shareholder-Value-Politik der Unternehmen, sondern auch über > die Verbreitung von Aktien in der Bevölkerung und damit die Abhängigkeit > des Konsumniveaus von deren Bewertung - Stichwort Kaufkraft. > Die BIZ erkennt einen Stabilitätsvorteil der Ã-konomien, in denen Aktien > sich geringerer Beliebtheit erfreuen, und schließt sich dem Urteil an, dass > die Aufschwungphase, die mit der Diffusion technologischer Innovationen > und einer Umverteilung des Produkts zugunsten der Profite beginnt, > zwangsläufig in Überinvestition und Überdehnung des Kreditvolumens > mündet. Das heißt, es kommt zu massiver Fehlallokation und der > anschließenden Vernichtung von Kapital, was wiederum Kreditverknappung > und Unterinvestition auslöst. Aktuelles Beispiel dafür ist der > zurückliegende IT-Boom, in dessen Verlauf billiges Kapital in großem > Umfang verschwendet wurde, deshalb nun die Mittel für langfristige > Investitionen etwa in die Infrastruktur für die nächste Generation der > Mobiltelefonierer knapp werden oder zu schlechten Konditionen verfügbar > sind. Schon kreist über manchem Unternehmen der einstigen
>"Zukunftsindustrien" jetzt der Pleitegeier. > Fehlallokation mit nachfolgender Verknappung von Kapital bedeutet > zumindest Verzicht auf potentielles Wachstum. Einschneidendere > Konsequenzen in Form eines Rückgangs des volkswirtschaftlichen > Produkts waren in den zurückliegenden Jahren in den Schwellenländern, > doch auch in Japan zu beobachten. > Auch vor dem"Schwarzen Freitag" von 1929 wurde von New > Economy gesprochen > Unter den aus dem Inneren des Finanzsystems vernehmbaren Stimmen > hatte zuletzt der vom Meisterspekulanten zum Mahner und Wohltäter > mutierte George Soros Ähnliches geäußert. Untermauert durch ein sich > über mehr als 100 Jahre erstreckendes Zahlenwerk weist ein jüngst > erschienenes Werk des Ã-konomen Robert J. Shiller die gefährliche Rolle > des irrationalen Überschwangs an den Börsen nach. Es zeigt, dass die > Aktienkurse sich nie für lange Zeit von den fundamentalen ökonomischen > Entwicklungen abkoppeln konnten. Auch vor dem Crash von 1929, dem die > Weltwirtschaftskrise folgte, kursierte bereits die Formel von einer New > Economy, in der alles ganz anders wäre als zuvor, erzählt der Autor. > Wie Soros scheint auch der BIZ-Bericht davon auszugehen, dass hier vor > allem ein psychologisches Problem vorliegt: Er spricht von der Welle des > Optimismus, die einen Aufschwung begleite und die über eine Phase des > Überoptimismus schließlich in Ernüchterung und Angst der Anleger und > Banken umschlage. Immerhin gesteht die BIZ wie zuvor Soros ein, dass > destabilisierende Tendenzen den Finanzmärkten immanent sind und dass > ihre Entgrenzung deren Reichweite vergrößert. Die oft geäußerte Ansicht, > der Abbau von Hemmnissen würde der Wirtschaft ermöglichen, schneller > zum Gleichgewicht zurückzufinden, spiegelt vor allem das Unverständnis > des Unterschieds zwischen Gleichgewicht und Stabilität. Ein System kann > sich im Gleichgewicht befinden oder sich sehr schnell darauf zu bewegen - > zum Beispiel, um sofort darüber hinaus zu schießen - und trotzdem nicht > stabil sein. Es kann auch Märkte ohne Gleichgewicht geben: Angebot und > Nachfrage müssen keinesfalls den stetigen Kurven folgen, die sich in den > Bilderbüchern der neoklassischen Ã-konomen immer so schön treffen. > Wie Soros widersprechen die BIZ-Analysten auch in einem weiteren Punkt > der herrschenden Lehre. Sie halten ein international koordiniertes > Gegensteuern der Staaten für sinnvoll und möglich - wobei die Grenzen der > vorgeschlagenen Politik mit den Grenzen ihrer Einsicht in die Ursachen der > krisenträchtigen Tendenzen des Kapitalismus zusammen fallen: Wenn > man das Problem vor allem in der Psyche der Investoren und Banker > lokalisiert, kann nicht viel mehr als Verhaltenstherapie für diese - etwa in > Form von verschärften Eigenkapitalvorschriften - herauskommen. So, als > ob nicht gerade die Finanzindustrie beständig eine unerhörte Kreativität > entfalten würde, um diese zu unterlaufen. Dass die Triebkraft hinter den > Übertreibungen vielmehr ein systemischer Imperativ ist: der Imperativ der > Kapitalverwertung und der hohen Profite, ohne die sich auch die BIZ keine > positive Wirtschaftsentwicklung vorstellen kann, bleibt bei aller Klarsicht > ausgeblendet.
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