und auch ich gebe zu auf die Jungs nicht alzugut zu sprechen zu sein. Aber zumindest einen aufrechten Recken gibt es noch...
SPAREN FÃœR DIE RENTE
Die Aktienlüge
Von Harald Schumann
Wer in Wertpapiere investiert, könne sich seine Rente sichern, verspricht die Finanzindustrie. Doch das ist keineswegs ausgemacht. Der Bevölkerungsschwund wird auch die Kapitalmärkte erschüttern. Droht 2015 der Rentner-Crash?
Berlin - Meinhard Miegel, der Chefdenker des Deutschen Instituts für Altersvorsorge, ließ das rhetorische Fallbeil niedergehen. Die Riestersche Rentenreform, so rechnete er gleich nach deren Verabschiedung vor, streue"Illusionen". Sie beruhe auf allzu optimistischen Annahmen, die Versorgung der künftigen Rentner werde"so schlecht sein wie nie zuvor". Folglich sei das"ganze Machwerk nur Makulatur".
Die private, kapitalgedeckte Altersvorsorge müsse weit stärker ausgebaut werden, um die absehbaren Rentenlücken zu schließen, erklärte Miegel. Ältere Arbeitnehmer sollten nicht nur die staatlich geförderten vier, sondern am besten gleich bis zu acht Prozent ihrer Einkommen am Kapitalmarkt anlegen. Erst damit stünden sie auf der sicheren Seite.
Rentensicherheit durch Sparen in Wertpapieren: So hören es die Finanziers des Miegel-Instituts bei der Deutschen Bank gerne. Und genau diese Botschaft propagieren Deutschlands Banken und Versicherungen derzeit landauf, landab mit einer Werbekampagne, die einem Trommelfeuer gleicht. Fondsparen, Privatrente, Lebensversicherungen, AS-Sondervermögen - noch bevor auch nur ein einziges Programm das amtliche Siegel der Förderungswürdigkeit erhalten hat, preist die Finanzindustrie ihre Produkte auf allen Kanälen in den rosigsten Farben als Ausweg aus der Renten-Misere.
Selbst die Bundesbank mahnt
Vor allem Aktienanlagen, die im Schnitt der vergangenen 30 Jahre in Deutschland über acht Prozent Jahresrendite abwarfen, verkauft die Finanzbranche als aussichtsreichste Anlageform. Darum legen Investmentfonds trotz Kursrückschlägen weiter zu und bescheren Fondverwaltern wie Investmentbankern eine warmen Milliardenregen aus Provisionen, Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren.
Doch die Versprechungen vom kapitalgedeckten Rentner-Paradies sind unsolide. Längst warnen vorsichtige Ã-konomen, dass der programmierte Bevölkerungsschwund infolge des Geburtenrückgangs die Volkswirtschaften der Industrieländer in die Stagnation treiben könnte. Zwangsläufig würden damit auch die Renditen an den Finanzmärkten einbrechen. Selbst die traditionell bankenfreundlichen Volkswirte der Bundesbank mahnen:"Auch kapitalgedeckte Alterssicherungssysteme sind nicht immun gegenüber demografischen Veränderungen".
Das ist sehr vorsichtig ausgedrückt. Tatsächlich könnte wohl nur ein grandioser weltweiter Wachstumsschub verhindern, dass das Vermögen der heutigen Rentensparer irgendwann zwischen 2010 und 2025 drastisch entwertet wird.
DPA
Rentnerleben: Nicht nur die Beitragszahler schwinden, auch die Aktienkäufer
Verblüffenderweise drehte sich die Rentendebatte bislang stets nur um das Problem, dass es künftig wegen der Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung an Beitragszahlern für die umlagenfinanzierten Rentensysteme mangeln wird. Doch das gleiche Phänomen wird auch die Märkte für Wertpapiere treffen. Denn wer heute sein Geld in Aktien und Zinstiteln anlegt, benötigt nach der Verrentung Käufer für eben diese Anlagen. Was im Umlagesystem das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern ist, das sind am Kapitalmarkt die Sparer und die Ent-sparer, die Käufer und Verkäufer von Wertpapieren.
Die Babyboom-Generation läuft in die Falle
Als Sparergeneration setzen Fachleute gemeinhin die Altersgruppe der 30- bis 59-jährigen an, ihnen gegenüber stehen alle Älteren ab 60. Stehen so heute in Deutschland statistisch gesehen einem Entsparer noch rund 1,7 Sparer gegenüber, wird es infolge des Geburtenrückgangs in 40 Jahren nur noch einer sein. Und dies auch nur dann, wenn jährlich im Schnitt 200.000 Menschen nach Deutschland einwandern, errechnete Andreas Heigl, Demograf und Rentenexperte bei der Hypovereinsbank.
Beim Aktiensparen könnten so vor allem die geburtenstarken Jahrgänge von 1950 bis 1970 regelrecht in die Falle laufen. Denn durch den jetzt ausgelösten Run auf Dividendentitel rechnet die Finanzbranche auf zehn Jahre mit stark steigenden Aktienwerten. Bis 2010, so kalkulierte die Investmentbank Morgan Stanley, werden wegen der Altersvorsorge zusätzlich über 10 Billionen Dollar an Europas Börsen angelegt, weit mehr, als selbst bei guter Wirtschaftsentwicklung an neuen Aktien ausgegeben wird. Der Nachfrageüberschuss werde einen"Liquiditäts-Superzyklus" treiben, frohlocken die Analysten.
Rentenfachmann Andreas Heigl:"Jeder ist Gefangener seiner Geburtskohorte"
Doch anschließend droht das genaue Gegenteil. Um ihre Gewinne zu sichern, werden die Verwalter von Pensionsfonds und Sparplänen die Aktienanlagen im großen Stil auf festverzinsliche Anlagen umschichten müssen, also auf Staatsanleihen und verbriefte Kredite von Unternehmen. Das wird nicht nur die langfristigen Zinsen tief nach unten drücken. Zugleich werden die vorher wegen des Nachfragebooms zu teuer eingekauften Aktienwerte genau zu der Zeit verfallen, wo die Mitglieder der Babyboom-Generation ihre Ersparnisse benötigen."Sie könnten Probleme bekommen, ihre Finanztitel einer immer kleiner werdenden Sparerklientel zu verkaufen, möglicherweise nur mit erheblichen Kursverlusten", schreibt Hypovereinsbank-Experte Heigl in einer kürzlich vorgelegten Studie.
Zwar hält der Demograf unter den Bankern"Negativ-Renditen für den Gesamtmarkt für sehr unwahrscheinlich". Trotzdem müsse sich die Generation der jetzt 30- bis 50-jährigen darüber im Klaren sein,"dass sie im Vergleich zur Vorgängergeneration mit niedrigeren Renditen leben muss". Heigl:"Jeder ist Gefangener seiner Geburtskohorte".
Dresdner Bank:"Diese Sorgen sind unbegründet"
Derlei Mahnungen wollen die zahlreichen Propagandisten der neuen Aktienlüge jedoch nicht gelten lassen."Diese Sorgen sind unbegründet", behauptet etwa die volkswirtschaftliche Abteilung der Dresdner Bank in einer diese Woche publizierten Studie. Anders als das Umlagesystem seien die Kapitalanlagen schließlich nicht national gefangen, sondern könnten weltweit gestreut werden. Der absehbare Beitritt der osteuropäischen Staaten zur Europäischen Währungsunion biete da wegen ihres Nachholbedarfs große Chancen ohne Wechselkursrisiko.
Doch diese Argumentation hält einer Überprüfung nicht stand.
Die Aktienlüge (II)
Von Harald Schumann
DPA
Risiko-Experte Thomas Fischer: Hoffnung auf den globalen Markt
Auch Thomas Fischer, im Vorstand der Deutschen Bank verantwortlich für die Risikosteuerung, hält das demografische Problem an den Kapitalmärkten für beherrschbar. Schließlich könne man"international anlegen und verkaufen". Zudem richte sich"der Ertrag der Kapitalanlage ja nicht nach Kopfzahl, sondern nach der Kaufkraft auf einem globalen Markt." Zwar könne es sein,"dass es dereinst für das Volumen der Papiere, das verkauft werden soll, im Inland nicht genügend Nachfrage gibt," räumt er ein,"aber wer sagt uns denn, dass an deutschen Wertpapieren nur Deutsche Interesse haben?"
Doch gegen diese Hoffnung spricht die bisherige Erfahrung. Gerade bei der Altersvorsorge herrsche nach wie vor ein starker"Home-bias", gibt der Rentenfachman der Hypovereinsbank, Andreas Heigl, zu bedenken. Um das Risiko von Wechselkursschwankungen und internationale Finanzkrisen zu vermeiden, werden weltweit nach wie vor rund 90 Prozent der Sparanlagen auf den jeweiligen Heimatmärkten angelegt.
Auch die Chance, dass sich die Deutschen umgekehrt ihre kapitalgedeckten Renten zu erheblichen Teilen durch Investitionen im Ausland sichern könnten, sind eher gering. Denn die demografische Zeitbombe tickt in fast allen Wohlstandsländern der OECD und ganz besonders in den Staaten Osteuropas, welche die Dresdner Bank als Anlageregion für Deutschlands zu schnell wachsendes Sparkapital anpreist. Nirgendwo fielen die Geburtenraten schneller als im Osten Europas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.
Lehrbeispiel Asien-Krise
Den viel versprechenden Schwellenländern des Südens wie China, Indien oder Brasilien droht dagegen zwar kein Bevölkerungsschwund. Dafür sind ihre Volkswirtschaften aber noch längst nicht entwickelt genug, als dass die kommende Kapitalschwemme für die Renten der Europäer dort sinnvoll investiert werden könnte. Die Asienkrise des Jahres 1998, bei der Werte im Umfang von mehreren hundert Milliarden Dollar vernichtet wurden, demonstrierte drastisch, was geschieht, wenn zu schnell zu viel Geld in solche Staaten fließt."Allein der Betrag, der in Deutschland jährlich in Wertpapieren gespart wird, übersteigt den gesamten Nettozufluss an privaten Portfolio-Investitionen in den wichtigsten Emerging Markets zusammen", schreibt Mahner Heigl.
Finger weg also von Aktienanlagen fürs Alter, rein in Anleihen und andere Zinspapiere, die zwar eine geringe, aber dafür stabile Rendite versprechen? Selbst diese Rentenstrategie ist keineswegs sicher.
Denn noch ist gänzlich unklar, ob und wie die alternden Gesellschaften mit den wirtschaftlichen Folgen der abnehmenden Zahl von Erwerbstätigen fertig werden. Selbst mit 100.000 Zuwanderern jährlich wird die Erwerbsbevölkerung in Deutschland nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes binnen 20 Jahren um rund vier Millionen Menschen abnehmen, die Zahl der Rentner wird im gleichen Umfang wachsen. Das Schicksal von Japan, wo der Bevölkerungsschwund schon früher und schneller eingesetzt hat, deutet darauf hin, dass dieser Vorgang die wirtschaftliche Dynamik erstickt. Nippons Ã-konomie stagniert seit fast zehn Jahren.
Bei lang anhaltenden Krisen geraten demokratische Regierungen jedoch unter starken Ausgabendruck, erst recht wenn die Rentensysteme zu kollabieren drohen. Explodierende Staatsschulden münden jedoch früher oder später in Inflation. Käme es tatsächlich dazu, wären auch die Rentenpapiere bedroht. Bei galoppierender Geldentwertung verlieren auch Zinstitel drastisch an Wert.
Modellfall USA
Ob, wann und mit welcher Härte solche möglichen Krisenszenarien tatsächlich wahr werden, vermag bisher allerdings kein Ã-konom zu sagen."Es fehlt an historischen Beispielen für den Zusammenhang zwischen ökonomischer Entwicklung und Bevölkerungsschwund", beklagt Heigl."Wer dafür ein tragfähiges Modell entwickelt, hat Chancen auf den nächsten Nobelpreis für Ã-konomie".
Bei all der Ungewissheit über die künftigen Kapitalrenditen hält die globalisierte Finanzwelt gleichwohl einen Trost für die Europäer bereit. Anders als hier zu Lande haben die Sparer in den USA das Experiment mit den kapitalgedeckten Renten schon weit radikaler vorangetrieben. Weil die amerikanische"Social Security" nur eine Art Grundrente bietet, haben die US-Bürger schon fast viermal so viel in Investmentfonds angelegt wie die Europäer. Zugleich setzte Amerikas Babyboom seinerzeit rund fünf Jahre früher ein. Folglich rechnen Ã-konomen damit, dass der große Ausverkauf jenseits des Atlantik bereits im Jahr 2008 beginnt."Dann", so hofft Zukunftsforscher Heigl,"werden wir schon ein Stück von dem sehen, was bei uns erst später passieren wird".
gefunden bei Spiegel.de/wirtschaft
Gruß b.
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