1. Gibt es sie in vielen anderen Formen auch. In einem Ort, in dem ich gewohnt habe, zogen die Nachbarn gegenseitig in Nachbarschaftshilfe ihre Häuser hoch. (Die beiden ortsansässigen Baugeschäfte sind heute pleite).
2. Das Tauschen der Tauschringe bezieht sich auf Alltagswaren. Es wird niemals einen Tauschring unter Einbeziehung der Automobil-, der Flugzeug-, der Computer- usw. -Industrien geben können.
3. Das geht schon deshalb nicht, weil die Anbieter solcher Waren sonst überall in allen Tauschringen präsent sein müssten. Je diffiziler eine Produktion (und je kostenintensiver und ergo auch noch komplett international verflochten), umso weniger lässt sie sich mit einem Tauschring fassen. Wie sollte ein getunter 3er BMW jemals in Brot und Butter getauscht werden können?
4. Die Gutschriften, die ein Anbieter erhält, nachdem seine angebotene Ware getauscht wurde, sind nur in ganz begrenztem Maß mit anderen Gutschriften vergleichbar. Wie will man einen 3er BMW"gut schreiben"? In was? Wie und in was ein Stahlwerk?
5. Jeder Tauschring kann letztlich nur tauschen, was seine Mitglieder reihum akzeptieren. Und zwar als sofort verbrauchbare oder weiter verwendbare Ware. Es gibt keinen Tausch"auf Vorrat".
6. Beim Tauschring fallen alle durch den Rost, die nichts zum Tauschen anzubieten haben. Was sollten die 25 Millionen älteren Rentner in Deutschland wohl als"Tauschobjekte" anbieten können? Die halbblinde Oma jeden Tag eine Stunde Vorlesen? Der gehbehinderte Opa"Ich geh' mal schnell die Brötchen holen"?
7. Der Umsatz der Tauschringe (geschätzt 25 Millionen für die BRD) liegt im Zehn-, wenn nich Hunderttausendstel-Bereich der heutigen Umsätze der Industrienationen.
8. Da mehr als 90 Prozent aller Berufe"spezialisierte Berufe" sind, können die, die solche Berufe ausüben, niemals etwas zum Tausch FERTIGES anbieten. Sie hängen irgendwo"zwischen" dem Rohstoff, der in irgendeiner bis zur Unkenntlichkeit verwandelten Form dann in der Ware erscheint, und dem marktfähigen (dann duchaus tauschbereiten) Objekt.
9. Die Rückkehr zur Tauschwirtschaft geht nur über den Weg, der mit Milliarden von Arbeitslosen gepflastert ist.
Leider ist es so.
Gruß
d.,
der gern das anbietet, was er kann: Artikel schreiben. Wer ist hier bereit, für 100 oder 1000 Zeilen à 30 Anschläge etwas zu bieten? Ich erwarte gern ernst gemeinte Vorschläge.
><font size=5>Nicht für Euro oder D-Mark, sondern für Talente und Blüten...
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><font size=4> Regionale Tauschsysteme in den modernen Industriestaaten
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>Vor dem Hintergrund steigender Arbeitslosenzahlen und zunehmender sozialer Isolierung entstanden Mitte der achtziger Jahre die ersten lokalen Tauschprojekte in Kanada. «Hilfe zur Selbsthilfe» war ihr pragmatischer Ansatz. Über die Organisation nachbarschaftlicher Hilfe sollten die brachliegenden Fähigkeiten der Einzelnen gefördert werden, die auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt sind. Heute werden allein in Europa in rund 1200 Tauschsystemen Dienstleistungen und Waren gegen regionale Verrechnungseinheiten getauscht. Die wirtschaftliche Bedeutung der Bewegung wächst.
>von Güter Hoffmann, Journalist, Berlin
>In Deutschland heissen sie «Tauschring», «Tausch- oder Zeitbörsen» und haben ihre eigene Währung: Talente, Blüten, Heller, Kreuzer oder Punkte. Nahezu unbemerkt von der breiten Ã-ffentlichkeit entstehen seit Mitte der neunziger Jahre auf lokaler und regionaler Ebene Tauschringe, in denen sich Menschen aller Altersgruppen und Schichten zusammenschliessen, um jenseits der kapitalistischen Geld- und Warenwirtschaft Dienstleistungen und Waren zu tauschen.
>Nach dem Vorbild der angloamerikanischen Local Exchange Trading Systems (LETS) wurde der erste Tauschring in Deutschland 1992 in Halle an der Saale gegründet. Heute sind rund 340 Tauschsysteme bekannt, wahrscheinlich ist ihre Anzahl sogar höher. Sie haben durchschnittlich 100 Mitglieder, die grössten unter ihnen, wie beispielsweise LETS München, zählen 1500 Mitglieder.
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>Gegen Arbeitslosigkeit und Ungleichheit
>Die Gründungswelle der Tauschringe hat sich inzwischen von den Städten auch auf kleinere Gemeinden ausgedehnt. In dem 13 000 Einwohner zählenden Schriesheim an der Bergstrasse wird ebenso selbstverständlich gegen Talente getauscht wie im bayrischen Bad Aibling oder in der sächsischen Gemeinde Weisswasser. Neben n» in Berlin, Chemnitz, Dresden, Hamburg, Kassel...
>Im Gegensatz zu den LETS-orientierten Tauschringen, in denen die lokale Verrechnungseinheit wertmässig an die D-Mark gekoppelt ist,werden die Leistungen in den «Zeitbörsen» ausschliesslich nach der geleisteten Arbeitszeit bewertet. Eine Stunde Fensterputzen ist ebenso viel wert wie eine Stunde Autoreparatur, dreissig Minuten Computerberatung entsprechen dreissig Minuten Babysitting. Was man in einer Stunde leistet, wird in Berlin-Kreuzberg mit zwanzig Kreuzern, in Eschwege mit zwanzig Werra-Thalern, in Bremen mit sechs Tidden berechnet.
>1995 fand das erste Bundestreffen der Tauschringe in Berlin statt, an dem bereits Vertreter vonfünfzig Zeitbörsen und Tauschkooperativen teilnahmen. Zur gleichen Zeit war ihre Zahl in England auf rund 400, in Frankreich auf 100, in Holland auf 70, in Irland auf 40 gestiegen.
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>Die Mitglieder und ihre Tauschaktivitäten
>Was sich als nachhaltige Stärke der Tauschsysteme erweist, ist die Vielfalt der Herkünfte, Interessen und Milieus, die die Initiativen bindet. Hier finden sich Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Rentner und Studenten, die kaum eine D-Mark übrig haben, ebenso wie Akademiker, Geschäftsleute, Facharbeiter oder Hausfrauen. Entsprechend unterschiedlich sind die Gründe, die die Mitglieder zum Engagement in den Tauschringen bewegen: Bei den einen stehen die wirtschaftlichen Aspekte im Vordergrund. Andere suchen eine erweiterte Form der Nachbarschaftshilfe zu verwirklichen. Dritte gehen in die Tauschringe wie in ein Ehrenamt oder suchen ein Forum, auf dem sie ihre Kreativität einbringen können. Wieder andere suchen nach Alternativen zur umwelt- und ressourcenzerstörenden Globalisierung.
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>Attraktiv für Gemeinden
>So unterschiedlich die Mitgliederstruktur in den einzelnen Tauschringen ist, so vielfältig sind inzwischen die Angebote und Nachfragen. In ihren Anfängen standen noch hauptsächlich Dienstleistungen rund um den Haushalt sowie Angebote im Bereich Babysitting, Renovierungsarbeiten, Büroarbeiten und Alternativmedizin im Vordergrund. Heute reichen die Angebote von Altenpflege und psychosozialer Betreuung über Car-Sharing, Energieversorgung, landwirtschaftliche Produkte bis zu Reisen.
>Mittlerweile sind schon die ersten Kommunen Mitglied in den örtlichen Tauschringen geworden. Zum Beispiel die Stadt Witten im Ruhrgebiet oder die Stadt Baden-Baden. Andere, wie die Gemeinde Schriesheim, haben gar die Gründung initiiert - oder, wie die Lutherstadt Wittenberg, den Aufbau des Tauschringes unterstützt.
>Der Grundgedanke der Kommunen ist dabei einfach: In Zeiten der üblichen Haushaltsschwierigkeiten stehen städtische Büchereien, Kindergärten und Jugendklubs vor dem Aus. Kulturveranstaltungen können nicht mehr gefördert -, Sanierungsarbeiten an Schulen und öffentlichen Gebäuden nicht mehr durchgeführt werden. Über die Vergabe der Arbeiten gegen Talente könnte die kommunale Haushaltskasse entlastet werden. Umgekehrt könnten Leistungen wie Gebühren für Kindergartenplätze, Eintritt für Schwimmbäder und Konzerte gegen Talente angeboten werden.
>Für die Tauschringe gilt hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den Kommunen allerdings alsoberste Prämisse, keine Arbeitsplätze zu gefährden. Sie wissen um die Gefahr, angesichts der angespannten Lage kommunaler Haushalte instrumentalisiert zu werden, um Stellen- und Sozialabbau zu betreiben. Dass im Gegenteil durch die Tauschring-Aktivitäten Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden können, zeigen die Beispiele aus Neustadt und Harpstedt.
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>Ansätze regionaler Wirtschaftskreisläufe
>Durch die Integration von Gewerbebetrieben gelang es dem «Talent-Experiment Hochschwarzwald», in der zehntausend Einwohner zählendenStadt Neustadt mittels Talenten einen neuen Kindergarten aufzubauen und zu unterhalten. Alle Renovierungsarbeiten, Dachausbau, Streichen, neue Holzfussböden, Fenster und Elektroarbeiten wurden in dieser Währung verrechnet.
>Die Schulden trugen die Betreiber ab, indem sie das Haus am Wochenende für Feiern oder Seminare vermieteten, gegen Talente. Auch die Eltern zahlten Teile der Kindergartenbeiträge in der Tauschring-Währung. Die Kindergärtnerin bekam zehn Prozent ihres Lohnes in Talenten ausbezahlt. So konnten die Betreiber die Kindergärtnerin mehr Stunden beschäftigen, als sie essich sonst hätten leisten können. Für diese entstanden zumindest keine Nachteile, denn in der Region gab es genügend Dienstleistungen und Produkte, die sie in Talenten bezahlen konnte. Das Finanzamt akzeptierte dieses Verfahren, weil Steuern, Krankenkassen- und Sozialversicherungsbeiträge auch auf diesen Teil des Lohnes gezahlt wurden - allerdings in D-Mark.
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>Zum Beispiel eine Schule
>Nach ähnlichen Prinzipien funktioniert das Projekt Prinzhöfte in der Gemeinde Harpstedt bei Bremen. Hier finanzierten die Eltern über die Prinzen-Währung den Aufbau und den Unterhalt einer freien Schule. Dieses Projekt kann als Modell für erfolgreiche Tauschringarbeit gelten. Sechzig Kinder besuchen heute die Schule. Inzwischen wurde sie auch vom Kultusministeriumanerkannt und erhält zusätzliche staatliche Unterstützung. Allerdings sind die Prinzhöfter auch an die Grenze ihrer lokalen Möglichkeiten gestossen: In ihrem Tauschring sind zu wenige Gewerbetreibende und Dienstleister integriert. Die Lehrer, dieeinen Teil ihres Lohns in Prinzen ausbezahlt bekamen, haben deshalb vielfach Schwierigkeiten, diese einzulösen.
>Die Schule hat überdies einen Kredit in Höhe von 15 000 Prinzen an das Zentrum für Ã-kologie und ganzheitliches Lernen vergeben. Das Zentrum, das dringend neue Seminarräume benötigte,hat eine alte Jugendherberge erstanden und finanziert mit dem Kredit deren Ausbau und Renovierung. Eine bisher einmalige Praxis in der Tauschring-Bewegung.
>Historische Vorläufer
>Geldlose Tauschkreisläufe gab es bereits in den dreissiger Jahren des 19. Jahrhunderts in Frankreich und England. Sie sollten im Sinne der Sozialreformer Proudhon und Owen das gesamte Wirtschaftssystem reformieren.
>Bekannter allerdings wurden 100 Jahre später die Freigeld-Experimente in Wörgl (Tirol) und Schwanenkirchen (Oberpfalz). Ausgangslage waren auch hier hohe Arbeitslosigkeit und Verschuldung. Das zinsfreie lokale «Notgeld» brachte diebeiden Gemeinden in kurzer Zeit zu erstaunlichem wirtschaftlichem Erfolg. Noch bevor sich andere Gemeinden diesem Beispiel anschliessen konnten, wurde das Notgeld als Verstoss gegen das Notenbankprivileg der Zentralbanken angesehen und 1933 per Gesetz verboten.
>Das Gleiche geschah ein Jahr später den «Ausgleichskassen», die, ähnlich den Tauschringen,auf Basis bargeldloser Verrechnung sehr erfolgreich operierten. Diese Projekte wurden als «Missbrauch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs» eingestuft - und ebenfalls verboten.
>Was die heutige rechtliche Situation der Alternativwährungen anbetrifft, so ist die Ausgabe von Gutscheinwährung als Tauschmittel, nach einer Stellungnahme der Bundesregierung, nicht als Verstoss gegen das Verbot zur Ausgabe von «Nebengeld» nach dem Bundesbankgesetz zu bewerten. Allerdings nur, «soweit sich die Tauschvorgänge örtlich begrenzt auf den Austausch von Dienstleistungen und nur in Ausnahmefällen auf Waren beschränken».
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>2500 Tauschsysteme weltweit
>Zurzeit erleben die regionalen Tauschsysteme eine Hochkonjunktur. Ein Ende der Neugründungen ist nicht abzusehen. Nicht nur in Deutschlandund Europa. Weltweit sind rund 2500 Tauschsysteme mit lokalen Währungen bekannt. Einige von ihnen haben, ähnlich dem Experiment von Wörgl und Schwanenkirchen, inzwischen ihr eigenes lokales Geld in Umlauf gebracht. So wird in Ithaca, im US-Gliedstaat New York, der Ithaca- Hours von Farmern, Geschäftsleuten und Gewerbebetrieben als Zahlungsmittel angenommen. In Argentinien können die 370 000 Mitglieder der Tauschvereine mit ihrem Credito auf Märkten ebenso bar bezahlen wie in angeschlossenen Geschäften oder im Kursbetrieb für die berufliche Weiterbildung.
>In Deutschland erwirtschaften die rund 35 000 Mitglieder der Tauschringe zurzeit einen Umsatz von schätzungsweise 25 Millionen D-Mark. Volkswirtschaftlich ist das sicher eine vernachlässigbare Grösse. Doch haben sich die Tauschringe, vor rund acht Jahren als Selbsthilfeprojekte ohne staatliche Förderung entstanden, als lebensfähig erwiesen. Vielerorts sind sie inzwischen eine Institution geworden, deren Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist.
>Quelle">http://www.nzz.ch/2001/07/21/zf/page-article7GI0T.html]Quelle NZZ 21.7.2001
>Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG
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