| Hans Bernecker: Irrationalitäten als Zeichen für das baldige Ende der BaisseMails/Nachrichten vom 13.08.2001, Bernecker & Cie.
 
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 Guten Morgen, meine Damen und Herren,
 heute komme ich mir wie ein Pfarrer vor. Schon ab 07.00 Uhr gab es mehrere
 Anrufe von Leserfreunden, die frustriert die Frage stellten: Das alles hat
 doch keinen Sinn, sollen wir nicht aussteigen? In Deutschland ist es der
 Doppelunfall Dt. Telekom und Bayer als Auslöser, in den USA die unverändert
 problematische Marktlage der Hightechs und in Japan die richtungslose
 Labilität des Gesamtmarktes. Meine Antwort:
 
 Jede Baisse übertreibt nach unten genauso wie jede Hausse nach oben. Genau
 so, wie die Spitzenkurse Anfang 2000 nicht haltbar waren, sind es jetzt die
 Tiefstkurse. Deshalb komme ich noch einmal auf Bayer zurück, wobei ich mich
 dazu dezidiert noch in der AB äußern werde. Die verschiedenen Presseberichte
 und Kommentare erwecken den Eindruck, daß der Rückzug eines Medikamentes das
 Pharmageschäft von Bayer in Frage stellt. Für Fachleute ist das ein Witz,
 für Laien aber möglicherweise eine ernste Fragestellung. Doch es zeigt, wie
 hochgradig nervös und dabei wahrlich nicht kompetent über solche Dinge
 diskutiert wird. Denken Sie 9 Monate zurück. Damals war der Daimler-Teil
 Chrysler natürlich schon restlos pleite und demnächst auch Daimler. Blättern
 Sie diese Horrorberichte ruhig einmal nach. Das gleiche wird Ihnen mit Bayer
 passieren und mit Dt. Telekom auf andere Art. Ich will Ihnen damit folgendes
 sagen:
 
 Irrationalitäten gehören zur Baisse und das ist stets ein sicheres Zeichen,
 daß wir dem Ende nahe sind. Davon bin ich nicht nur überzeugt, sondern ich
 weiß es. Ich habe schon 5- oder 6-mal seit 1959 solche Situationen erlebt
 bzw. durchlebt. Es mag Ihnen etwas simpel klingen, ist aber die Wahrheit.
 Die Basis für die Supergewinne von morgen wird jetzt gelegt. Ich kann Ihnen
 allerdings die absoluten Tiefstkurse nicht nennen. Darin liegt das Problem.
 Dennoch ist es völlig gleichgültig, ob Sie eine bestimmte Aktie, die von 90
 oder 100 $ kommt, bei 10 oder 12 $ kaufen oder auch an drei Tagen bei 8 $.
 Häufig genug habe ich es erklärt. Natürlich ist die Differenz zwischen 12
 und 8 auch mal 33 %. Aber mit dieser Volatilität an der Börse müssen Sie im
 Moment leben.
 
 Leitlinie für Sie in dieser Woche: Es kommt darauf an, daß der Dow Jones in
 seinem beschriebenen Gleichgewicht verläuft. Das tut er bisher, wenn auch
 knapp. Ich zeige Ihnen den gesamten Verlauf seit Beginn der Zinsbremsung,
 also 1999, in der nächsten AB. Für den Nasdaq ist das wesentlich
 schwieriger. Doch er gibt den Anstoß für den Dow als echter Tendenzanzeiger.
 Darauf schauen Sie bitte in den nächsten Tagen und auf sonst nichts.
 Weiterhin wichtig: Die Tagesumsätze bewegen sich auf niedrigem Niveau, meist
 unter 1 Mrd Stück pro Tag am Big Board.
 
 Im einzelnen: Titel wie Oracle, Sun oder Cisco haben ihren fairen Wert noch
 nicht erreicht. Es fehlen durchweg noch 3 - 6 $. Darauf bitte achten. Siebel
 machte es soeben vor. Die Basis liegt hier übrigens erst bei 10 $, um nur
 die wichtigsten zu nennen. Für EMC sind es ebenfalls 10 - 12 $. Auf eine
 Aktie schaue ich mit größtem Mißtrauen: Microsoft. Mir mißfällt, wie sich
 die Markttechnik erneut verschlechtert hat. Aber mit einem Börsenwert von
 über 260 Mrd $ ist Microsoft immer noch einer der schwersten Titel im Markt,
 der seinen Tiefstkurs bei 40 $ hatte. Die Strategie von Microsoft, seine
 Rechtsstellung im bekannten Rechtsstreit zu verbessern, wird von Kennern der
 Szene sehr unterschiedlich kommentiert. Indes: Microsoft ist nun mal neben
 IBM ein Leading-Indicator. Also: Größte Vorsicht und keine Käufe. Ich würde
 sogar vorsichtshalber Positionen auflösen.
 
 Problematisch ist auch die Ausweitung der Sammelklagen gegen
 Pharma-Unternehmen. Kündigt sich hier eine Zweitauflage des Tabakszenariums
 an? Das hätte auch für die Europäer Folgen, und ich habe deshalb alle
 Pharmaempfehlungen schon frühzeitig suspendiert. Dabei bleibt es vorerst
 noch. In dieser Woche kommen zudem die Zahlen für die zwei großen Schweizer,
 Roche und Novartis. Auf deren verschlechterte Markttechnik hatte ich
 ebenfalls vor Wochen hingewiesen. Das Ganze gefällt mir nicht.
 
 In Deutschland hänge ich die genannten beiden Fälle nicht so hoch, wie die
 Schlagzeilen es gerne hätten. Das ist keine Beruhigungspille, sondern
 realistische Betrachtung. Wieder vereinfacht formuliert: Im oben zitierten
 Daimler-Fall erwischten Sie Kaufkurse zwischen 42 und 45 E., inzwischen 63
 E. in der Spitze. Bei Bayer mögen es 30 oder 32 E. im Tief werden,
 anschließend geht's rasant nach oben. Im Falle Dt. Telekom mögen die
 Tiefstkurse bei 17 - 19 E. liegen, anschließender Verlauf ist ebenso klar:
 Nach oben.
 
 Die Termine von heute: Altana präsentiert die Halbjahreszahlen. Baader tut
 das Gleiche und einer der ehemaligen Lieblinge am Neuen Markt, ce Consumer
 Electronic, will's wissen. Denn morgen gibt es wesentlich mehr, darüber im
 morgigen Ticker.
 
 Bleiben Sie also gelassen, wenn es auch etwas schwer fällt. Ich wünsche
 Ihnen dafür ein gutes Gespür und verbleibe
 
 herzlichst Ihr
 
 Hans A. Bernecker
 
 
 
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