Hi dottore,
>Lieber Campo,
>so geht's eben nicht.
Vorweg: Mit meinem Betrag bin ich nach wie vor sehr zufrieden. Es war keine „wissenschaftliche“ Argumentation, sondern schlichtweg ein Appell an den klaren Verstand. Mir ging es darum, dass irgendwelche Gefühle, die im Bauch entstehen, sich im Kleinhirn dann zu Sätzen formen, erst solide vom Großhirn gefiltert werden sollten, bevor sie entäußert werden. Das war der Sinn meines Postings und der Beispiele. Konkreter: Dinge, die nicht zusammengehören, sollten auch getrennt behandelt.
Beispiel: Ein Mensch hat eine gute Idee, sagen wir zum Abbau der Staatsverschuldung. Einem anderen Menschen paßt diese Idee nicht, egal aus welchen Gründen und bringt nun ganz andere Dinge in den politischen Diskurs, z.B., dass der Vertreter der Idee ständig Haschisch raucht oder seine Frau schlägt oder kokst....oder wer weiß was, ist auch egal. In der dumpfen Masse verfehlt sowas nun mal nicht die Wirkung. Wer öffentlich mit seinen Ideen auftritt, ist gerade in unserem Medienzeitalter auch von dieser sogenannten öffentlichen Meinung abhängig. Und diese „Meinung“ wird oft noch nicht mal vom Kleinhirn halbwegs verarbeitet und folgert entsprechend: Aus einem solchen Menschen mit einer solchen Lebensführung kann keine vernünftige Idee entstammen - und verwirft sie. Quasi eine Neuauflage des „mens sana in corpore sano“, nur mit Umkehrschluß: Anrüchiger Charakter, also dummer Vorschlag“.
Diese fürchterliche, dumme Eigenschaft der Menschen ist das Ziel der Demagogen. Heute oft politischer Alltag.
Was ich klarmachen wollte, ist, dass eine Ideenkonzeption grundsätzlich getrennt zu behandeln ist, von dem, was der Begründer und Entwickler der Idee sonst noch so sagt und macht.
Kommen wir zu den Fakten: hier in diesem Board haben Freigeldanhänger ihren Vorschlag oft vorgestellt. Ging ja auch immer richtig hin und her. Im Kern war es doch meistens die Sache mit der Nutzungsgebühr als Vorschlag. Sogar „Freiland“ kam doch kaum ins Spiel. Selten wurde mal ein Zitat von Gesell hier von Freigeldanhängern reingestellt, und wenn, dann themenbezogen. Ideologien „sozialdarwinistischer Art“ wurden nicht thematisiert. Warum also kommst Du damit an. Was hat das mit dem Thema zu tun? Gibt es denn nicht jetzt wirklich Grund zu der Befürchtung, dass Du wirklich die Botschaft vermitteln wolltest, daß Freiwirte so und so sind, und jedes geschriebene Wort von Gesell nachbeten, wie die Zeugen Jehovas die Bibel.
Sie also in eine ganz bestimmte (Sekten)Ecke zu stellen, die, da ideologisch verbohrt, sowieso nicht ernstzunehmen sei? Bei Andre, auf den ich geantwortet habe, hatte ich durchaus das Gefühl, das Du diese Wirkung erzielt hast. Wenn dies nicht Deine Intention gewesen sein sollte, welche dann?
Hat Xsurvivor recht, dass Dir die Argumente ausgehen? Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen!
Willst Du die Freigeldanhänger einfach nur mal anpieksen, ein bißchen provozieren und gucken, wie sie sich winden? Und welche Argumente sie bringen? Das vom Prinzip her an der Freigeldidee eine ganze Menge dran ist, dass, glaube ich jedenfalls, ist Dir sehr bewußt. Dies ist jedenfalls meine These.
Vielleicht sammelst Du auch nur gute Argumentationen für Dein neues Buch: „Freigeld, wie es funktionieren könnte. Der Weg zum Abbau der Staatsverschuldung“. Natürlich muß das Wort Freigeld durch ein anderes Wort ersetzt werden. Zu diesem Buch fehlen aber noch haufenweise Modifikationen en detail, vor allen Dingen, wie der Zustand B ohne große Friktionen aus dem Zustand A erreicht werden kann. Welche xyz alle notwendig sind.
Ich mach Dir einen Vorschlag: Ich schreibe B, Du konfrontierst danach mit A. Danach erfolgt die Transformationskonzeption, die Stück für Stück erarbeitet wird. Mein „Geschreibsel würd ja kein Mensch kaufen. Aber mit Deinem Namen... ;-) Etliche Gedanken aus dem Debitismus vertragen sich m.E. durchaus mit der Freigeldidee. Nur da, wo es ums Bargeld geht trennen sich die Wege.
>Jeder Vorschlag, etwas zu verändern muss nicht nur erklären können, was denn verändert werden soll, sondern was die Veränderung bewirken soll.
>Das heißt, ich muss einen Zustand A untersuchen und erklären, was an diesem Zustand verbesserungsfähig bzw. verbesserungswürdig ist - dies mit Hilfe von Mitteln x, y, z usw. und ich muss erklären was für ein Zustand B nach Anwendung der Mittel x, y, z herauskommen wird bzw. herauskommen soll.
vollkommen richtig
>Bei Gesell geht es nicht um Ideologien und"Meinungen", sondern er sagt klipp und klar, dass er einen Zustand B ("Manchestertum" usw.) erreichen möchte und dass die Mittel, dies vollumfänglich zu erreichen, eben Freiland und Freigeld seien.
>Daraus ergibt sich, sofern es sich um eine wirtschaftswissenschaftliche Theorie handeln soll, zwingend, dass die Einführung von Freiland und Freigeld den Zustand B erreichen.
>So geht jede wirtschaftswissenschaftliche Theorie heute auch vor. Man beschreibt einen Zustand A (z.B. Arbeitslosigkeit, Inflation, Wirtschaftsflaute usw.) und erklärt, dass man einen Zustand B erreichen möchte (Vollbeschäftigung, Preisstabilität, Wachstum usw.).
>Die Mittel, um von A nach B zu kommen, müssen selbstverständlich benannt werden und sie werden stets benannt (mehr Staatsausgaben, weniger Staatsausgaben, Haushaltsüberschüsse, Zinserhöhungen, Zinssenkungen, usw.).
>Diese Vorgehensweise erleben wir nun wirklich jeden Tag. Und wir erleben jeden Tag, dass über die Mittel, von A nach B zu kommen diskutiert wird. Aber niemand wird auf die Idee kommen, den Zustand B als irrelevant zu bezeichnen und sich ausschließlich auf die Applikation der Mittel x,y,z usw. beschränken, ohne mitzuteilen, was für einen Zustand B sie schließlich erreichen sollten.
alles richtig, sehe ich auch so
>Der Zustand A ist bei Gesell eine Art gehemmter Manchesterkapitalismus, der von ihm vorgestellte Zustand B ist ein ungehemmter Manchesterkapitalismus.
>Etwas anderes ist aus seinen Ausführungen nicht zu entnehmen.
>Es geht überhaupt nicht darum, ob und wer einen gehemmten oder ungehemmten Manchesterkapitalismus haben möchte, sondern ob es möglich ist, mit Hilfe von Freiland und Freigeld vom gehemmten zum ungehemmten Manchesterkapitalismus zu kommen.
>Wenn Freiwirte die Anwendung der Mittel"Freiland" und"Freigeld" anders interpretieren als von A nach B zu kommen, also letztlich B zu erreichen, dann ist dies wissenschaftlich unzulässig, da diese Mittel ausdrücklich als das bezeichnet werden, um B zu erreichen und nicht etwa C oder D.
>Im übrigen gilt für den Wissenschaftler das"ad fontes"-Prinzip: Man darf sich nie um veröffentlichte Dinge kümmern, sondern man muss ihnen"bis an die Quellen" nachgehen, also grundsätzlich bis zu den evtl. erhaltenen Manuskripten, um jegliche Fehlinterpretationen auszuschließen.
>Nun kann dreierlei diskutiert werden:
>1. Die Beschreibung des Zustands A.
>2. Der Zustand B.
>3. Die Mittel, um von A nach B zu gelangen.
>Nur diese Diskussionen sollten geführt werden, aber statt sie zu führen, werden jemandem, der dieses Vorgehen einfordert, Einstellung bzw. Meinungen unterstellt, die überhaupt nicht mit der wissenschaftlichen Vorgehensweise selbst zu tun haben, nämlich der Diskussion der genannten 3 Punkte.
>Es wäre also förderlich, wenn Du die Diskussion in dieser Weise führen könntest statt auf Ernst Haeckel oder den Autobahnbau auszuweichen.
Ich bin überhaupt nicht ausgewichen, sondern ich habe ein Statement abgegeben, welches sich auf Dein Ausweichen bezog: Eben Zitate von Gesell hier reinzustellen, die nix mit dem Thema Geldtheorie zu tun haben.
Zum folgenden ist oben genügend gesagt... daher nur noch Anmerkungen zum „Manchesterkapitalismus“ (weiter unten)
>Und noch kurz dazu:
>>Hi Andre,
>>mal rational: glaubst Du wirklich, dass jemand, der eine Idee vertritt und sie für richtig befindet, sich automatisch mit dem Begründer der Idee identifizieren muß und gleichzeitig noch alle seine sonstigen gedanklichen Äußerungen teilen muß, gar sich auch noch für diese verantwortlich zeigen soll??
>Dein Argument ist nicht rational. Der Begründer einer Idee und seine persönlichen Umstände sind für die Idee selbst völlig irrelevant. Auch geht es nicht um"sonstige gedankliche Äußerungen" Gesells, etwa über die Vor- und Nachteile von Bienenzucht, sondern um seine völlig klare Theorie, von A nach B mit Hilfe von Freiland und Freigeld zu kommen.
>>Genau dieses nicht zu tun, ist freies Denken. Mit reinen emotional empfundenen Assoziationen (da sagt ein Freigeldanhänger dies.... das habe ich schon schon mal bei dem gelesen.... und hat der nicht auch dieses gesagt....Aha!, also das will der Freigeldanhänger...)
>Es geht hier um keinerlei Assoziationen, sondern ausschließlich um den Kern der Sache selbst: Kann mit Hilfe von Freigeld und Freiland ein völlig freier Manchesterkapitalismus erreicht werden oder nicht?
>>Entschuldige, aber das ist mir zu billig. Das beleidigt die Ratio! Und damit das wissenschaftliche Denken.
>>Will man wissenschaftlich arbeiten, kommt mich nicht darum herum, den Begründer zu nennen, alles andere wäre Plagiat. Was glaubst Du, wieviel heutige Freigeldanhänger jedem geschriebenen Satz von Gesell ihre Hochachtung zollen?
>Es geht nicht"um jeden geschriebenen Satz", sondern einzig und allein um Gesells zentrale Theorie, mit Hilfe von Freiland und Freigeld zu einem völlig staatsfreien Kapitalismus kommen zu können.
>>Ich kenn da keinen und gehöre natürlich auch nicht dazu. Von wegen: nicht gewußt? Jeder belesene Freiwirt könnte das Board mit"merkwürdigen Formulierungen" von Gesell oder anderen Freiwirten vollstellen. Und was bringt uns das? NIX!
>Es geht nicht um"merkwürdige Formulierungen", sondern um den Kern seiner Theorie, nämlich das Erreichen eines"optimalen" Wirtschaftens, in dem jeder den vollen Ertrag seiner Arbeitskraft erreichen und genießen kann.
>>Jede vernünftige wissenschaftliche Ausarbeitung über ökologische Gleichgewichtstheorie kommt z.B. nicht aus, den Begründer der ökologischen Wissenschaft, Ernst Haeckel zu zitieren und sich auf ihn zu beziehen.
>>Haeckel war knallharter Darwinist und auch Antisemit. Jeder ökologische Theoretiker also ein Antisemit?
>Der Antisemitismus Haeckels hat mit irgendeiner ökologischen Wissenschaft nicht das Mindeste zu tun.
>>Benutzt Du die Software von Microsoft? Hast Dich gar schon mal positiv über z.B. Excel geäußert? Teilst Du jetzt die politische oder gesellschaftliche Meinung von Bill Gates oder den Entwicklern von Excel? Mußt Du Dich jetzt mit denen in allen Belangen identifizieren?
>Dies ist ebenfalls nicht wissenschaftlich argumentiert, da eventuelle gesellschaftliche Vorstellungen von Gates nicht das Mindeste mit der wirtschaftlich verwertbaren Fabrikation von MSFT zu tun haben, über die bekanntlich allein der Markt entscheidet.
>>Ist jeder ein Nazi, wenn er für Autobahnausbau ist?
>Auch dieses ist unwissenschaftlich argumentiert, weil sowohl Nazis als auch Nichtnazis für den Autobahnausbau sein können. Was also heißt"jeder"? Abgesehen davon sind die Autobahnen, wie allgemein bekannt, keine"Erfindung" der Nazis gewesen.
das stimmt wohl, aber sie habens am meisten protegiert - und das Volk glaubt, dass es die nazis waren.
>>Und erst Kindergeld. Jeder der für die Beibehaltung geschweige denn die Erhöhung des Kindergeldes ist, ist sowieso ein ganz schlimmer Nazi und damit Antisemit. Oder wer hat das sonst eingeführt.
>Auch dieses ist kein wissenschaftlicher Beitrag. Wer auf dieser Ebene diskutiert, müsste auch jeden Gegner der Todesstrafe für einen Antisemiten halten, da das mosaische Gesetz bekanntlich die Todesstrafe fordert.
>>Und wer für Naturschutz ist.... au weia ganz schlimm. Alles politisch Rechte, wenn man mal auf den Ursprung zurückgeht, als Naturschutz noch"Heimatpflege" war...
>>Die NPD ist übrigens gegen Nutzung der Kernenergie. Die ersten Gegner der Kernenergie kamen übrigens aus der rechten Ecke (60er jahre und so). Bloß jetzt aufpassen, dass wir nicht auch gegen Kernenergie sind....Bloß jetzt aufpassen, dass man da keine Gemeinsamkeiten bekommt.
>Im übrigen ist LaRouche, ein Politiker der anerkannt rechten Szene, für die Nutzung der Kernenergie. Dies alles sind keinerlei wissenschaftlichen Argumente.
>>Nur der kühle Kopf, die strenge Ratio hilft uns weiter, dumpfes Assozieren ist unser Untergang. Wissenschaftlich und menschlich.
>Deshalb bitte ich Deine Ratio, uns mitzuteilen, ob der Kern der Gesell'schen Wirtschaftstheorie, nämlich mit Hilfe von Freiland und Freigeld zu einer völlig staatsfreien Form der Wirtschaft kommen zu können, in sich schlüssig ist oder nicht.
Freiland und Freigeld sollte eine Institution des öffentlichen Rechts sein, was letztendlich im Wortsinne daher nicht staatsfrei sein kann. Ich bin kein Staatsgegner, weiß auch nicht, wo Du gelesen haben willst, das dies hier jemand wollte oder dass Gesell dieses wollte mit seinem Vorschlag. Freigeld und Freiland kann aber die Rahmenbedingungen setzen unter denen sich, dass, was sich der Manchester-Liberalismus (nicht -kapitalismus) vorstellte, im positiven Sinn verwirklichen ließe - die Freiheit des Unternehmertums!
Ich zitiere mal aus dem Gabler unter „Manchester-Liberalismus“:
„ Eine im 19 Jh. praktizierte Wirtschaftspolitik, die durch eine ausgesprochen starke Zurückhaltung des Staates gekennzeichnet ist. Unter einseitiger Verkürzung der Argumentationen des klassischen Liberalismus wird auf die Beeinflussung des Wirtschaftsprozesses entsprechend einer staatlichen Ordnungskonzeption verzichtet. Dieser Nachtwächterstaat steuert monopolistischer Marktvermachtung und den sozialen Mißständen nicht entgegen.“
Für Staatszurückhaltung bist Du ja auch. Das Problem sind die Rahmenkonzeptionen: Freiland und Freigeld als gegebener Rahmen kann durchaus die monopolistische Marktvermachtung und den sozialen Mißständen entgegen wirken, ohne dass sich der Staat sonst weiter großartig einmischen muß. Jedenfalls war dies Gesells Überzeugung, und es ist auch etwas dran.
>Du hast das Wort!
>Vielen Dank und Gruß
>d.
Gruß auch
Campo
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