>Hallo dottore,
>ich will noch mal kurz auf ihren Beitrag von weiter unten (Evolutionsdebatte) eingehen - aber mit Fokus auf den erkenntnistheoretischen Teil der Diskussion.
>Sie schrieben:"Außerdem sind alle"Gottesbeweise" falsifizierbar und - Kant! - rational falsch."
>Völlig zu Recht haben Sie eingefordert, mit Worten sorgsam umzugehen. Daher habe ich mein Wissen über Gottesbeweise noch mal aufgefrischt - ebenso über Falsifizierung.
>In der Erkenntnistheorie wird Falsifizierung so verstanden: Ein All-Satz (alle Schwäne sind weiß) ist falsifiziert, wenn es empirische Tatsachen gibt, die ihm widersprechen -"dieser Schwan dort ist schwarz" - (sehr vereinfacht, in Wirklichkeit müssen diese Tatsachen an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten von unterschiedlichen Personen festgestellt werden usw).
>In den Sozialwissenschaften aber auch in den Naturwissenschaften gibt es jedoch immer mehr Existenzaussagen sowie statistische Gesetze (mit einer Wahrscheinlichkeit von X treffen sie am Ort P das Teilchen T an). Diese Aussagen lassen sich im klassischen Sinn nicht falsifizieren. Existenzsätze lassen sich verifizieren (Es gibt Autos. -"Das dort ist ein Auto") und für statistische Gesetze wurde die statistische Hypothesenüberprüfung entwickelt.
>Gottesbeweise sind rational falsch, richtig. Das liegt daran, daß sie entweder innere logische Widersprüche aufweisen und/oder semantisch unkorrekt sind. Aber sie sind nicht falsifizierbar! Nur All-Sätze sind falsifizierbar. Gottesbeweise sind logisch ungültig. Die Aussage"A = non A" ist logisch ungültig, aber niemals falsifizierbar (es gibt keine widersprechenden empirischen Tatsachen, weil die Aussage nichts über die Welt sagt - genau wie ein Gottesbeweis).
>Ich habe damals geschrieben:"Gott kann aber niemals falsifiziert werden."
>Sie antworteten:"Doch, jederzeit! Man muss nur nach der Definition von"Gott" fragen - und schon wird derjenige, der eine Antwort gibt, falsifiziert. Mache in in jeder nur denkbar aufgetischten Variante von"Gott" sofort."
>Derjenige der eine Antwort gibt wird hoffentlich nicht falsifiziert ;-)) Im Ernst: Auch Definitionen sind nicht falsifizierbar. Man kann höchstens nachweisen, daß eine Definition unzweckmäßig ist. Ich kann jederzeit folgende Definition aufstellen:"Ein Bahnhof ist ein Ort an dem Professoren unterrichten und Srudenten zuhören". Das ist nicht falsifizierbar, weil ich es eben so definiert habe. Im täglichen Umgang wäre diese Definition aber höchst unzweckmäßig.
>"Gott" entzieht sich eben jeder Falsifizierung - sonst wäre er schon längst falsifiziert - weil es keine empirischen Tatsachen gibt, die einer Definition wie"Gott ist der, der alles sieht" entgegen stehen könnten. (Gilt wie gesagt für jede Definition). Ich kann auch definieren:"Menschen sind vernunftbegabte Lebewesen". Das ist nicht falsifizierbar - aber unzweckmäßig, weil geistig Behinderte plötzlich keine Menschen mehr wären.
>
>Ich schrieb"Daher ist jeder logische Schluß, der auf dieser Prämisse aufbaut, vom erkenntnistheoretischen Gehalt her unbestimmt."
>Sie antworteten"Wieso jetzt auf einmal"unbestimmt". Logische Schlüsse, die unbestimmt sind, gibt es nicht, da sie dann keine Schlüsse sein können."
>Keineswegs. Hier ist ein logisch richtiger Schluss, dessen erkenntnistheoretischer Gehalt unbestimmt ist (man weiß nicht ob die Konklusion wahr oder falsch ist):
>Die Andromeda Galaxis ist bewohnt.
>Jeder Bewohner der Andromeda Galaxis fährt Porsche.
>Jeder Porsche-Fahrer hat einen Führerschein.
>-----------------
>daher: Jeder Bewohner der Andromeda-Galaxis hat einen Führerschein.
>Ein logischer Schluss ist richtig, wenn die Wahrheit seiner Prämissen die Wahrheit seiner Konklusion garantiert. Das ist hier der Fall, wenn wir uns die allgemeine Form ansehen:
>A
>A -> B
>B -> C
>-------
>daher: C
>Jede Einsetzung in diese Schlussform ist richtig. Da wir im obigen Bsp. noch nicht wissen ob z.B. Prämisse B zutrifft bleibt unbestimmt, ob die Konklusion wahr oder falsch ist. Es ist aber auf jeden Fall ein gültiger Schluss!
>
>Sie schrieben weiters"Jede Prämisse ist immer auch ein Schluss."
>Genau so ist es. Was uns natürlich in arge Verlegenheit bringt, weil wir daher jede Prämisse aus anderen Prämissen herleiten müssten ad infinitum. Wenn man sich nicht durch einen logischen Zirkelschluss aus der Affäre rettet (was man nicht darf, aber viele sehr gekonnt machen) bleibt die unbefriedigende Annahme von Axiomen - Prämissen die keiner weiteren Herleitung bedürfen.
>
>Grüße,
>Tom
Guten Morgen,
um Ihre Argumentation einmal auf eine objektive Grundlage zu stellen, schlage ich Ihnen vor, einmal in die englische Übersetzung der SUMMA theologica des Aquinaten zu schauen, nur damit sie die Argumente des Hl.Thomas von Aquin in Augenschein genommen haben.
Unten finden sie einen Zeiger auf die 3 Quaestiones in der Prima Pars:
1)Is the proposition"God exists" self-evident?
Thomas sagt nein
Is it demonstrable?
Thomas sagt ja.
Does God exist?
Thomas sagt ja.
Jede Questio ist so aufgebaut:
Fragestellung: z.B."an sit Deus?", gibt es Gott?
Einwände
"sed contra", ein prinzipielles Gegenargument, meist sehr knapp.
"respondeo ad dicendum", eigene Darlegung, ausführlich.
"ad primam" usw., Beantwortung der Einwände der Reihe nach.
Die Einwände der Gegner kommen beim ersten Artikel von den Ontologisten, von denen Descartes ein moderner Vertreter ist.
Der zweite Artikel befaßt sich mit gegenteiligen Extrem, den Fideisten, also Leuten, die zwar an Gott glauben, aber Agnostiker sind, so die meisten Protestanten, unter den Katholiken, Bautain von der Universität Löwen.
Der dritte Artikel befaßt sich, vom"sed contra" einmal abgesehen, mit philosophischen Argumenten für die Existenz Gottes, die in den sogenannten"Fünf Wegen" zusammengefaßt sind. Die Gegner sind im Allgemeinen, die Sophisten, Atomisten, Agnostiker, Vertreter des kritischen Rationalismus und Kantianer. Allen gemein ist, daß sie das Prinzip vom zureichenden Grund leugnen und die abstrakte Erkenntnisfähigkeit des Menschen in Abrede stellen. Selbstredend bekenne ich mich zum gemäßigten Realismus des hl.Thomas, der die Mitte hält zwischen platonischen Ontologismus und dem Nominalismus, oder seiner gemäßigteren Form, dem Konzeptualismus des Abelard, der mit Kant wieder auferstand. Abelard war dabei um vieles genialer als Kant.
Es wird viele vielleicht wundern, daß Thomas in seiner Philosophie viele heutige geistige Strömungen vorweggenommen und kritisch beleuchtet hat. Darum ist er ja gerade so aktuell. Viel Freude beim Lesen.
Gruß,
T.S.
<ul> ~ hier zu den ersten drei Questiones der Prima Pars</ul>
<center>
<HR>
</center> |