Über die Telekom ist eine unwillkommene Verkaufswelle hereingebrochen
Der Verkauf von 44 Millionen T-Aktien im Auftrag eines Kunden der Deutschen Bank brachte vor gut zwei Wochen erst das Telekom-Papier ins Trudeln und dann die Deutsche Bank ins Gerede. Versuchte die Bonner Telefonfirma zunächst, die Schuld am Kursverlust bei dem Frankfurter Institut abzuladen, so wurde in den folgenden Tagen doch deutlich, dass das Desaster hausgemacht ist.
Die Anteilseigner, darunter der chronisch knappe Bund, haben in den letzten Wochen an die 25 Milliarden Euro verloren. Mit Entsetzen konnten sie beobachten, wie eine erneuerte Kaufempfehlung seitens der Deutschen Bank unglücklich zusammenfiel mit dem Verkauf des Pakets an Telekom-Aktien durch eben dieses Institut. Hatte Ron Sommer, der Vorstandsvorsitzende des Bonner Konzerns, schon einen Kurs von 25 Euro in Interviews als nicht akzeptabel bezeichnet, so fehlten ihm offenbar nun die Worte.
Unter 17 Euro notierte das Papier und näherte sich rasant dem Erstausgabepreis von 1996 an, der bei umgerechnet knapp 15 Euro liegt. Da helfen auch Hinweise auf Dividenden und Treueaktien nicht weiter - die Anleger sehen auf ihre einst bewundernswerten Buchgewinne und trauen ihren Augen kaum. Bei mehr als 60 Euro behauptete man im vergangenen Sommer noch, die T-Aktie als eine Art Schnäppchen unter die Leute zu bringen. Den Kursanstieg, der nun nötig wäre, haben kaum die Dotcoms zu ihren besten Zeiten hinlegen können, wie da der hochverschuldete rosa Riese?
Ausverkauf geht weiter
Die 44 Millionen Aktien schienen nur der Anfang zu sein; sie waren es aber nicht einmal. Unbemerkt von der Ã-ffentlichkeit sind in den letzten Monaten bereits Telekom-Pakete auf den Markt geworfen worden. Zwar hatte die Telekom - beraten von wem wohl? Der Deutschen Bank! - bei ihren aktienfinanzierten Einkaufstouren nach Amerika kunstvolle Regelungen ersonnen, um die neuen T-Aktionäre von raschem Verkauf ihrer Papiere abzuhalten. Doch wurde dabei offenbar nicht bedacht, dass die Erwerber selbst knapp bei Kasse, der Telekom nicht in tiefer Treue verbunden und außerdem ziemlich findig sind.
So hat Hutchison Whampoa, ehemaliger Anteilseigner der amerikanischen Mobilfunkfirma Voicestream sein Telekom-Paket, das er im Tausch für die Voicestream-Beteiligung erhielt, per Termingeschäft zu Geld gemacht. Damit kann man einfach gefasste Sperrfristen umgehen, die einen Verkauf vor einem bestimmten Datum verbieten. Aber wenn ein Erlös von mehr als vier Milliarden Euro winkt, lässt man sich eben etwas einfallen. Da zudem Hutchison einer der ersten war, der sich von Telekompapieren trennte, gab es noch den Lohn der Schnelligkeit: 23,60 Euro pro Aktie erscheinen heute als traumhafter Erlös.
Telekom rat- und tatlos
Offenbar rechnete in Bonn niemand mit einem derart brutalen Verramschen dieser Aktienpakete. Anders ist es kaum zu erklären, dass die Telekom hilflos die Deutsche Bank verantwortlich machte. Denn man musste und muss schließlich wissen, dass noch mehr Ungemach droht. Auch die finnische Sonera erklärte schon frühzeitig, dass man den Bestand von 72 Millionen T-Aktien nicht im Tresor lassen werde. Wahrscheinlich spekulierte die Telekom darauf, dass bei den ohnehin niedrigen Kursen auch die Großaktionäre zunächst auf bessere Zeiten warten würden. Immerhin mußte Hutchison fast vier Milliarden Euro abschreiben, die einst als Wert der Telekom-Beteiligung in den Büchern standen. Unterschätzt hat man dabei den Druck der hohen Schulden - Sonera muß 900 Millionen an Schuldendienst leisten, noch in diesem Herbst. Da ist man beim Versilbern nicht zimperlich.
Während man davon ausgehen kann, dass hinter den Kulissen eine klüger gewordene Telekom Schadensbegrenzung betreibt und dies hoffentlich mit lauteren Mitteln, vermisst man auf einem wichtigen Feld noch die Einsicht, und das ist die Presse- und Ã-ffentlichkeitsarbeit.
Das Schweigen des Sommer
Auf dem Höhepunkt der Tumulte äußerten sich viele, gefragt und ungefragt, zur Lage der Dinge - nur die Telekom nicht. Es gebe nichts Neues, hieß es aus Bonn (als sei das bisher stets das Kriterium für öffentliche Äußerungen des Konzerns gewesen). Ganz abgesehen davon, dass man die Beurteilung des Neuigkeitswertes durchaus der Ã-ffentlichkeit überlassen kann, die schon entscheiden wird, ob sie sich gelangweilt, informiert oder getäuscht vorkommen soll, vergrätzte man durch das Schweigen nicht nur die Ã-ffentlichkeit, sondern vor allem Aktionäre, die man nach sonstigen Angaben doch so hochschätzt. Selbst ohne verblüffenden Neuigkeitswert hätte eine Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden immerhin signalisieren können, dass man das Thema ernst nimmt. Das wäre doch schon etwas gewesen.
Wer einem dreißigprozentigen Kursverfall zusieht und meint, dies sei kein Thema, der verabschiedet sich von seinen Investor Relations. Dass die Enttäuschung der zahlreichen Privataktionäre über die Telekom sich auch in einem volkswirtschaftlich schädlichen Abwenden von der Börse insgesamt niederschlagen könnte, muss vordergründig die Telekom nicht kümmern. Auf längere Sicht dürfte man die Kleinanleger brauchen; was man an den Großinvestoren hat, konnte man ja gerade fein beobachten. Mauern und Verschanzen als PR-Konzept haben genauso wie der Kursverlust zum Mißmut beigetragen - ersteres vielleicht sogar letzteren noch beschleunigt. Da ist dringend Umdenken gefordert: Die Telekom ist kein kleines Privatgeschäft um die Ecke.
Was tun, wenn die Telekom nichts tut?
Während viele davor warnen, dass noch hunderte Millionen Aktien die Märkte überschwemmen könnten und bis Jahresende kein Licht zu sehen sei, müssen die Profis doch zugeben, dass die Geschäftszahlen der Telekom zu Hoffnung Anlass geben. Wie es ein Fondsmanager ausdrückte: Es gibt so viele schöne Aktien, da muss man nicht Deutsche Telekom haben - aber man muss sie auch nicht abstoßen.
Aus den gesammelten Urteilen ist herauszuhören, dass die Anlageexperten schwanken zwischen Angst, es könnte weiterhin massiv Druck auf dem Kurs lasten, und der gegenteiligen Angst, man könnte zu spät kommen, wenn der Druck ausbleibt und die Börse auch gute Nachrichten wieder zur Kenntnis nimmt. Zwischen diesen Polen mag der Kleinanleger seine Entscheidung treffen - kein Experte empfiehlt jedoch Verkaufspanik. Wenn dann auch noch eines Tages die Telekom etwas zur Strategie sagt statt nur vom neuen Tarif xy oder Telefonmodell yx zu schwärmen, dann könnte das Schlimmste überstanden sein.
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