13.10.2001
Inland
Ralf Wurzbacher
Nach Demo gemaßregelt
Berliner Schülerinnen und Schüler vorübergehend weggesperrt. Verweise und Tadel ausgesprochen
Vor und nach der Demonstration von mehr als 5000 Jugendlichen gegen die Bombardierung von Afghanistan am vergangenen Montag auf dem Berliner Alexanderplatz sahen sich Berliner Schülerinnen und Schüler mit Strafmaßnahmen der Schulleitungen und Lehrerschaft konfrontiert. Dies geht aus einer Pressemitteilung des Bündnisses »Schülerinnen und Schüler gegen den Krieg« hervor, das am 21. September nach der Ankündigung von Vergeltungsschlägen der USA ins Leben gerufen worden war.
Die Androhung und Erteilung von Verweisen, der Eintrag unentschuldigter Fehlstunden und die Vergabe von Tadeln und schlechten Noten gehörten danach noch zu den harmloseren Abstrafungen, um die Friedensdemonstranten zur Disziplin zu rufen. Am John-Lennon-Gymnasium schreckte man nicht einmal vor zeitweiligem Freiheitsentzug zurück. Um die Schüler der Sekundarstufe I von einer Streik- und Demoteilnahme abzuhalten, wurden sie vorübergehend im Schulgebäude eingesperrt. An der Max-Born-Schule behauptete man gegenüber Schülern, sie liefen Gefahr, wegen Totschlages angeklagt zu werden, sollte jemandem während der Demonstration etwas zustoßen. Ein Lehrer der Carl-von-Ossietzky-Schule erteilte kurzerhand seiner ganzen Klasse einen Verweis.
Wegen einer angeblich drohenden Verbreitung linksradikaler Propaganda auf der Friedensdemo geriet das Bündnis unterdessen in die Kritik der Berliner Schulverwaltung. Dort wird vor ideologischer Vereinnahmung der Schüler durch autonome Gruppen gewarnt. Der CDU-Politiker Stefan Schlede wollte gar antiamerikanische Umtriebe in der Landesschülervertretung ausgemacht haben.
»Keiner darf wegen der Teilnahme an Protesten gegen den Krieg bestraft werden«, empörte sich die Sprecherin des Schülerbündnisses, Doreen Ullrich, über das Bestreben der Schulleitungen, Jugendliche um jeden Preis an der Wahrnehmung ihres Rechts auf Demonstrationen und freie Meinungsäußerung zu hindern. »Wir werden uns gegen die Einschüchterungsversuche wehren«, betonte Ullrich.
Die Mitglieder des Bündnisses wollten sich am Freitag abend bei der Stiftung »Nord-Süd-Brücken« in der Greifswalder Straße 33 a zu ihrem allwöchentlichen Meeting treffen um die Vorkommnisse dieser Woche zusammenzutragen und Maßnahmen zu erörtern, wie man sich künftig bei Sanktionen verhalten will. Im Verein mit der »Berliner Schülervertretung«, der »Bundesschülervertretung«, der Initiative »Jugend gegen Rassismus« und der »Sozialistischen Alternative« will das Bündnis einen Schülerblock bei der Großdemonstration gegen den US-Vergeltungskrieg in Afghanistan am 13. Oktober in Berlin bilden. Desweiteren ruft das Bündnis dazu auf, an allen Schulen Antikriegskomitees zu gründen.
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