Investoren bekommen keine Geschenke mehr von der Börse
Kolumne
Von Marc Faber
Während des Zweiten Weltkriegs landeten amerikanische Truppen auf den abgelegenen und von der modernen Zivilisation unberührten südpazifischen Inseln. Innerhalb kürzester Zeit bauten die Amerikaner auf diesen Inseln, deren Bevölkerung beinahe in der Steinzeit lebte, gewaltige Landepisten für ihre Luftwaffe. Man kann sich ungefähr vorstellen, mit welchem Staunen die einheimische Bevölkerung reagierte, als plötzlich am Himmel riesige drachenförmige und laute Maschinen auftauchten, die dann landeten und bisher unbekannte Güter wie Alkohol, Coca-Cola-Flaschen, Zigaretten, medizinische Mittel und allerlei Lebensmittel mitbrachten und unter den Einwohnern verteilten. Ganz unerwartet hatten plötzlich diese gottverlassenen Inseln die große Lotterie gewonnen. Von nun an würden deren Einwohner, in alle Zukunft, dank der Kriegswirtschaft und dem regelmäßig eingeflogenen, reichhaltigen Nachschubmaterial ein Luxusleben genießen.
Allerdings, die Boomzeit dauerte nicht lange an. So, wie die großen fliegenden Drachen plötzlich erschienen waren, verschwanden sie beinahe über Nacht, als der Krieg 1945 zu Ende war. Mit dem Ende des Krieges verschwanden dann auch alle Güter, die diesen verarmten Inseln einen genussreichen Moment an der Sonne gebracht hatten, ebenso geheimnisvoll, wie sie gekommen waren. Nur was geschah danach?
Die einheimischen Stämme, die auf diesen Inseln wohnten, glaubten fest daran, dass die großen Flugzeuge früher oder später wieder zurückkehren würden, und deshalb bauten sie landepisteähnliche Gebilde, zündeten in der Nacht Feuer auf der Seite dieser langen Grasstreifen und bauten sogar hohe Hütten, in denen jemand, mit Bambusstäben auf dem Kopf, welche Antennen darstellten, sitzen musste - der Flugverkehrskontrolleur -, und warteten geduldig auf das Wiederauftauchen der amerikanischen Flugwaffe und der vielen Geschenke. Auf der Insel Tammu gibt es sogar eine wöchentliche Cargo-Kult-Zeremonie, welche mit Tänzen und Gebeten gefeiert wird und unter der Aufsicht des Propheten"John From" (wie John from America) steht.
Natürlich kamen die großen Flugzeuge nie zurück - so wenig, wie der Nasdaq in absehbarer Zeit (oder je) wieder auf 5000 oder der Neue Markt auf 8000 Punkte klettern wird. Und man mag zwar über die Naivität der Cargo-Kult-Angehörigen lachen. Aber es ist ebenso erstaunlich, wie viele Analysten und Strategen tagtäglich, seitdem die High-Tech-Aktien von ihren Höchstständen im letzten Frühling im rapiden Tempo eingebrochen sind, immer noch eine gewaltige Erholungsphase voraussagen.
Ebenso wenig werden die gewaltigen Haussen an den amerikanischen und europäischen Börsen, welche die Anleger in den neunziger Jahren genossen haben, bald zurückkommen, denn die Unternehmensgewinne werden noch längere Zeit unter Druck stehen und somit die Börsen weiter schwächen. Zudem werden sich in Amerika die aus dem Ausland stammenden Kapitalflüsse, welche das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren mitfinanziert haben, verringern. Die Folge: Das Wirtschaftswachstum wird in den nächsten Jahren enttäuschend ausfallen, und der Dollar wird sich - möglicherweise stark - abschwächen. Die Zeit für Geschenke ist auch für Anleger vorbei
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Schöne Grüße Rebell
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