Privatanleger haben wieder einmal billig verkauft
Rockford/Illinois, 25. Oktober (Bloomberg) - Nach den Terroranschlägen in den USA sind viele Anleger aus Aktienfonds geflüchtet, weil sie weitere Kurseinbrüche befürchteten. Insgesamt haben sie nach Informationen des Fondsbeobachters Lipper Inc. im September 32 Mrd. Dollar aus Aktienfonds abgezogen. Damit folgen sie einem Verhaltensmuster, das privaten Investoren schon viele Verluste eingebracht hat. Sie neigen bei Aktien dazu, einzusteigen, wenn die Kurse bereits kräftig gestiegen sind, und auszusteigen, wenn der Markt am Boden ist. Diesen Fehler haben sie schon in der Golfkrise 1990 und beim Börsencrash 1987 gemacht, und jedes Mal hatten sie das Nachsehen.
Auch Vermögensberater Bruce Brinkman hat schon solche Fälle erlebt. Nach dem 11. September erhielt er einen Anruf von einem seiner Kunden, der unbedingt aus seinen Aktienfonds aussteigen wollte. Er fürchtete, dass auch sein Portfolio bei Sabotageakten von Terroristen leiden könnte. Brinkman hielt diese Ängste für übertrieben und warnte den Anleger, dass ein Verkauf zu den derzeitigen Tiefkursen seinem Portfolio größeren Schaden zufügen dürfte als Terroristen. Der Kunde, ein Universitätsprofessor, ließ sich jedoch nicht von seinen Plänen abbringen."Langfristig hat er sich damit kräftig ins eigene Fleisch geschnitten", seufzt Brinkman, der für Focus Financial Advisors Inc. in Rockford/Illinois tätig ist."Der Ausstieg ist ja noch leicht, aber dann stellt sich die Frage, wo steige ich wieder ein. Schließlich hat er mitten in der Baisse verkauft."
Inzwischen haben sich die Märkte wieder weitgehend erholt. Der Standard & Poor's 500 Index, der in der Woche vom 17. September, als der Handel wieder aufgenommen wurde, um 12 Prozent einbrach, liegt nur noch knapp ein Prozent im Minus. Die meisten Anleger, die ihre Aktien abgestoßen haben, werden ihre Entscheidung bereuen, schätzt Fondsanalyst Peter di Teresa vom Analyseunternehmen Morningstar Inc. in Chicago. Der Exodus aus Aktien nach dem 11. September war"wahrscheinlich etwas voreilig", kommentiert er."Die Investoren dachten, 'O je, es sieht nicht besonders gut aus, und jetzt wird es nur noch schlimmer, also nichts wie raus'", erläutert der Morningstar- Analyst.
Investoren haben offenbar nichts aus früheren Erfahrungen gelernt, bemängelt er."Es gibt so viele Beispiele in der Geschichte, wo der Markt abgetaucht ist", und sich innerhalb von einigen Wochen oder Monaten wieder erholt hat, erklärt er. Als am 2. August 1990 die irakische Armee in Kuwait einmarschierte, verlor der S&P 500 innerhalb von drei Monaten 14 Prozent. Noch im August flossen 2,8 Mrd. Dollar aus Aktienfonds ab. Ein Jahr später lag der Index zehn Prozent höher als am Tag der Invasion. Beim Börsencrash im Oktober 1987 zogen Anleger im November 7,5 Mrd. Dollar aus Aktienfonds ab. Bis zum Ende des folgenden Jahres war der Index wieder bis auf zwei Prozent an das Niveau vor dem Crash gestiegen.
Der Bullenmarkt Ende der 90er Jahre habe bei den Investoren die Illusion genährt, dass Aktien und Aktienfonds zwar vorübergehend an Wert verlieren könnten, sich aber immer schnell wieder erholen würden, berichtet di Teresa."Der Bullenmarkt hat nie eine längere Pause eingelegt", merkt er an."Und für die Investoren wurde das zum Normalzustand." Nachdem die Börse inzwischen in die längste Baisse seit den 70er Jahren abgetaucht ist, müssten die Anleger lernen, dass Aktien nicht sofort wieder steigen, resümiert er.
Immerhin lassen sich die Verkäufe nach di Teresas Auffassung als Kontraindikator deuten, der ein Ende der Talfahrt anzeigt. Schließlich reagierten Fondsanleger generell auf Entwicklungen in der Vergangenheit."Es ist natürlich nicht möglich, so etwas exakt vorherzusagen", gibt er zu. Vernünftige Investoren versuchten auch gar nicht erst, den Markt so genau abzupassen."Aber ich würde eine Gelegenheit wie diese nutzen, um zu kaufen, solange die Kurse noch niedrig sind."
Finanzberater Morris Armstrong hat der Anlegerflucht vorgebeugt. Bei Ereignissen, die den Markt erschüttern, ruft er häufig seine Kunden an, bevor diese bei ihm um Rat suchen. Keiner seiner Kunden sei nach dem 11. September aus Aktien ausgestiegen, berichtet der Chef von Armstrong Financial Strategies in New Milford/ Connecticut stolz."Schauen Sie sich die Aufwärtsbewegung seit dem 21. September an, das ging richtig schnell", beobachtet er."Wenn ein Anleger am 17. September geflüchtet ist, wann soll er dann wieder einsteigen?"
Trotzdem müsse ein Vermögensberater die Schmerzgrenze seiner Kunden berücksichtigen, gesteht Armstrong ein. Manchmal sei eine Umschichtung angebracht, auch wenn der Finanzberater Aktien als die beste Alternative sehe."Wenn jemand zu mir kommt und mir erzählt, 'Ich kann nachts nicht mehr schlafen, ich wache mitten in der Nacht schweißgebadet auf, meine Altersvorsorge ist um 30 Prozent geschrumpft', was soll ich da tun?" klagt Armstrong."Warten, bis er einen Herzanfall bekommt?"
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Was wollt ihr denn in den Rettungsbooten - die Titanic ist doch unsinkbar!
tofir
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