>Prof. Dr. Ignaz Walter! Oder meine früheren Postings, in denen ich versucht habe darzustellen, wie ein Fischer eine Zeitlang nur zwei anstatt drei Fische pro Tag ißt, sich dadurch Subsistenzmittel für jene Zeitspanne verschafft, die er benötigt, um ein Fischerboot und ein Netz anzufertigen, wobei er mit diesen Hilfsmitteln dann 30 Fische pro Tag statt bloß 3 fangen kann.
Ah ja, ok. Den Thread hab ich nicht mehr so beachtet. Mir scheint es nämlich, dass man sich argumentativ ziemlich krumm machen muss, damit man sowas hinkriegt, also"Kapital aus dem Nichts schaffen." Den Ansatz des Debitismus, dass es grundsätzlich mit einem Vertrag beginnt, der dann erfüllt werden muss, erscheint mir doch etwas weniger gekünstelt und realitätsfern als das (altbekannte) Fischer-Beispiel.
Zwei Prinzipien haben für mich Schlüsselcharakter:
1. Wirtschaft beginnt erst mit der Einführung von Eigentum.
Eigentum (eine juristische Institution, abstrakter Titel) ist dabei zu unterscheiden von Besitz (physischer Beherrschung). Eigentum ist nur eine von drei bekannten Grundlagen, auf denen meschliche Gesellschaften aufgebaut werden und wurden. Die beiden anderen sind 1) Familienverband (oder Stammesgesellschaft), in der jeder zur uneingeschränkten Solidarität verpflichtet ist. 2) gibt es Feudal- oder Befehlsgesellschaften (Beispiele sind eben Feudalismus und Kommunismus), in denen Güter ohne Gegenleistung hin- und her disponiert werden.
Die Eigentumsverfassung sieht eben (in einer puren Form) vor, dass Eigentum völlig unverletzlich ist. Man darf darüber jede Vereinbarung treffen. Man darf es inbesondere auch verlieren und vermehren.
Ein Beispiel mit Fischern, wie von Dir angeführt, ist in einer nicht-Eigentumsgesellschaft so sinnvoll, wie aus Gier eine Ã-lquelle leer zu pumpen, obwohl man weder Fässer noch eine Pipeline hat, um es zu behalten.
Das Argument ist, so verstehe ich es, nicht, dass man nicht theoretisch auch die Fischer-Geschichte durchziehen könnte. Tut aber kein verünftiger Mensch. Das gibt höchstens eine Eiweissschock.
Was vernünftige Menschen aber tun -- in einer Eigentumsgesellschaft -- das sind Verträge, insbesondere auch Verträge, bei denen einer etwas vorstreckt. Vorschuss auf Kredit. Da kommen wir zu meinem zweiten Prinzip:
2. Kein Vertrag (mit Vorschuss) ohne Sicherheiten
Eine, scheinbar fast die wichtigste Möglichkeit, eine Vereinbarung über Eigentum zu treffen ist die, es als Sicherheit für so einen Vetrag zu hinterlegen. Damit einher geht die die Laufzeit des Vertrages andauernde Unmöglichkeit, es zu Verkaufen. Es ist blockiert.
In den verschiedensten Eiegntumsgesellschaften sind hier immer wieder ähnliche Vetragsarten aufgetaucht, immer mit ählichen Instanzen
- schriftliche Fixierung
- Zeugenregelungen bei Vertragsabschluss
- Vollstrecken bei Vertragsbruch über Sicherheiten
- Übergang von einer Forderung auf den nächsten, die berühmte Zession
- Einrichtung von Märkten
- professionelles Vorstrecken (Verleiher, Banken)
- Ablösung und Entfernung der Forderung von ihrem physischen Inhalt
- Lebensweise des Kapitalrentners (durch Verleih im grossen Stil)
Besonders macht uns dabei die Entfernung einer Forderung vom physischen Inhalt zu schaffen. Die Verbindung wird einfach nicht mehr gesehen. So können Regierungen oder Despoten zeitweise die Verbindung ganz kappen, Beispiel Aufhebung von Goldstandards, noch und noch. Oder Terminmärkte, an denen Lieferung nur eingeschränkt möglich ist.
Dadurch wird aber sozusagen der Realitätsanker entfernt, und das System rutscht unweigernlich in den Exzess.
Das Fischer-Beispiel unterstellt nähmilich etwas als grundlegend, was nur in einer Eigentumsgesellschaft Sinn ergibt: das Maximieren von Produktion bei Geringhaltung der Kosten (Produktivitätsmaximierung). Dadurch kann man immer mehr Eigentum erwerben: Eigentumsmaximierung.
Die beiden anderen gesellschaftliche Formen haben aber andere Regeln, aus denen so ein Verhalten keinen Sinn ergibt. In der Stammesgesellschaft ist es vielmehr von Vorteil, viele Verwandte zu haben, weil jeder voll für seine Angehörigen einstehen muss. Am wichtigsten ist also die Maximierung der Verwandschaftsbeziehungen (zum Beispiel durch Frauentausch zur Heirat). In der Befehlsgesellschaft gibt es überhaupt nur die Herrschenden, die rationale Entscheidungen treffen können, alle andern sind dem Zwang unterworfen. Aber hier ist die vernünftigste Maxime die Maximierung der Untertanen. Das kann man erkennen an Einrichtungen wie der Berliner Mauer oder der Tatsache, dass in feudalen Zeiten Landgüter danach gemessen wurden, wieviel"Seelen" sie umfassen.
Wenn nun ein übereifriger junger Steinzeitbewohner die Idee gehabt hätte seine"Produktion" zu maximieren, indem er nicht wie gewohnt ein Wild erlegt, sondern eine abends -- völlig abgekämpft -- 15 tote Rehe aus dem Unterholz Richtung Lagerfeuer zerrt, dann wären die anderen sicher nicht vor Freude aufgesprungen, sondern hätten ihn eher angewidert oder mitleidig angeguckt."Was willst Du mit den ganzen Tieren, die sind doch bald verkommen", hätten alle gedacht. Das wäre eben eine gefährlich unvernünftige Verhaltensweise in einer solchen Gesellschaft, weil die Familie viel eher auf seine Arbeitskraft und Gesundheit (und gesunde Wildbestände) angewiesen ist, als auf"Kapital aus dem Nichts."
Genauso wenig half es einem in der DDR viel zu arbeiten. Demontration guten Untertanentum durch Parteimitgliedschaft und dergleichen war viel besser für das eigene Wohlergehen. Es kam auch nicht auf Kapital an, sondern darauf, Privilegien zu erlangen.
Ob ein Fischer also mehr Fisch fangen kann oder nicht, das ist überhaupt gar nicht die zentrale Frage.
So seh' ich das, Galiani. Sagt Dir das was?
Gruss,
-caspar
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