>Bild der Wissenschaft 11/2001
>Artikel"Antike Wechselkurse", S.66 - 68
>Auszüge:
>"Sagt euren Vertretern, sie sollen mir Zinn und Textilien geben - zu den Bedingungen, die gemeinhin bei der Übergabe gelten: Wert in Silber etwa ein Talent. Von mir (für diese Waren) erworbenes Silber wird an sie (die Vertreter) in der Menge von jeweils zehn Minen geliefert."
Zinn war das Schlüsselmetall, denn ohne Zinn keine Bronze, keine Hartwaffen - nach Gold.
Allerdings galt Anatolien als Hauptlieferant für frühes Zinn, siehe dazu
diesen Zinn-Oxhide-Ingot:
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Eines der wirklich raren Stücke, gefunden 1984 in einem Schiffswrack an der südwestlichen Küste der Türkei. Erhaltungsprobleme durch Wasserkühle überdeckt, Herkunft unklar, aber da anders als die sonstige Zinnvorkommen (vor allem GB, aber offenbar auch Sardinien, evtl. Zypern und"irgendwie irgendwo" in Deutschland, weshalb die"Singener" Bronze-Dolche, gefunden 1950/58); vermutlich doch Ostanatolien, lässt sich wg. der schnellen Oxydation nicht feststellen.
>Knapp 4.000 Jahre alt ist diese Anweisung, die der Händler Alim-ahun an seinen geschäftspartner Ilabrat-Bani richtete. Überliefert wurde sie auf einer der mehr als 20.000 Keilschrift-Tontafeln, die im antik-anatolischen Kültepe (rund 20 Kilometer nordöstlich der türkischen Kayseri) geborgen wurden. Kültepe war im bronzezeitlichen Vorderen Orient ein internationaler Handelsplatz, der fest in der Hand von assyrischen Kaufleuten lag.
>[...]
>Die Gründung des babylonischen Reiches unter Hammurabi (um 1750 v. Chr.) stieß einen ungeheuren Warenverkehr für Königshof und Tempel an. Da wurden Wertmesser für den Handel unerlässlich."Zahlungen und Käufe", schreibt der ehemalige Leiter der Staatlichzen Münzsammlung München, Hans Gebhart,"wurden mit abgewogenen Metallstücken, aber auch mit Naturalien, auf dem Lande mit Getreide beglichen."
Das stimmt so nicht. Stücketausch = mit Silber. Gattungstausch (z.B. Getreide) = bis heute unklar (mir jedenfalls).
>Von der Währung"Getreide" leitet sich die kleinste mesopotamische Gewichtseinheit im 2. Jahrtausend v.Chr. ab:"Uttetu" beziehungsweise"se" gleich 46,75 Milligramm - so viel wie ein Getreidekorn wiegt. Das Gewicht von 180 Getreidekörnern (8,4 Gramm) entspricht der Maßeinheit des Schekels. 60 Schekel (0,505 kg) sind eine Mine, 60 Minen (30,3 kg) ein Talent. In Syrien dagegen wog ein Talent [...]
Klar.
>Der Händler kaufte in Assur, wo Zinn verhältnismäßig billig war, für eine Mine Silber 15 Minen Zinn ein.
Zinnvorkommen in Assur? Ich glaube, da liegt eine Verwechslung vor. Es war genau umgekehrt: Zinn in Anatolien, Silber in Assur (babylonischer Beritt).
Aber das Verhältnis 1: 15 ist sensationell! Damit haben wir endlich ein weiteres"missing link" für die Metall- und Gewaltmetallgeschichte.
Wenn Silber: Zinn = 15: 1 und (grob gerechnet), Kupfer: Zinn (um Bronze darzustellen) = 8: 1 (also 9 Einheiten Metall), haben wir - ceteris paribus und jederzeitige Verfügbarkeit der Metalle vorausgesetzt, wonach sich die Preise für Kupger und Zinn stabil halten müssten, da das eine ohne das andere für Bronze nichts taugt, der Rest der Preisbildung kann sich selbst überlassen bleiben - endlich also:
Silber: Bronze = 135: 1. (Wenn ich nicht Denk- oder Rechenfehler mache, vor Aufregung).
Bekannt war in der römischen Zeit, siehe Moesta/Franke, ein Silber/Kupferverhältnis von 1: 240. (Auch münzmetallisch ausführich geposteter As-Standard).
Und siehe den Tyrann Pheidon, Erfinder der Metallbewaffnung ("Hopliten"-Phalanx, vgl. auch Goldvortrag Friedrichroda, ex Heinsohn/Steiger) wie
400: 1.
Ist das so, dann wurde das Kriegführen den Kerlen damals geradezu durch die Fortschritte in der Metallurgie subventioniert! Mit immer weniger Silber (Optionsmetall für ertragbringende Sachen) konnte ich mir den gesünschten Ertrag gleich direkt - via Gewaltmetall (Bronze, Eisen) - abholen.
>Dafür bekam er in Anatolien, wo Silber in größeren Mengen abgebaut wurde und dadurch billiger war, zwei Minen Silber. Ein einziger Zinn-Transfer von Assur nach Anatolien verdoppelte also den Einsatz an Silber - sofern der Handelspartner ehrlich war. Die Kaufleute Sumi-abia, Al-tab und Kuziza in Kanesch hatten jedoch Grund zur Reklamation:"Wir überprüften (das Gewicht) eures Zinns", schrieben sie an den assyrischen Händler Imdilum,"und stellten ein Defizit von einer Mine fest". Auch Imdiluns vorangegangene Aufforderung"(Erzielt einen Preis) für mein Zinn von (einem Silber-Schekel) je sieben Schekel Zinn" empfanden sie als Zumutung:"Wisst ihr nicht, dass Silber teuer ist?"
Ja, wurde im Verlauf natürlich relativ immer teurer, siehe das Nickel/Edelmetall-Verhältnis in der Grafik Friedrichroda! Dennoch: Es muss sich m. E. um eine Verwechslung der Herkünfte handeln, was aber für die Preisrelationen keine Rolle spielt.
>[...]
>Wie aber konnte der Fernhandel funktionieren, wenn in unterschiedlichen Regionen verschiedene Gewichtssysteme verwendet wurden? [...] Margarete van Ess, stellvertretende Leiterin der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin, spricht von einem"verkappten Umrechnungssystem". Konnte doch das Gewicht einer beliebigen Menge Silber - egal ob in Assyrien, Anatolien oder Ägypten - mit Hilfe von Wiegesteinen ohne weiteres festgestellt und mit den lokalen Maßeinheiten in Beziehung gesetzt werden.
Ja, olle Kamelle. So blöd waren die damals nicht.
>Von der Existenz eines"Universal-Konvertierungssystems der Alten Welt" sind nach eingehender Untersuchung der unterschiedlichen Gewichtseinheiten dagegen Alfredo Mederos (Universidad Complutense in Madrid) und Clifford Lamberg-Karlovsky (Peabody Museum der Harvard University) überzeugt. Mit verschiedenen Rechenexemplen versuchen die Wissenschaftler zu beweisen, dass die verschiedenen Systeme ineinander umgerechnet wurden. Der ugaritische Schekel (9,4 g) etwa ist fast genauso schwer wie die ägyptische Einheit Kite und - verfünffacht - exakt so schwer wir zwei hethitische Schekel. Und 9,4 Gramm mit 3000 multipliziert ergibt das Gewicht eines syrischen Talents (28,2 kg).
Auch da ist was dran.
Vgl. Ausstellung in F.:
[b][i]Der"heilige" Shekel kann bis 17,4 g gegangen sein (später 14,55 g). Der spätere Shekel (persisch"siglos = 1/20 der Dareike) würde nur noch 5,6 g ausmachen. Das babylonische Münzgewicht wiegt 27,02 g und soll 3 Shekeln entsprochen haben.
Die drei ägyptischen Edelmetallgewichte (ca. 11. - 9. Jh. v. Chr. Diorit, 2 Quedet 18,73 g, Halb-Quedet 4,74 g, Sechstel-Quedet 1,55 g) deuten auf das Abwiegen von Goldstaub hin. Das alte Ägypten hatte keinerlei Münzen aus Edelmetall. Da Goldstaub im Gewicht von 1,55 g niemals umgelaufen sein konnte, müssen die Gewichte zum Zwecke des Abwiegens von Gold-Tributen gedient haben. Golddepot-Banken sind aus Ägypten nicht überliefert."
Also"Quedet" (= Kite) = 2 mal 4,74 g = knapp 9,5 g.
>Kaufleute wie Sumi-abia, Al-tab und Kuziza musten also nicht nur eine gehötige Portion Skepsis gegenüber den Angaben und Forderungen ihrer Handelspartner aufbringen, wollten sie im Geschäft bestehen. Auch die genaue Kenntnis der verschiedenen Gewichtseinheiten und des aktuellen Metall-Wertes gehörte zum Händlerwissen:"Derzeit ist der Wechselkurs von Zinn zu Silber 9:1... Trotzdem haben wir euer Zinn... zu Euren Konditionen angenommen" heißt es in dem Keilschrift-Brief an den assyrischen Partner Imdulim.
Silber: Zinn wie 1: 9! Obiges Beispiel 1: 15. Da war aber wirklich was los, ich kann nur nochmals auf den Chart Nickel/Cu/Au/usw. verweisen, siehe Vortrag.
Vermutlich sind die Quellen aus einer"Umbruch"-Zeit; denn wer interessiert sich schon für Metallrelationen, die um Mini-Prozente voneinander abweichen.
Also: Extrem interessant und jetzt müssen wir in die Details gehen, vor allem die Datierung. Da ohne Zinn keine Bronzezeit... und wenn wir es auf Hammurabi datieren, Jessas, wie spannend!
Nochmals dankend, grüßend
d.
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