Im Frühjahr 1998 bot eine Gruppe von elf Mafiosi einem verdeckten Ermittler acht Zylinder angereicherten Urans (Isotope 235 und 238), wie sie gewöhnlich für Kernreaktoren verwendet werden. Die Mafiosi suchten nach reichen Aufkäufern, am besten aus dem arabisch-terroristischen Milieu. Die Ermittler versuchten sich als arabische Terroristen auszugeben. Zuerst bissen die Mafiosi auch an. Sie verlangten 40 Mio. US-Dollar, gaben sich aber mit der Hälfte auf Schweizer Konten zu frieden.
Zur Probe überließen sie den verdeckten Ermittlern des GICO zwei der acht Brennstäbe. Die Ermittlungen im Nuklearzentrum von Casaccia ergaben, dass es sich zweifelsfrei um auf 20 Prozent angereicherte Uran-Isotope 235 und 238 handelte. Die Physiker warnten davor, die Mafiosi noch lange mit dem Material herum laufen zu lassen. Die Brennstäbe seien hochradioaktiv und sehr gefährlich. Doch irgend etwas ging schief. Vielleicht dauerten die Verhandlungen, die meist in einem noblen Cafe´ an der römischen Flanierstraße Via Veneto stattfinden, zu lange und die Mafiosi wurden misstrauisch, wie Hauptmann Ferroni den Misserfolg der Aktion nun eingestehen musste. Der Polizei gelang nur, einen der acht angebotenen Uran-Brennstäbe von 90 Zentimetern Länge zu beschlagnahmen, Erkennungsnummer 6910. Dieser enthält 40 Gramm angereichertes Uran. Die anderen sieben bleiben seitdem verschwunden.
Die Mafiosi werden im Oktober 2000 in Catania zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt: Der Handel mit Nuklearmaterial wurde wie ein Kavaliersdelikt behandelt. Das Gefährliche ist: In Händen skrupelloser Verbrecher können aus den Brennstäben lebensbedrohliche Waffen werden. Zwar reicht die Menge nicht für den Bau einer Atombombe aus, aber mit Sprengstoff ummantelte Brennstäbe könnten leicht gezündet werden und so ganze Stadtviertel mit Uran 235-238-Nebel und -Teilchen hochradioaktiv verseuchen.
Das Problem heute ist: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die sieben verschwundenen Brennstäbe wirklich den Weg ins Waffenlager Bin Ladens angetreten haben: Im Februar dieses Jahres hat ein Abtrünniger El-Kaeda-Terrorist names Al Fadl der CIA und dem FBI berichtet, dass Bin Laden bereits Mitte der 90 Jahre - damals noch im Sudan - Zylinder angereicherten Urans besessen hätte. Nach dem kurzzeitigen Auftauchen in Italien sind die Brennstäbe seit zwei Jahren auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Hätte US-Präsident George W. Bush die atomare Bedrohung durch Bin Laden in diesen Tagen nicht mehrmals besonders betont, wären der Transit des Urans durch Italien wohl allein ein Geheimnis der italienischen Fahnder geblieben. Sicher wollte man in Rom nun verhindern, eine"brutta figura" als schlampige Polizisten darzustellen.
Die wirklich schlechte Figur aber machen die USA selber. Denn die sieben verschwundenen - und nun vermutlich wirklich in terroristische Hände gelangten Brennstäbe - kamen im Rahmen des Programms"Atom for peace" als Teil einer Lieferung von ingesamt acht Kilogramm angereichertem Urans aus dem amerikanischen General Eletric Laboratories in San Diego in Kalifornien und wurden Anfang der 70er Jahre in den Kongo verschickt. Dort, in Kinshasa, sollten die Brennstäbe im Forschungsreaktor Mark II eingesetzt werden. Als das Mobutu-Regime 1997 zusammenbrach und der Diktator nach Frankreich floh, nahm er die Brennstäbe gleich mit. Und Mobutu hängte nicht nur die Oppositionellen ab, sondern auch CIA und FBI: Bis zum kurzzeitigen Wiederauftauchen in Händen von Angehörigen der römischen Mafia-Familie"Banda della Magliana".
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