Pressemitteilung
TĂśRKEI
REGIERUNG MUSS SOFORT EFFEKTIV GEGEN FOLTER VORGEHEN
Folter nach wie vor weit verbreitet / Notorisch sind vor allem Polizeistationen / Zu den Opfer gehören selbst Kinder / Foltervorwürfe werden selten untersucht / Verantwortliche bleiben straflos / Schalldichte Verhörräume lassen Bemühungen zur Abschaffung der Folter zweifelhaft erscheinen
Bonn, 8. November 2001- Folter ist in der Türkei nach wie vor ein so weit verbreitetes Phänomen, dass beinahe jeder Bürger in Gefahr ist, gefoltert zu werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) in ihrem heute veröffentlichten Bericht Turkey: An end to torture and impunity is overdue!. Die darin dokumentierten Fälle stammen aus allen Bevölkerungsschichten und Landesteilen. Das deutet darauf hin, dass in der Türkei systematisch gefoltert wird."Trotz aller Erklärungen der türkischen Regierung sehen wir bisher keine ernsthaften Anzeichen dafür, dass sie die Folter und die damit verbundene Straflosigkeit für die Täter bekämpft", beklagt dieTürkei-Expertin der deutschen Sektion von amnesty international, Barbara Neppert.
Berichte, nach denen es schalldichte Verhörräume geben soll, erhärten die Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bemühungen der türkischen Regierung, die Folter abzuschaffen. Menschenrechtsverteidiger wiesen außerdem die Anwendung spezielle Foltertechniken nach, die keine Spuren hinterlassen. Sie werden vor allem dann angewandt, wenn die baldige Freilassung aus dem Polizeigewahrsam zu erwarten ist.
Häufig haben die Festgenommenen keinerlei Kontakt zu Außenwelt (Incommunicado-Haft). Sie dürfen weder einen Rechtsanwalt, noch einen Arzt oder Familie und Freunde informieren und dies, obwohl ihnen während des gesamten Verfahrens Rechtsbeistand zusteht. Personen, die unter die Rechtsprechung des Staatsicherheitsgerichtshofes fallen, können allerdings legal bis zu vier Tagen in Incommunicado-Haft gehalten werden.
Zu den Opfern gehören jedoch nicht nur Verdächtige, die unter die Anti-Terror-Gesetzgebung fallen, sondern auch Menschen, die einfacher Straftaten beschuldigt werden. Selbst Kinder werden nicht verschont. Gefoltert wird vor allem im Polizeigewahrsam, aber auch während der Überführung in Gefängnisse. Während der Verhöre werden Häftlingen routinemässig die Augen verbunden. Das verhindert, dass sie ihre Folterer identifizieren können. In einigen Fällen wurden Häftlingen für die gesamte Dauer der Polizeihaft die Augen verbunden.
Die Opfer werden geschlagen, nackt ausgepeitscht oder sexuell missbraucht. Man droht damit, sie zu vergewaltigen oder zu töten, quält sie mit elektrischen Schlägen oder indem man sie an den Armen aufhängt. Essen, Trinken, Schlaf und das Benutzen der Toiletten werden ihnen verwehrt. Um zu verhindern, dass Ärzte und anderes medizinisches Personal Fälle von Folter dokumentieren, kommt es immer wieder zu Einschüchterungen.
Rechtsanwälte und Menschenrechtsverteidiger sowie einige Staatsanwälte in der Türkei sind sich einig, dass die Anwendung von Foltermethoden auch mit der Rolle zu tun hat, die erzwungene Geständnisse bei der Untersuchung von Verbrechen spielen: Diese werden später vor Gericht als"Beweise" gewertet. Die Opfer schweigen aus Furcht, und wenn sie reden, gehen die Staatsanwälte nur ungern auf ihre Vorwürfe ein."Dass die türkischen Behörden solchen Anschuldigungen nicht nachgehen, lässt nicht nur die Täter ohne Strafe davonkommen, sondern trägt auch zu unfairen Verfahren für das Opfer bei. So kommt es in einigen Fällen sogar zu Justizirrtümern", sagt Barbara Neppert.
amnesty international fordert die tĂĽrkische Regierung deshalb auf,
Die Incommunicado-Haft abzuschaffen und sicherzustellen, dass alle Festgenommenen unverzüglich Kontakt mit einem Anwalt, einem Arzt und ihrer Familie aufnehmen können;
das Verbinden der Augen in Polizeigewahrsam zu verbieten;
längere Isolationshaft - auch in F-Typ-Gefängnissen - zu beenden;
alle Beschwerden und Berichte ĂĽber Folter und Misshandlung,"Verschwindenlassen" und extralegale Hinrichtung unverzĂĽglich und effektiv zu untersuchen;
die Verantwortlichen fĂĽr Folter und Misshandlungen vor Gericht zu stellen;
Aussagen, die unter Folter erzwungen wurden, nicht als"Beweise" zu werten.
Die UNO hat die Türkei vor einem Jahr aufgefordert, dem Kampf gegen die Folter höchste Priorität einzuräumen."Nun müssen die türkischen Behörden ihre Erklärungen auch in die Tat umsetzen: Die Regierung muss ein klares und deutliches Signal senden, dass Folter nicht akzeptabel ist und die Täter zur Verantwortung gezogen werden", fordert ai-Türkei-Expertin Barbara Neppert.
Quelle
(thks Oldy!)
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