"Goldpreis im kommenden Jahr bei 288 Dollar"
An diesem Dienstag Goldauktion in England / Normalität kehrt zurück
chs. LONDON, 26. November. Die an diesem Dienstag in London stattfindende Goldauktion der Bank von England sehen die Investoren als Gradmesser für die Entwicklung des Goldpreises bis zum Jahresende. Die britische Notenbank versteigert 20 Tonnen. Im Frühjahr wird an zwei Terminen im Januar und März noch einmal jeweils die gleiche Menge in den Markt gebracht. Dann ist die Serie von 17 Versteigerungen in drei Jahren beendet, bei denen sich die Zentralbank von insgesamt 395 Tonnen getrennt haben wird. Gut 400 Tonnen Gold wird sie behalten. Goldmarkt-Experten halten für möglich, daß die Auktion einen Boden unter den zuletzt fallenden Preis einzieht. Das Edelmetall hat etliche Akteure enttäuscht, weil es sich nach den Terroranschlägen vom 11. September nur kurze Zeit als sicherer Hafen erwiesen hat. Das Niveau von mehr als 290 Dollar je Feinunze konnte Gold nicht einmal bis in den Oktober halten. Gestern notierte die Feinunze in London bei 272,50 Dollar, knapp über dem Niveau vom 10. September.
Tendenziell ist damit eine Rückkehr zur Normalität am Goldmarkt festzustellen. Einige Händler verwiesen darauf, daß nach den vergangenen drei Goldauktionen der Bank of England der Preis gestiegen sei."Die Leute sehen mehr Auftriebs- als Abtriebspotential", sagte ein Analyst. Auch der längerfristigere Ausblick ist verhalten positiv. Nach einer Umfrage der Beratungsgesellschaft"Access Economics" erwarten die zehn führenden Analysten weltweit den Goldpreis im kommenden Jahr durchschnittlich bei 288 Dollar je Feinunze. Wer an einen Preisanstieg glaubt, weist zur Begründung oft auf die Möglichkeit eines schwächeren Dollars hin. Bei einem starken Dollar sind die Förderkosten relativ niedriger, was die Produktion und damit das Angebot erhöht; zudem geht die Nachfrage nach dem in Dollar notierten Edelmetall in wichtigen Absatzländern wie Indien zurück. Die Vertreter der Preissteigerungs-Prognose weisen auch auf eine möglich Rückkehr von Inflationsgefahren hin sowie auf die Möglichkeit, daß weitere Terroranschläge die Welt unsicherer machen könnten.
John Reade von UBS Warburg etwa hält einen Goldpreis von mehr als 300 Dollar im kommenden Jahr für möglich. Sein Kollege Andy Smith vom Handelshaus Mitsui hat zudem strukturelle Gründe für mögliche Preisanstiege ausgemacht: Um den australischen Goldförderer Normandy ist ein Übernahmekampf zwischen den Bergbaukonzernen Anglogold und Newmont entstanden. Wenn sich Newmont durchsetze, könne das beliebte, in der Tendenz aber preisdrückende Hedging von Gold in Zukunft zurückgedrängt werden, denn das Unternehmen verfolge eine andere Strategie. Nicht gut ist es aufgrund der weltwirtschaftlichen Lage um die Nachfrage nach Goldschmuck bestellt, woran Howard Patten von Barclays erinnert. Er sieht auch wenig Interesse an Gold als Anlagemittel und erwartet einen Goldpreis von 260 Dollar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.11.2001, Nr. 276 / Seite 29
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