Hallo
Eine"gerechtere Verteilung" der Güter der Erde wird üblicherweise von"egalitärer" Seite gefordert. Der"moralische" Ausgangspunkt für eine solche Forderung ist, daß der Fordernde glaubt, den subjektiven Nutzen von Werten a priori zu kennen. So wähnt er sich (fälschlicherweise) in der Lage, darüber urteilen zu können, wie eine"optimale" Verteilung der Güter unter denen, die am Marktgeschehen teilnehmen (können) und Güter bzw."Werte" haben wollen, aussehen sollte. Und deshalb meint er, diese Teilnehmer am Marktgeschehen jedenfalls anders und besser mit den verfügbaren Gütern bzw. Werten eindecken zu können, als der Marktmechanismus selbst das vermöchte.
So kommt es zu einer (mit mehr oder weniger friedlichen Mitteln bewerkstelligten und mehr oder weniger direkten)"Umverteilung" der verfügbaren Güter. Das Ganze ist - wie ich gleich versuchen werde zu erläutern - eine Selbsttäuschung, ein intellektueller Irrtum. Sehr schön hat das F. Bastiat, der große französische Liberale, in seiner Abhandlung «Was man sieht und was man nicht sieht» gezeigt ([Mein Bastiat-Posting]).
Das Wort"gerechte Rechtsordnung" hat hingegen einen geradezu gegenteiligen Wortsinn. Was damit ausgedrückt werden soll, ist, daß die Rechtsordnung eben keinen der am Marktprozeß Teilnehmenden speziell bevorzugen darf, sondern allen Menschen die gleiche Chance einräumen muß. Eine"gerechte Rechtsordnung" geht davon aus, daß eben niemand a priori wissen kann, welche Verteilung der Werte und Güter in der Welt"am besten" ist, sondern daß diese Frage einzig durch das tatsächliche Geschehen auf einem freien Markt beantwortet wird. Die Aufgabe einer"gerechten Rechtsordnung" ist es (unter anderem natürlich), sicherzustellen, daß der Markt frei von Manipulationen und Pressionen und die Marktteilnehmer in ihrem Handeln frei von Zwang sind.
Die Göttin der Gerechtigkeit, Justitia, trägt eine Augenbinde, um sie"blind" zu machen bezüglich der Frage WER unter den vielen Marktteilnehmern vor ihr steht; alle sollen die gleichen Ausgangschancen haben. Diejenigen dagegen, die eine "gerechtere Verteilung" der Güter unter den Marktteilnehmern vornehmen wollen, fordern ausdrücklich, der Justitia diese Augenbinde eben abzunehmen, so daß sie (obwohl ihr das prinzipiell unmöglich ist) besser"sehen können" soll, [i][u]wer unter den Marktteilnehmern ihrer Ansicht nach mehr oder weniger würdig oder bedürftig ist.[/i][/u]
Das wollte der (unbekannte) Zeichner wohl ausdrücken, der das (aus dem Pfaffenspiegel stammende) Bild der Justitia, die eine Binde über beiden Augen trägt, wie folgt paraphrasiert hat: Nur der Narr, der nicht weiß, was er anrichtet, nimmt der Gerechtigkeit die Augenbinde ab oder - schlimmer noch - macht, daß sie nur auf einem Auge sieht (vgl. Tabarelli W., Ferdinando Galiani-Über das Geld, Düsseldorf 1999; S. 333):
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Ich habe bewußt im Vorstehenden immer wieder von denen gesprochen,"die am Marktprozeß teilnehmen können". Denn die von einer gerechten Rechtsordnung geschützte Marktwirtschaft ist unter allen Wirtschaftsordnungen, die die Menschheit bisher durchprobiert hat, allein imstande, die Grundbedürfnisse, - Essen, Wohnung, Kleidung, medizinische Versorgung und Bildung, - auch jener Menschen zu stillen, die nicht am Marktprozeß teilnehmen; der Alten und Kranken beispielsweise, der Witwe, die kleine Kinder großzuziehen hat - oder auch der ganz einfach im Leben Gestrauchelten. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte leben wir heute in den kapitalistischen Ländern in einer Wirtschaftsordnung, die genügend Güter bereitstellen kann, daß das geschieht, in der es möglich ist, alle Menschen mit den"basic needs" zu versorgen. Das ist die Leistung der Marktwirtschaft, des"Kapitalismus'".
Doch jeder Mensch will"gut sein" und"gerecht". Viele fragen sich, warum das nicht weltweit und auch in den nicht-kapitalistischen Ländern so sein kann, - und wollen das Problem mit"Umverteilungs-Ideen" lösen. Sie vergessen dabei, daß es nicht so viel Reichtum auf der Welt gibt, daß durch dessen Umverteilung den Armen geholfen wäre. Das Armutsproblem der Welt läßt sich nur lösen durch Einführung von marktwirtschaftlichen Strukturen, die von einer robusten,"gerechten Rechtsordnung" geschützt sind. Selbst die Moslems auf dieser Welt, die heute die Industrieländer, insbesondere die USA, vielfach als Werk des Teufels betrachten und es als"ungerecht" empfinden, daß sie, die einst die halbe bekannte Welt beherrschten und führend waren in den Wissenschaften und Künsten, daß sie heute nur die zweite oder dritte Geige spielen, diese Moslems vergessen, daß dies wohl auch (und wahrscheinlich vorwiegend) eine Folge der Tatsache ist, daß sie da und dort auf Despoten hören, sozialistischen Schalmeienklängen folgen und den Kapitalismus mit seiner Dynamik, die er nicht nur dem allgemeinen Wohlstand, sondern damit zusammenhängend auch den Naturwissenschaften und der Technik verleiht, historisch ganz einfach"verschlafen" haben. Ibn Khaldun hat im 14. Jahrhundert gewirkt und seither gibt es keinen einzigen islamischen Wirtschaftsgelehrten von Rang mehr, der sich für die Freiheit, insbesondere für die Freiheit der Märkte eingesetzt hätte.
Aber vielen fällt es unendlich schwer, intellektuell zu akzeptieren, daß wir auch in unserer nächsten Umgebung, also bei jenen"Wirtschaftssubjekten", denen wir uns täglich am Markt gegenüber sehen, nicht in der Lage sein sollten, durch korrigierende Eingriffe in den Marktprozeß eine"bessere", eine"gerechtere" Verteilung der Güter zu erreichen als der Marktprozeß dies vermag. Das geht so weit, daß Leute, die darauf hinweisen, daß das aus theoretischen Gründen unmöglich ist, als verbohrt, rückständig oder beschränkt verunglimpft werden.
Und doch verläuft hier die Trennlinie überhaupt nicht mehr zwischen"Progressiven" und"Konservativen", sondern zwischen"Ignoranten" und"Wissenden". Es ist seit über hundert Jahren bewiesen, daß man Nutzen bzw. Werte nicht kardinal messen kann (Carl Menger, 1873). Genau das zu können, maßt sich derjenige aber an, der die Ergebnisse, die sich auf einem freien Markt einstellen, korrigieren will, indem er dem einen etwas wegnimmt und es dem anderen gibt. Ich darf da nochmals auf mein Bastiat-Posting verweisen. Schon im Mittelalter aber haben die scholastischen Gelehrten den Versuch als intellektuellen Trugschluß gebrandmarkt, den Wert der Güter a priori mathematisch ermitteln zu wollen (was, wenn man es könnte, natürlich zur gerechtfertigten Forderung führen würde, ein allfälliges Manko dessen, der bei einer solchen Berechnung nachweislich schlechter abgeschnitten hat, auszugleichen). Ein ganz großer Gelehrter der Spät-Scholastik, der spätere Kardinal Johannes de Lugo, dessen erstmals 1642 erschienenes Werk"De Justitia et Jure" immer wieder neu aufgelegt wurde (zuletzt 1869) und bezeichnenderweise erst durch Marx'ens"Kapital" aus den Bücherregalen (und dem Bewußtsein) verdrängt worden ist, kommt nach einer langen, sehr scharfsinnigen Untersuchung des Konzeptes eines pretium mathematicum, eines mathematisch a priori ermittelten Wertes der Güter (ib., d. 26, s. iv, n. 40), zum Schluß, daß dieser"nur Gott allein bekannt sei". Er fügt einige Zeilen weiter sogar noch an:"Nur Gott weiß, daß eine derartige mathematische Festsetzung eines Wertes durchaus auch zu dreister Bereicherung und schwerer Hungersnot führen kann. Weil uns aber eben dieser mathematisch richtige Wert nicht bekannt ist, sind wir auf unsere Schätzungen angewiesen und können daher in der Praxis nichts anderes tun, als uns empirisch eine Meinung zu bilden und ihr zu folgen..." [Sicut licet Deo nota sit materia sufficiens mathematice ac furtum grave, vel ad violationem gravem jejunii; quia tamen nobis ignota est, quibusdam illam, sequi possumus practice quamlibet opinionem probabilem, et quaelibet ex illis erit materia gravis juxta diversas opiniones probabilis prudentum.]
Das hat Karl Marx, der de Lugo offenbar weder gelesen, noch verstanden hat, jedoch nicht daran gehindert, sich seine verquere Arbeitswertlehre auf die Fahnen zu heften und von dieser theoretisch völlig lächerlichen Basis aus a priori Werte zu errechnen, was eine der"logischen" Grundlagen seines Gedankengebäudes wurde, welches Lenin erlaubte die Besitzenden zu"expropriieren". Das Ergebnis war prompt die von de Lugo 1642 vorausgesagte"schwere Hungersnot". Der Münchner Universitätsprofessor Fjodor Stepun, der diese Zeit in seiner Jugend durchlitten hatte, erinnerte sich später daran mit den Worten: «Es fehlte in Moskau an allem. Die Menschen verhungerten zu Tausenden... Die um die Särge anstehenden Schlangen waren ebenso lang wie die auf Brot wartenden. Nur etwas gab es in hinreichender Menge - Leichen in der Anatomie...» (Das Antlitz Rußlands und das Gesicht der Revolution - Aus meinem Leben 1884-1922; 1961, S. 375)
Aber die Leute, die mir hier im Forum so emotional widersprechen, wissen davon möglicherweise nichts. Sie wollen nur - ganz naiv - Gutes tun, indem sie wie Robin Hood dem einen etwas wegnehmen, um es dem anderen zu geben. Und allein die Frage, woher sie denn wüßten, daß die Welt nach dieser ihrer Maßnahme besser eingerichtet sei als vorher, empfinden sie als"Frechheit" (wie mir einer der Diskutanten schrieb); sie meinen, das sei so selbstverständlich, daß allein die Frage schon als Frotzelei gemeint sein müsse. Aber das ist keineswegs selbstverständlich! Was diese Leute mit ihrer hehren Gesinnung anrichten, ist, die geistige Landschaft für eine rechtlose Willkür-Herrschaft zu ebnen, wie sie die Welt in den großen Gesellschaftskatastrophen der letzten 250 Jahre schon mehrfach erlebt hat. Denn wer meint, das Wissen zu besitzen, wie die Welt besser einzurichten wäre, der fühlt sich auch im Recht, das - notfalls mit Gewalt und auf Kosten der Freiheit - zu tun!
Es gibt aber keine"gerechtere Verteilung" der Güter unter denen, die am Marktgeschehen teilnehmen können, als die, die sich als Ergebnis des Marktgeschehens einstellt. Die Forderung nach einer"gerechteren Verteilung" der Güter wie die, die sich am Markt von selbst einstellt, ist geradezu ein Gegensatz zur"gerechten Rechtsordnung", die für ein freies Marktgeschehen zu sorgen hat.
Grüße
G.
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