Hi,
die japanischen Alpträume wollen nicht enden. Das Downgrading der Staatspapiere (jetzt geratet wie Italien, beide haben als einzige der G7 kein AAA) hatte zunächst nur einen begrenzten Zins/Rendite-Effekt, da die japanischen Papiere nach dem bekannten, hier schon vorgestellten Muster, direkt in die heimischen Banken gepumpt werden, die sich dafür bei der BoJ zu Quasi-Nullzins"refinanzieren" können, und für das internationale Publikum nicht in Betracht kommen.
Der Versuch, Japan jetzt über eine YEN-Abwertung zu "inflationieren", eine weitere"Krisenbewältigungs"-Variante, ist zunächst in der BoJ gescheitert, er würde auch kaum von Erfolg gekrönt sein, da die Weltmarktpreise vermutlich schneller fallen als sie durch Importverteuerung egalisierbar wären.
Ein Export-Push via Abwertung funktioniert zwar im Elfenbeinturm, stieße aber in der realen Welt auf große Probleme (China und die asiatischen"Tiger" würden vermutlich nicht untätig bleiben). Außerdem müsste die BoJ gewaltigste Summen einsetzen (Kauf von Euro- und Dollartitel), um etwas nachhaltig zu bewegen.
Auch die Länder, deren Währungen hinauf getrieben würden, dürften nicht untätig bleiben, da das Ganze de facto auf ein DUMPING hinausliefe, was alle Teufel der WTO etc. auf den Plan riefe. Die Möglichkeit von"Abwehrzöllen" ist schnell gecheckt, von Strafzahlungen und weiteren Gegenmaßnahmen (Importkontingente für japanische Produkte!) abgesehen.
Inzwischen läuft der japanische Immobilienmarkt (bis zu 80 % Preisverfall seit 1992) weiter in die Krise. Goldman Sachs hat eben erst die Plazierung seines REIT (real estate investment trust) gecancelled, womit die Amerikaner auf ihrem Immobilienbestand (insgesamt 350 Objekte, bewertet zu 6,4 Mrd. DM, wovon 36 Objekte, ca. 1,8 Mrd DM, in dem REIT erscheinen sollten) weiter sitzen bleiben und ihn nicht an Anleger weiterreichen können. Der Goldman/Sachs-REIT wäre übrigens erst der dritte in Japan gewesen, die beiden anderen sind von Mitsubishi und Mitsui Fudosan. REITs sind in den USA seit langem gang und gäbe.
Ein Sprecher: "Given the present market conditions... we decided to postpone the listing."
Die beiden anderen Japan-REITs sind in diesem Jahr scharf eingebrochen, was die FT auf"signs that the property market is deteriorating rapidly" zurückführt.
On Top kommen jetzt Probleme mit den Konsumentenschulden. Die einschlägigen japanischen Finanzierungsinstitute sind zwar erheblich besser kapitalisiert als die maroden Banken und sie galten bisher auch als eine interessante Anlageform für Ausländer, zumal die Zinsmargen exorbitant waren (consumer debts reichen - je nach Lage und Bonität - im Zinssatz bis in die 20 %-Marke und erreichen gelegentlich sogar Sätze, die im europäischen, speziell deutschen Rechtsverständnis als"Wucher" gelten).
Die Top 5 sind Aiful, ACOM, Sanyo Shinpan, Takefuji und Promise und wurden von S & P gerade auf ihre Watchlist gesetzt, dann sie meldeten per Ultimo September für das Halbjahr einen Anstieg der Uneinbringlichkeiten um 33 Prozent.
Dennoch denken die japanischen Konsumenten - ähnlich denen in den USA - überhaupt nicht daran, ihre Schuldenmacherei zurückzufahren, was vor allem für jene Konsumenten gilt, die bei ihren Banken nicht mehr als kreditwürdig gelten. Der Anstieg der Konsumschulden ingsesamt wird nach wie vor als"strong" bzw."robust" bezeichnet.
Die Marge der Top 5 wird mit durchschnittlich 8,3 Prozent angegeben, was auf hohe Refinanzierungskosten der Institute schließen lässt, aber auch darauf, dass immer noch gutes Geld aus dem konsumschuldensüchtigen japanischen Verbraucher herauszupressen ist.
Von den 8,3 % müssen allerdings die Kreditausfälle abgezogen werden, die inzwischen bei 2,9 % liegen (Hj. davor: 2,4 %).
Ein sich möglicherweise anbahnender Zusammenbruch der japanischen Konsumwut im Gefolge der Erkenntnis, dass das Land tatsächlich in einer deflationären Krise mit Einwärtsspiralen-Effekt steckt, hätte freilich höchst nachhaltige Folgen.
Die Antwort auf die Frage, warum Japan nach so langer Krise nicht"endlich" auf breiter Front einknickt und in die Depression abschmiert, kann nur massenpsychologisch gegeben werden. In Japan ist die Wirtschaft letztlich - wie in den USA - von einer Generation abhängig, der nach einem endlosen und daher höchst erfolgreichen Brainwash-Effektes die Vorstellung, dass es wirklich auch mal"richtig schlimm" kommen könnte, komplett ausgetrieben worden.
Man hängt dort, wie in den USA und letztlich auch in Europa, einem Gesellschafts- und Wirtschafts-"Modell" an, das zwar gelegentlich Problemchen kriegen kann ("Rezessionen"), die sich aber entweder durch souverän-kluges Handeln"politischer Instanzen" rasch"ausbügeln" lassen (Zinssenkungen, Konjunkturprogramme, notfalls auch mal größere, wiewohl nicht genau definierte oder gar in ihren Konsequenzen zu Ende gedachte"tiefgreifendere Reformen") oder die sich"irgendwann" wie von selbst" verflüchtigen.
Wir haben es heute in allen hochindustrialisierten Ländern offenbar mit einer besonderen Form der"Persistenz der Aggregate" (Pareto) zu tun, die uns noch viele interessante Einblicke in die Massenseele und das muntere Treiben ihrer Masseure vermitteln dürfte.
Eine der hübschesten Varianten in den USA ist die Applikation des Fläschchens, auf dem steht:
"Rezessionen haben im Schnitt seit dem Weltkrieg elf Monate gedauert."
Oder:
"Wenn das NBER eine Rezession feststellt, ist sie eigentlich schon vorüber."
Wir werden ja sehen, wie die Tinktur dieses Mal wirkt. Vielleicht hat sie ein tüchtiger Arzt namens Dr. von Münchhausen gemixt, der seit jeher predigt, dass es nicht darauf ankäme, was ist, sondern darauf, was man sieht. Was letztlich immer das ist, was man sehen will.
Gruß
d.
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