-->Verdi stemmt sich gegen
Rabattaktionen
Händler greifen zu ungewöhnlichen Mitteln /
Praktiker-Baumarkt gewährt 19 Prozent Nachlaß
nf./Web./wmu. BERLIN/FRANKFURT, 26. November.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi stemmt sich gegen
die im Vorweihnachtsgeschäft geplanten Rabattaktionen im
Handel. Nur kurzfristig seien die Preissenkungen im
Interesse der Verbraucher, letztlich aber gingen sie zu
Lasten der Bedienungs- und Produktqualität und
beschleunigten den Konzentrationsprozeß, sagte
Verdi-Vorstandsmitglied Franziska Wiethold am Dienstag in
Berlin.
Die Branche sieht in den Rabattaktionen im
Weihnachtsgeschäft die letzte Chance, die großen
Umsatzeinbußen des laufenden Jahres etwas aufzuholen.
Die Händler haben"spektakuläre Aktionen" angekündigt, zu
denen auch Gratiszugaben gehören sollen. Umfragen in der
Branche haben ergeben, daß die Umsätze gerade in den
vergangenen Wochen wieder angezogen haben (F.A.Z. vom
18. November). Dazu paßt, daß sich das Ifo-Geschäftsklima
im November im Einzelhandel anders als in den anderen
Branchen verbessert hat.
Die Händler agieren dabei in einer rechtlichen Grauzone.
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
verbietet Sonderverkäufe, von wenigen Ausnahmen
abgesehen. Zwar haben mehrere Regierungsvertreter in den
vergangenen Wochen signalisiert, daß dieses Verbot in der
laufenden Legislaturperiode abgeschafft werden soll.
Solange das Verbot aber noch in Kraft ist, müssen die
Händler damit rechnen, daß ihnen die Aktionen untersagt
werden. So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf kürzlich in
zweiter Instanz eine Verbotsverfügung bestätigt, mit der dem
Bekleidungshändler C&A Preisnachlässe im Zuge der
Euro-Einführung untersagt worden waren.
Aus Angst vor solchen Sanktionen greifen einige Händler
offenbar zu ungewöhnlichen Mitteln. So hat die
Baumarkt-Kette Praktiker am Montag und Dienstag ihren
Kunden einen Preisnachlaß von 19 Prozent gewährt, ohne es
publik zu machen. Ein Sprecher des Unternehmens sagte
dieser Zeitung, es handle sich um eine regelmäßig
wiederholte Rabattaktion für die Mitarbeiter, die einmalig auf
die Kunden ausgedehnt worden sei. An Kunden,"die gezielt
danach fragten", sei der Rabatt weitergereicht worden.
Verdi will nicht nur die gegenwärtigen Aktionen, sondern
auch die angekündigte Gesetzesänderung verhindern."Wir
brauchen eine gesetzliche Regelung, weil der Markt es nicht
von alleine schafft, mit diesem Unsinn aufzuhören", sagte
Wiethold."Wenn 2003 auch nur annähernd so schlecht läuft
wie 2002, werden auch ein paar große Unternehmen auf der
Kippe stehen". Die Bundesregierung müsse daher die
bestehenden gesetzlichen Instrumente zur Durchsetzung
eines fairen Wettbewerbs erhalten, modernisieren und auf
der EU-Ebene mit durchsetzen. Dazu gehörten das Verbot
des Verkaufs unter Einstandspreis sowie ein Rahmen für
Rabatt- und Sonderverkaufsaktionen.
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement wiederum müsse
zudem den ausufernden Mißbrauch der Ausnahmeregeln
zum Ladenschluß durch Verwaltungsvorschriften oder ein
erleichtertes Klagerecht für Verbände eindämmen, forderte
die Gewerkschafterin.
"Der Markt schafft es nicht, mit diesem Unsinn
aufzuhören"
Verdi-Vorstandsmitglied Franziska Wiethold
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.11.2002, Nr. 276 / Seite 15
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