-->Der pakistanisch-englische Autor Tariq Ali sprach in der Zürcher Schiffbau-Halle über «Kapitalismus und Gerechtigkeit». Wir drucken seine Rede in gekürzter Form.
Von Tariq Ali
Woher kommt der Aufstieg des islamischen Fundamentalismus, den wir seit einiger Zeit erleben? Die Antwort ist relativ einfach: Der fundamentalistische Islam ist ein Ziehkind der Vereinigten Staaten. Während des Kalten Krieges, als die Amerikaner Kommunismus, Nationalismus und die Linken als Feind betrachteten, suchte man in der islamischen Welt nach einer Kraft, auf die man sich stützen konnte. Die Berater der US-Regierung glorifizierten den Islam, denn man brauchte ja einen Verbündeten. In Saudiarabien, dem wichtigsten Verbündeten der Amerikaner in der Region, war der Wahhabismus Staatsreligion, die strengste Richtung des Islam. Die Wahhabiten-Prediger, finanziert durch die Petrodollars, unterstützt von der CIA und der US-Regierung, schwärmten aus und stifteten im Namen ihrer Religion überall Unruhe.
Als kürzlich der Anschlag auf Bali verübt wurde, gab es einen ungeheuren Aufschrei der Empörung. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass weit mehr Indonesier getötet wurden als Australier. Der Anschlag galt nicht einfach den Ungläubigen, sondern auch ihren eigenen Leuten. In Indonesien hat das eine lange Tradition. Dieses Land hatte 1965 die grösste kommunistische Partei ausserhalb des kommunistischen Blocks (und Indonesien ist das grösste islamische Land der Welt). In einem Land, wo diese Partei nicht an der Macht ist, bedeutet das sehr viel. In Russland oder China treten die Leute in die Partei ein, weil sie Karriere machen oder Geld verdienen wollen. In Indonesien war das nicht der Fall. Die beiden grossen Strömungen, Nationalismus und Kommunismus, haben die kleinen islamistischen Gruppen völlig an den Rand gedrängt. Die Jemaa Islamiyah wurde von den Vereinigten Staaten aufgebaut. Die islamistischen Gruppen in Pakistan wurden seit den Fünfzigern über viele Jahre hinweg von den Amerikanern finanziert.
Chemische Waffen aus den USA
Das bringt uns direkt zum Problem Irak. Wo kommt Saddam Hussein eigentlich her? Seine politische Laufbahn begann in der Baath-Partei, einer säkularen sozialistischen Partei. Die CIA verhalf ihm zur Macht, denn er versprach, die Gewerkschaften und die Linke im Irak zu beseitigen. Saddam hat sein Wort gehalten. Dann unterstützten sie ihn im Krieg gegen den Iran. Sie wollten die Mullahs beseitigen, die im Iran an die Macht gekommen waren, nachdem dort (weit gehend dank westlicher Mithilfe) alle säkularen Alternativen zerstört worden waren. In den Fünfzigerjahren gab es im Iran ein säkulares liberal-demokratisches Regime, das die Nationalisierung des Erdöls vorantrieb. Die Briten und Amerikaner stürzten dieses demokratische Regime, setzten den Shah wieder ein, und dann wurden alle freiheitlichen und linken Kräfte im Iran zerschlagen. Die einzigen Türen, die noch offen standen, waren die der Moscheen.
Dass der islamische Klerus so viel Ansehen gewann, leuchtet also ein. Dann schlug Saddam Hussein gegen den Iran los. Die chemischen Waffen, die er dabei einsetzte, kamen aus den Vereinigten Staaten, die biologischen Waffen aus England. Seine Leute wurden in britischen Labors ausgebildet. Kürzlich war in den Zeitungen ein schönes Foto von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld aus den Achtzigerjahren zu sehen, wie er Bagdad besucht, von Saddam begrüsst wird und eine freundschaftliche Botschaft von Reagan überbringt.
Was ist seitdem passiert? Die Interessen der Vereinigten Staaten haben sich verändert. Der einstige Feind aus der Zeit des Kalten Kriegs existiert nicht mehr. Seit 1989 beschäftigt die USA nur eine Frage: Wie können wir unsere militärische und wirtschaftliche Hegemonie in einer Welt bewahren, in der es keine Supermacht mehr gibt, gegen die sich der Rest der Welt mit uns verbündet? Man schafft sich also einen Feind. Osama Bin Laden und seine Leute wurden von den Amerikanern aufgebaut, damit sie in Afghanistan die Russen bekämpften. Ausgebildet wurden sie in der Wüste von Arizona. Das war der Anfang dieser islamistisch-fundamentalistischen Gruppe. Nach Erkenntnissen amerikanischer Geheimdienste hat sie maximal drei- bis viertausend Kämpfer. Stellt diese Gruppe also eine Bedrohung für die mächtigen Vereinigten Staaten dar? Lachhaft! Aber die ganze Welt pflichtet den Amerikanern bei, dass es ein gefährlicher Feind sei. Ich greife Osama Bin Laden und seine Gruppe seit 25 Jahren an. Ebenso Saddam Hussein. Als wir Saddam in den Achtzigerjahren kritisierten, hörte niemand hin, weil er ein Verbündeter des Westens war. Heute werden Politik und Kultur von den Interessen der Supermacht beherrscht. Die Vereinigten Staaten sind die einzige Supermacht - das ist heute eine Tatsache. Die Amerikaner vergleichen sich gern mit dem Römischen Reich. Allerdings waren die Römer zu ihrer Zeit nicht das einzige Imperium. Sie glaubten das zwar, weil sie von der übrigen Welt nicht viel wussten, aber die chinesische Zivilisation existierte schon lange, und es gab auch noch die Perser, die nie völlig unterworfen wurden. Wenn ich in Amerika mit Anhängern von Präsident Bush diskutiere und sie diese Parallele zu Rom ziehen, sage ich immer, dass sie zwei Dinge nicht vergessen sollen: Erstens ist das Römische Reich untergegangen, und zweitens haben die Römer nie verlangt, dass der Rest der Welt sie lieben solle. Ein mächtiges Imperium, das geliebt werden will und sich furchtbar aufregt, wenn das nicht passiert, scheint mir nicht sehr stark zu sein. (Aber ein Imperium ist Amerika natürlich trotzdem, und es tritt zunehmend so auf. Wenn sich Amerika in der Uno nicht durchsetzen kann, dann greift es eben auf die Nato zurück - siehe die Luftangriffe auf Belgrad. Amerika sucht sich seine Helfer, und wenn es sie nicht findet, geht es seinen Weg allein.)
Worum geht es bei dem Krieg gegen den Irak? Um Saddam, weil er ein Diktator ist? Er war ja schon in den Achtzigern ein Diktator, noch brutaler als heute. Das ist bekannt. Bekannt ist auch, dass er biologische Waffen besitzt. Wir wissen, woher er sie hat. Er soll sie wieder hergeben? Bitten Sie ihn! Vielleicht gibt er die Waffen zurück, weil er nicht will, dass das Land zerstört wird. Er wird die Waffen wahrscheinlich zurückgeben. Es heisst, er sei im Stande, innerhalb von drei Jahren eine einsatzfähige Atombombe zu bauen. Viele Physikstudenten und Laboratorien in der westlichen Welt können das. Die Frage ist, wird er die Bombe bauen? Dazu braucht er sehr viel mehr, als er zurzeit besitzt. Aber inzwischen sind wir so weit, dass alle Welt darüber diskutiert, warum es einen Krieg gegen den Irak geben soll. All diese törichten Gründe, und plötzlich verkündet Nordkorea: Wir haben Atomwaffen, wir können sie auch einsetzen. Wie reagiert nun unsere Supermacht? Was sagen George W. Bush und seine früheren Erdölbosse? Colin Powell erklärt: Wir werden die Angelegenheit diplomatisch regeln. Ausgezeichnet! Was bleibt den Amerikanern auch anderes übrig. Sie haben 50 000 Soldaten in Südkorea stationiert, die bei einem nuklearen Schlag der Nordkoreaner als Erste getroffen würden. Dass die Amerikaner aber nicht sonderlich nervös reagieren, liegt an zwei anderen Gründen: Nordkorea hat kein Ã-l, und es hat kein Israel. Aus dieser Richtung nämlich, von den grossen Erdölgesellschaften, kommt der Druck auf die amerikanische Regierung, wie gegen Saddam vorgegangen werden soll. Es wird ja ganz offen darüber gesprochen, welches Unternehmen den Irak bekommt. Irgendein Schlaumeier von einem der Thinktanks sagt, das irakische Ã-l sei in Staatsbesitz, man müsse es also privatisieren, und sobald es privatisiert ist, bekommen die amerikanischen Unternehmen den Löwenanteil. Ahmad al-Jalabi, der Vertreter einer irakischen Oppositionsgruppe, die die Amerikaner seit Jahren finanzieren und aufbauen, hat eingeräumt, dass er mit drei führenden amerikanischen Erdölunternehmen zusammengekommen ist, um über die weitere Entwicklung zu sprechen. Da sollen wir also glauben, dass in der Uno seriös debattiert wird.
Der Kapitalismus und das Eröl
Es geht also um das Erdöl. Jedes Land, das über Erdöl verfügt - Erdöl ist für das Funktionieren des modernen Kapitalismus äusserst wichtig -, will das Monopol darüber haben. Und jedesmal, wenn arabische Regimes über die Verwendung ihres Erdöls selbst bestimmen wollten, wurden sie gestürzt. Die Menschen in diesen Ländern, denen das Ã-l gehört, werden nicht gefragt. Selbst Osama Bin Laden greift in seinen Videobändern manchmal die saudiarabische Königsfamilie an (das ist sehr komisch, er kennt sie alle aus seiner Kindheit und Jugend) und fragt die saudiarabische Bevölkerung: Wo ist Prinz X, wo ist Prinz Y? Ich werde euch sagen, wo sie sind. Sie sind in den europäischen Spielkasinos, in Monte Carlo, in London, und verjubeln dort euren Erdölreichtum. Das hat natürlich Auswirkungen. Was will er mit dem Ã-l anfangen? Er will es privatisieren. Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen Bin Ladens unterscheiden sich nicht sonderlich von denen der Weltbank. Auch er glaubt an den Neoliberalismus. Und er ist der Ansicht, das saudiarabische Ã-l sollte von kleinen Unternehmen kontrolliert werden. Das ist natürlich ein Traum, denn wenn das einträte, würden sofort die grossen Konzerne einschreiten.
Diese Länder, die nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs in der arabischen Welt gegründet wurden, waren nie richtige Staaten. Sie wurden von Erdölgesellschaften gegründet. Saudiarabien wurde von Aramco geschaffen, der Irak von British Petroleum. Dann entstanden überall am Golf diese kleinen Scheichtümer. Warum war Kuwait so wichtig damals, im Golfkrieg? Wegen des Erdöls. Die grossen amerikanischen Unternehmen sind schon immer so vorgegangen und nicht nur, wenn es um Erdöl ging. Wenn man die Geschichte des amerikanischen Imperiums im 19. und 20. Jahrhundert verfolgt, dann sieht man, dass mit Lateinamerika nicht viel anders umgesprungen wurde. Wenn den Amerikanern nicht gefiel, wie sich ein Land gegenüber den amerikanischen Konzernen verhielt, dann sind sie einmarschiert. Erstaunlicherweise hat nur Kuba überlebt. Dort sind die Amerikaner gescheitert, vielleicht war es auch eine andere historische Konstellation. Aber so haben sie sich immer gegenüber Lateinamerika verhalten. Übrigens war das auch der Grund, weshalb es nach dem 11. September die grössten Jubelfeiern in Lateinamerika gab. Darüber wurde in den Medien nicht berichtet, weil es peinlich ist. Man stelle sich diese Länder vor - brutale Militärdiktaturen -, dann versteht man: Die Menschen haben nicht über den Tod von Zivilisten gejubelt. Sie dachten nur: Wieso interessiert es niemanden, wenn bei uns Zivilisten ermordet werden? Wenn amerikanische Zivilisten umkommen, vergiesst die ganze Welt plötzlich Tränen. Wieso? Die Antwort lautet: Weil Amerika ein Imperium ist, ein sehr starkes, sehr mächtiges Imperium.
Bush ist auf Blair angewiesen
Heutzutage gibt es keine Alternative zu dieser einen Supermacht. Als die Sowjetunion noch existierte, war das für die Russen selbst natürlich schlecht, aber für die Welt insgesamt war es gut, denn die Konfrontation bot eine Art Schutz. Zwischen den beiden Mächten war Raum, in dem Leute wie wir, die sich keiner Seite zugehörig fühlten, agieren konnten. Dieser Raum ist immer kleiner geworden. Einen Tag nach dem 11. September erklärte Condoleezza Rice, die Sicherheitsberaterin des Präsidenten, vor dem Nationalen Sicherheitsrat: Wir müssen jetzt durchgreifen. Und zwei Tage später wurde schon ein Angriff auf den Irak geplant, obwohl die Geheimdienste sagten, dass der Irak nichts mit dem 11. September zu tun gehabt habe. Amerika benützt also den 11. September, um die Welt neu einzurichten. Die Bush-Doktrin läuft ganz klar darauf hinaus.
Was in Europa passiert, ist ausserordentlich wichtig - auch für die Vereinigten Staaten. Laut amerikanischen Meinungsumfragen sind sechzig, siebzig Prozent der Amerikaner für Krieg, aber auf die Frage «Wären Sie auch dann für einen Krieg gegen den Irak, wenn wir ihn ganz allein führen müssten?» antworten interessanterweise nur dreissig Prozent mit Ja. Deshalb ist Bush auf Blair angewiesen. Und deshalb lacht Blair, denn er merkt, dass er gebraucht wird. Blair hat im Grunde zwei Rollen, die ihm zur Verfügung stehen. In Washington gibt er den grinsenden Discjockey. Zu Hause, wenn er den Menschen erklären will, warum wir Krieg führen müssen, verwandelt er sich in einen Priester. Blair wird von der eigenen Bevölkerung inzwischen abgelehnt, die meisten Menschen sind gegen diesen Krieg. Blair und seine Leute müssen also erstklassige Propaganda betreiben, um die Leute von der Notwendigkeit dieses Krieges zu überzeugen, aber das erklärt auch, weshalb die Amerikaner Blair brauchen. Immer wieder fliegt Blair nach Amerika, tritt im Fernsehen auf, um den Amerikanern zu zeigen, dass sie nicht allein dastehen. Für die Amerikaner ist das interessanterweise sehr wichtig. Sie wollen diesen Krieg nicht allein führen.
Immer neue Forderungen
Sie haben den Krieg in Vietnam allein geführt, und wie dieses Unternehmen endete, ist bekannt. Deshalb hat sich auch Gerhard Schröder im Wahlkampf - wohl aus taktischen Gründen - so vehement gegen einen Irak-Krieg ausgesprochen, schärfer als jeder andere europäische Politiker. Das brachte die Amerikaner nun zur Weissglut. Sie fingen an, Schröder zu beschimpfen. In gewissen Hardliner-Kreisen war die Meinung zu hören, dass man in Deutschland vielleicht einen Regimewechsel herbeiführen solle. Der Begriff «Regimewechsel» ist ja jetzt gross in Mode. Die Amerikaner waren wirklich sehr wütend. Im englischen Fernsehen sage ich immer: Ihr macht so viele Filme über den Zweiten Weltkrieg, über das Dritte Reich. Auf einmal gibt es in Deutschland eine Mehrheit, die pazifistisch ist, dann sagt ihr: Aha, die Deutschen wollen nicht kämpfen. Ihr müsst euch entscheiden! Was für ein Deutschland wollt ihr haben? Die Wahrheit ist, dass Schröder für die europäische Ã-ffentlichkeit spricht. Das ist eine Tatsache. Das ist eine grosse Veränderung. Man sollte das aber nicht überbewerten. Ich glaube, dass die Amerikaner in jedem Fall den Irak angreifen werden. Unabhängig von der Uno oder von dem, was Saddam sagt. Die Amerikaner sind Meister darin. Man schickt die Inspektoren und stellt immer neue Forderungen.
Dem Terrorismus nach dem 11. September wird man nur mit einer kombinierten Vorgehensweise beikommen. Gegen diese drei-, viertausend Mann führt man keinen Krieg (denn dadurch treibt man ihnen nur noch mehr Leute in die Arme), sondern man ergreift vernünftige polizeiliche Fahndungsmassnahmen. Dann nimmt man sie fest, macht ihnen den Prozess, und wenn Beweise vorliegen, verurteilt man sie.
Gleichzeitig braucht es eine politische Lösung für die Probleme im Nahen Osten, die Menschen zu Terroristen machen. Dann wird es immer weniger junge Menschen geben, die zu diesen Mitteln greifen. Wir brauchen also ein Friedensabkommen in Palästina/Israel, und die Sanktionen gegen den Irak müssen aufgehoben werden. Genau das Gegenteil ist eingetreten. Nach dem 11. September konnte sich Ariel Sharon in seinem so genannten Krieg gegen Palästinenser auf die Rückendeckung des Weissen Hauses verlassen. So ging es immer weiter, und jetzt soll der Irak angegriffen werden.
Ein neuer Verbündeter ist der russische Präsident Putin. Man schaue sich nur an, wie er bei der jüngsten Geiselnahme in Moskau reagiert hat. Zwei russische Journalisten, die sich kritisch über Putins Tschetschenien-Politik geäussert haben, sprachen mit den Geiselnehmern und berichteten, sie seien kompromissbereit. Man fordere keineswegs einen sofortigen Rückzug sämtlicher russischer Truppen aus Tschetschenien, nur eine öffentliche Geste. Bloss eine Geste. Aber nein, Putin, brutal wie eh und je, setzt gegen die Geiseln im Theater chemische und biologische Waffen ein. Dann wurden die ersten Lügen verbreitet, und die Krankenhäuser bekamen nicht das entsprechende Gegenmittel. Viele Theaterbesucher starben. Statt die Tschetschenen gefangen zu nehmen, sie vor Gericht zu stellen, mit ihnen zu reden, hat man sie kaltblütig mit Gas liquidiert, wie Gangster. Wenn man genau so vorgeht wie der Gegner - wo ist da der Unterschied?
Europa hat die Pflicht, zu informieren
Und nun wird es also einen Krieg im Irak geben, weil er chemische Waffen und Atomwaffen besitzt. Wo jedermann weiss, dass Israel die einzige Nuklearmacht in der Region ist. Israel kann sich selbst verteidigen. Israel besitzt Atomwaffen und chemische Waffen. Sollte es sich bedroht fühlen, werden die israelischen Politiker diese Waffen einsetzen. Niemand bestreitet das Existenzrecht Israels, die Palästinenser wollen nur ihren eigenen Staat. Sie sind die zweiten Opfer des Holocaust. Niemand interessiert sich für sie. Kritik an der israelischen Politik wird nur von der israelischen Opposition geübt, was in diesem Land sehr mutig ist. Die besten Berichte über die Lage in den besetzten Gebieten kommen von ein, zwei israelischen Zeitungen. Wie lange wird die Welt das noch hinnehmen? Wenn es so weitergeht, werden wird es nicht weniger, sondern mehr Terrorismus geben. Wenn die USA ein arabisches Land besetzen und ein Marionettenregime mit General Tommy Franks als De-facto-Staatsoberhaupt einsetzen, dann werden die Menschen früher oder später aufwachen. Zumal, wenn die Ã-lgesellschaften auf der Bildfläche erscheinen. So übergeht man die Menschen, sie sind hilflos und verzweifelt. Und aus dieser Verzweiflung erwächst Terrorismus.
Von Mark Twain bis Noam Chomsky
Aber auch in den Vereinigten Staaten gibt es Opposition. Die erste antiimperialistische Liga entstand in den USA. Als es in den 1890er-Jahren auf den Philippinen zu einem antispanischen Aufstand kam und die Amerikaner befürchteten, die Philippinen würden ihren eigenen Weg gehen, haben sie das Land kurzerhand besetzt. Einer der grossen Kritiker war damals Mark Twain. Heute sind es Leute wie Gore Vidal und Noam Chomsky und einige andere, die Kritik üben - viel zu wenige natürlich, aber es gibt sie. Diesen Amerikanern gilt unsere Solidarität. Wenn mir also Antiamerikanismus vorgeworfen wird, kann ich nur sagen, dass ich die amerikanische Regierung und das amerikanische Establishment angreife, die zum Krieg rüsten, aber nicht die amerikanische Bevölkerung. Die meisten Amerikaner wissen gar nicht, was los ist. Sie wollen Bescheid wissen, erfahren aber nichts.
Europa hat also die Pflicht, umfassend zu informieren. Europa bleibt gar nichts anderes übrig. Es kann keine Sanktionen gegen die USA verhängen, aber es kann die Wahrheit sagen. Und die Wahrheit breitet sich aus - das ist das Schöne daran. So kam das Sowjetregime letztlich zu Fall, und so wird auch das amerikanische Imperium einmal implodieren. Ich glaube, es werden die Amerikaner selbst sein, die diesem Imperium ein Ende bereiten.
Quelle:Tagesanzeiger
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