-->Der folgende Beitrag soll die"veröffentlichte" Meinung zum Thema"Saddam und das Ã-l" kritisch hinterfragen und durchleuchten. Möglich, dass ich diesbezügliche, bereits abgeschlossene Diskussionen auf diesem exzellenten Board verpasst habe. Aber auch auf die Gefahr einer Wiederholung oder alsbaldigen Widerlegung möchte ich in den folgenden Zeilen mein Unbehagen mit dem"offiziell inoffiziellen" Kriegsgrund No. 1 ausdrücken. Es gibt mE einige - nicht unbegründete - Zweifel an der"Ã-l-Theorie". Dass sich dennoch nahezu weltweit alle Medien (in seltener Einheit mit vielen Verschwörungstheoretikern) einig zu sein scheinen,"es geht ja letztlich nur ums Ã-l", überzeugt mich (noch) nicht.
Soweit ich es überblicken kann, ist die herrschende Ansicht in etwa die Folgende:
"Die US-Ã-l-Multis haben Bush jr. den Wahlkampf finanziert und verlangen nun ihre Belohnung dafür: Billiges Ã-l aus dem Irak. Oder zumindest erleichterten, bevorrechteten Zugang dazu. Deshalb soll der widerspenstige Saddam beseitigt und an seiner Stelle eine US-Marionettenregierung gesetzt werden, die es dann für die eingebundenen Multis"richtet"."
Vor kurzem stellte ich hier die Frage, ob denn die großen Namen im Ã-lgeschäft allesamt (auch) Produzenten sind. Soweit ich mich erinnern kann, hat darauf nur ELLI geantwortet und die Frage bejaht:"Multis" wie Exxon, Shell, BP usw. sind demnach auch Ã-lproduzenten.
Dies eröffnet bereits den ersten Zweifel an der"Ã-l-Theorie": Wenn sich durch die Erschliessung der (z.T. brachliegenden) irakischen Ã-lfelder das Angebot auf dem Weltmarkt (uU beträchtlich) erhöht, so MUSS dies auf den Ã-lpreis Druck ausüben. Steigende Angebotsmenge bei (kurz- bis mittelfristig) gleichbleibender Nachfrage muss zu einer Verbilligung des geförderten Guts führen. Daraus die Elfer-Frage abgeleitet:"Und das soll gut sein für die erwähnten Ã-l-Multis?" ;-)
Vielleicht ist es als Laie in Sachen Ã-l nicht zu durchschauen, aber mE sollte ein Produzent von Ã-l froh sein, wenn der Preis des geförderten Ã-ls steigt, da dies den Deckungsbeitrag erhöht. Dagegen sind fallende Preise (auf Dauer) nicht nur ein Gewinn-Minimierer, sondern können auch bereits getätigte Investitionen im Produktions- bzw. Förderbereich gefährden oder gänzlich unrentabel werden lassen, was beträchltiche Verluste nach sich ziehen kann.
Um es auf den Punkt zu bringen: Gut möglich, dass sich Politiker wie Bush und andere einen fallenden Ã-lpreis wünschen (vor allem Ã-lverarbeiter und natürlich -konsumenten). Aber die (angeblich ja dahinterstehende) Ã-lindustrie wohl kaum. Im Gegenteil.
Nun mag man einwenden:"Was ist damit bewiesen? Offenbar gibt es ja doch erhebliche Interessen in Richtung eines fallenden Ã-lpreises!" Ja, aber die"Ã-l-Multis" kommen dafür - sofern die Überlegungen stimmen - nicht in Frage. Und damit kommt die eingangs beschriebene"Theorie" ins Wanken, die ganz wesentlich auf den (vermeintlichen) Interessen dieser"Multis" aufgebaut ist.
Ein gewichtigeres Gegenargument wäre hingegen, dass"unterm Strich" der Zugang zu neuen Ã-lfeldern für viele Multis dennoch ein Gewinn sein kann. So wie eine Goldminenfirma auch dann eine riesige Ader ausbeuten würde, wenn durch das dadurch geschaffene Mehr-Angebot der POG insgesamt leiden würde. In den meisten Fällen wäre wohl (für das betroffene Unternehmen) die zusätzliche Förderung profitabler als der Verlust bei bisherigen Minen durch sinkende Preise. Hier wäre aber nicht"eine neue Quelle", sondern eine Vielzahl zu veranschlagen - und es müssten quasi alle"im Boot befindlichen" US-Firmen ein ent- bzw ansprechendes Stück vom"Kuchen" abbekommen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man die Komplexität menschlicher Beziehungsmatrices bedenkt.
Mir ist klar, dass das noch kein zwingender Gegenbeweis ist. Es sollte aber rüberkommen, dass es auch andersgelagerte Interessen bei den"Multis" geben kann und geben wird: Angebotsverknappung!
Dies würde auch viel besser mit den Folgen des Konfliktes aus 1991 zusammenpassen: Bis heute darf der Irak nur Ã-l quasi im Tausch mit Nahrungsmitteln und Medikamenten am Weltmarkt (offiziell) anbieten. Dies führte wohl zur Stillegung vieler Ã-lfelder (aufgrund blockierten Zugangs zum Markt), was - in Anbetracht der hohen, kolportierten Reserven des Irak - längst zu erhöhten Ã-lpreisen geführt hat. Und das ist bekanntlich gut für die Ã-lproduzenten. ;-)
Ein Sprichwort sagt: Never change a winning team. Ohne als letztlich unwissender Laie allzuviel interpretieren zu wollen - aber warum fährt man eigentlich diese Erfolgsschiene nicht mehr weiter? Warum diese totale Kehrtwende? Von einem bevorstehenden Versiegen der weltweit zugänglichen Ã-lquellen kann keine Rede sein. Wozu dieses unglaublich gefährliche Risiko eingehen, durch (verdeckte) Unterstützung eines Krieges zu Entwicklungen beizutragen, die mehr als bloß geeignet sind, sogar relativ schnell die eigenen, fundamentalen Interessen massiv zu untergraben. Man muss dabei noch nicht einmal an einen möglichen Weltkrieg denken. Jedes Erreichen eines Ziels (sofern dieses - wie gesagt - überhaupt attraktiv genug ist) hat einen Preis. Gegenwärtig erscheint er - mir persönlich - sehr, sehr hoch. Das Risiko ist beträchtlich.
Aber auch das ist noch nicht alles. Angenommen, es kommt tatsächlich zum (offenen) Krieg zwischen den USA und dem Irak. Und angenommen, die USA gewinnen ihn wirklich so leicht, wie veranschlagt. Das Einsetzen einer neuen Regierung im Irak (DER Punkt schlechthin) klappt meinetwegen auch noch. Die sich daran anschliessende Frage mag zunächst naiv erscheinen: Aber was dann?
Man kann davon ausgehen, dass sich während eines solchen Konfliktes das Ansehen der USA in der Welt weiter verschlechtern wird - und zwar massiv. Nachdem die Ã-l-Geschichte auch jeder weiss -"es geht ihnen ja nur ums Ã-l" - wird auch das Image der erwähnten Multis weiter absacken. Nun, das ist bekanntlich nicht das Problem ;-), aber behalten wir es im Kopf. Und dann gewinnen die USA den Krieg: Wie stellt man sich danach die Verteilung der Ressourcen vor?
Um es ganz deutlich zu sagen: JEDE Lösung, welche den US-Firmen oder deren"Angehörigen" die Kontrolle über die irakischen Ã-lfelder gibt, würde weltweit als das begriffen, was es auch ist: RAUB! Schlichter, einfacher, blanker Raub. Diese Felder gehörten definitiv vorher jemand anderem - der irakischen Regierung, wer immer das konkret sein mag (manche Sozialisten mögen einwenden, dass die Felder selbstverständlich"Eigentum des irakischen Volkes" seien, aber das liegt halt leider daran, dass die meisten Sozialisten den Begriff"Eigentum" nicht verstanden haben ;-)) Wie will man diesen Raub im rechtfertigen? Oder anders ausgedrückt: Wie will man verhindern, dass danach der ganze Einsatz - selbst innerhalb der USA (!), geschweige denn dem Rest der Welt - als brutales"Räuberkommando" in die Geschichte eingeht? Das hielte ich für ausgeschlossen.
Man bedenke auch die Unterschiede zum Krieg 1991: Damals wurden alle bisherigen, rechtmäßigen Eigentümer der (kuwaitischen) Ã-lfelder und -anlagen wieder in ihre angestammten Positionen gebracht. Es wurde nur der alte Zustand ("Kuwait ist KEINE Provinz des Irak") wiederhergestellt. Das ginge im Irak nicht. Saddam und seine Clique sind schon zu lange an der Macht (20 Jahre?), um da noch irgendetwas"rückgängig" zu machen, geschweige denn"rückgängig" im Sinne der US-Firmen. Und dass Saddam ohne Hilfe der USA niemals an die Macht gekommen wäre, entwickelt sich allmählich zum Allgemeinwissen (was man aber auch nicht überschätzen sollte).
Die (Mindest-)Folge einer solchen, dann selbstlaufenden"Propaganda-Offensive" erscheint mir eine noch an Geschwindigkeit zunehmende internationale Isolierung der USA - mit unweigerlichen Kollateralschäden für die eigene Wirtschaft.
Das mag alles Spekulation sein - aber ist es nicht nachvollziehbar? Nachvollziehbar auch für die Herren (und Damen) in den Chefetagen der sogenannten"Multis"? Ganz zu schweigen von den Aktionären!
Man könnte diese Gedanken noch ziemlich lange weiterführen - und ein"Nebenprodukt" dessen wäre unweigerlich:"So einfach ("geht ja nur ums Ã-l") ist die Sache dann jedenfalls doch nicht."
So weit fürs Erste.
Gruß, silvereagle
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