-->Wilhelm Schröder II.
Linke haben keine Ahnung von Weltpolitik, Rechte wollen nur Krieg:
Zeitungen entdecken alte Feindbilder neu
Von Markus Brauck
Endlich. Die Feindbilder stimmen wieder. Die Linken haben keine Ahnung, wie Weltpolitik und Geschichte gemacht werden. Die Rechten wollen sowieso nur Krieg. Und ohne die Presse würde das wieder mal keiner merken. Gut also, dass es sie gibt. Denn mag auch die Welt aus den Fugen geraten, die Reflexe der Presse funktionieren noch ganz gut.
Das leuchtendste der vielen journalistischen Highlights dieser Woche fabrizierte am gestrigen Freitag die Financial Times Deutschland, die in einem Leitartikel dem Bundeskanzler den Rücktritt nahe legt."Wir halten es nicht für wahrscheinlich, dass Gerhard Schröder zurücktreten wird. Aber politisch ist der Bundeskanzler am Ende." Eine legitime journalistische Übung, auch wenn das redaktionelle"Wir" die Sache etwas majestätisch überhöht und sich ohnehin niemand wundert, wenn ein Blatt, das seinen Lesern die Wahl Edmund Stoibers empfahl, seiner Meinung treu bleibt. Und: Nichts gegen Rücktrittsforderungen. Aber merkwürdig ist es schon, dass am Tag, an dem es im UN-Sicherheitsrat um Krieg und Frieden - und nebenbei um die Weltordnung - geht, die FTD bloß die berufliche Zukunft von Gerhard Schröder interessiert.
Man gewinnt den Eindruck, dass besonders die Schröder-Gegner ihren Blick gar nicht abwenden können von ihm, in einer Art Konträr-Faszination sozusagen. Krieg gegen Irak, nun gut, das wird sich schon noch entscheiden, so das journalistische Kalkül. Aber vielleicht stürzt er ja wirklich, der Kanzler, und dann soll niemand sagen, wir wären nicht dabei gewesen.
Ähnlich verfährt dann leider auch Die Zeit. Josef Joffe, einer ihrer Chefredakteure, flüchtet sich in die Diktion der Geschichtsbücher, um seiner Argumentation historische Würde zu verleihen. Ein Zitat, so schön, dass man es immer und immer wieder lesen mag:"Stellen wir uns ein deutsches Geschichtsbuch in zehn, zwanzig Jahren vor. Hoffentlich steht dann nicht am Ende des Kapitels,Gerhard Schröder' diese Passage:,Und dann entschied sich der Kanzler, alles auf eine Karte zu setzen, um in der Machtprobe mit Amerika zu obsiegen. Seine Gründe mögen nobel oder eigensüchtig, richtig oder kurzsichtig gewesen sein. Die Folge war der Kollaps zweier Pfeiler deutscher Außenpolitik, die fünfzig Jahre lang gehalten hatten: die deutsch-amerikanische Freundschaft und das atlantische Bündnis. Schröders Kanzlerschaft hat dieses waghalsige Spiel nicht überlebt.'"
Aber Josef Joffe ist nicht der einzige Geschichtsprofessor mit beschränkter Haftung. Da auch noch die Frankfurter Allgemeine, die in der Dienstagausgabe mit einem Zitat von Edmund Stoiber aufwartet, Schröders unprofessionelles Handeln erinnere fatal an die schweren außenpolitischen Fehler unter Kaiser Wilhelm II. Ein wenig wird das vom Feuilleton konterkariert, das am gleichen Tag titelt:"Es fehlt nur der Regenschirm: Gerhard Schröder spielt Neville Chamberlain." Aber das Schöne an historischen Vergleichen ist ja, dass man mit ihnen herumexperimentieren kann, bis sie passen. Und da der Chamberlain-Vergleich zwar nahe liegt, aber daran krankt, dass man dann auch bereit sein muss, Saddam Hussein mit Adolf Hitler in Beziehung zu setzen, verbreitert Mitherausgeber Frank Schirrmacher am Mittwoch den von Edmund Stoiber bereits angelegten Pfad der Wilhelm-Zwo-Parallele:"Schröders linker Wilhelminismus ist umgekehrter Größenwahn. Da wir die Schlechtesten der Welt nicht mehr sind, wollen wir die Besten werden."
Schade nur, dass sich zunächst niemand so recht begeistern mag für diesen Vergleich, und sich auch kaum einer entrüstet. Die Welt versucht zwar, die historische Linie bis zu Bismarck zu verlängern, aber Harald Jähner erledigt in einer Glosse in der Berliner Zeitung diese historischen Spielchen mit der einzig richtigen Frage:"Ging es im Deutschen Reich um imperiale Träume, Schlachtendurst und Säbelrasseln, ist Schröders Anliegen das gegenteilige - ein historisches Detail?"
Franziska Augstein bleibt es dann in der Süddeutschen Zeitung überlassen, hinter die journalistische Show von FAZ und Welt zu gucken:"Im Kern zielt der Tadel natürlich auf etwas ganz anderes: Im Kern geht es darum, dass Schröders Regierung - erstmals in der bundesdeutschen Geschichte - eine eigenständige Außenpolitik vertritt." Das wäre ja auch mal ein interessantes Thema, aber wer geht ihm schon nach?
Unter dem Deckmantel, die ganz große Außen- und Weltpolitik zu skizzieren, die Schröder nicht beherrscht, wird in FAZ und Welt dann doch wieder nur ein uraltes Ressentiment hervorgeholt. In den Worten von FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler:"Die Zerstörungsenergie, die in Berlin freigesetzt wird, ist kaum ohne ideologische Quellen denkbar."
Diesen Generalverdacht walzt Johann Michael Möller in der Welt vom Freitag dann aus, in dem er einen"nationalen Phantomschmerz" diagnostiziert, der die Linke seit Jahrzehnten nicht losgelassen habe:"Das ist die alte fatale Rhetorik, die Politik zum Bekenntnis macht und die um ein altes Trauma der deutschen Linken kreist, die Vaterlandslosigkeit. Ausgerechnet die Generation Schröder, die wie keine andere zuvor in tiefem Ekel vor dem eigenen Land zu nationalen Nestflüchtern wurde, kehrt wehmütig an den mütterlichen Herd zurück." Schön, wenn zu jeder Weltlage immer die gleiche Geschichte geschrieben werden kann. Vielleicht stellt ja bald mal jemand die Frage, ob ein Außenminister, der früher mal Steine geworfen hat, überhaupt gegen irgendeinen Krieg sein darf.
Aufschlussreicher ist es da, wie etwa Susanne Gaschke im Tagesspiegel ihre Diagnose unterfüttert, die Nach-68er hätten sich in einem moralischen Irrgarten verlaufen."Schröder und seine Altersgenossen definierten sich fast ausschließlich über Gegnerschaft und Verneinung: Nicht von ungefähr war,Leg' dich quer, dann bist du wer' ein nur begrenzt selbstironischer Juso-Wahlspruch."
Hier wird die Frage nach dem rot-grünen Selbstverständnis wenigstens ernsthaft gestellt, und nicht nur als Vehikel benutzt, um die immer schon gewusste Nicht-Regierungsfähigkeit der Linken zu behaupten. Vielleicht kommt der Zorn der konservativen Presse aber auch daher, dass Union und FDP nicht ernsthaft als Alternative herhalten können, wie die FAZ am Freitag selbst bemerkt. Die Opposition sei untergegangen, weil sie"der säbelnden Fechtkunst der Regierungskoalition - genauer des Duos Schröder-Fischer - rhetorisch, aber auch geistig zu wenig entgegenzusetzen hatte." Oder, in den Worten der Taz:"Die Stümperei der Regierung kann manchmal vergessen machen, dass die konzeptionslose Anbiederei der Opposition an Washingtons Kriegspläne das noch größere Übel ist."
Aber nicht nur bei FAZ und Welt funktionieren die Reflexe wieder. Während diese Blätter versuchen, Gerhard Schröder wilhelminisch zu zeichnen, holt Spiegel Online den Psycho-Theologen Eugen Drewermann aus der Versenkung, der George W. Bush ein beachtliches Zeugnis der Berufsunfähigkeit ausstellt."Getrieben von Versager-Komplexen, gestärkt vom fundamentalistischen Gotteswahn: George Bush ist besessen davon, einen noch besseren Krieg als sein Vater zu führen", so die knappe redaktionelle Zusammenfassung der Analyse. O-Ton Drewermann:"Das alles ist eine Verzahnung aus individueller Neurose und sozialpsychologischem Wahn: ein Überbietungssyndrom und eine Weltbeglückungskomponente." Schön, dass wir drüber gesprochen haben. Reden hilft ungemein. Wie wäre es mit einer Therapiegruppe Bush, Wilhelm-Zwo und Schröder?
<ul> ~ http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/medien/?sid=39f0984b068f671c43ed6d32ad318044&cnt=130374</ul>
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